Transfers erklärt: Darum wechselte Samuel Eto´o zu Chelsea
England 16.September.2013 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Winterpause gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?
Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
Wir blicken auf die Top-Transfers der gesamten Transferperiode des Chelsea FC, welcher sich unter José Mourinho wieder zu einem Titelanwärter in der Premier League entwickeln will. Der portugiesische Startrainer hat sich diesen Sommer vier namhafte Spieler gesichert und einige talentierte Jungstars verliehen. Kurzum: Mourinho baut schon an der nächsten Meistermannschaft, zumindest versucht er es.
In dieser kleinen Serie wollen wir nicht nur die Neuzugänge kennenlernen, sondern auch Mourinhos Denkweise bei den Transfers und wie die Akteure in das Chelsea-Spiel passen beziehungsweise welche taktischen Alternativen sie bringen. Denn eines ist gewiss, Mourinho hat bei seinen Transfers zumindest einen theoretischen Plan im Hinterkopf, wie er Spieler XY für seine Zwecke nutzen kann.
Im dritten Teil behandeln wir das Wiedersehen zweier alter Bekannter.
Die Problemzone adressieren: Samuel Eto’o als Rooney-Ersatz
Die Geschichte von Samuel Eto’o ist eine merkwürdige. Mit 16 Jahren kam er aus der Kadji Sportakademie zu Real Madrid, wo er allerdings nie eine Chance erhalten sollte. Aufgrund Ausländerbeschränkungen in der zweiten Mannschaft wurde er zuerst zu CD Logrones verliehen, bei denen er als Flügelstürmer agierte. Später wurde er zu Espanyol Barcelona geschickt, die ihn allerdings nicht einsetzten. Erst bei seiner dritten Station, RCD Mallorca im Jahr 2000, fand er sein Glück und blieb auch dort. Real Madrid verkaufte ihn für die stolze Summe von 5,5 Millionen Euro.
Bei Mallorca schaffte er es mit seiner laufintensiven Spielweise und seinem Durchbruch als Mittelstürmer, sich in die Herzen der Fans zu spielen. Nach 54 Toren in der Liga (in vier Saisonen, was ihn zum erfolgreichsten Mallorquiner aller Zeiten machte) wechselte er zum FC Barcelona, trotz eines Rückholangebots von Real Madrid. Dort schaffte er endgültig den Durchbruch; in der zweiten Saison holte sein Team nicht nur die Champions League, sondern er sicherte sich auch den Pichichi in der Primera Division als erfolgreichster Torschütze und wurde zum UEFA Stürmer des Jahres gewählt.
Nach sechs erfolgreichen Jahren verließ Eto’o Barcelona. In seiner Zeit in Spanien gab es immer wieder kleinere Skandale, die meistens Aussagen Eto’os oder sonderbares Verhalten (bspw. Bedrohen seines Beraters durch Ausziehen der Schuhe, eine Todesdrohung in Kamerun) betrafen. Schon bei Amtsantritt hatte Pep Guardiola angekündigt die alte Garde um Ronaldinho, Deco und Eto’o verkaufen zu wollen. Eto’o blieb zwar ein Jahr und war eine tragende Säule beim CL-Sieg 2008/09, dennoch wechselte er im folgenden Sommer – und dieses Mal ging er zu José Mourinho.
Bei Inter zeigte Eto’o seine ganze Klasse. Er war nicht nur als pressingstarker, dynamischer und abschlussstarker Mittelstürmer einsetzbar, sondern konnte über die Flügel seine Defensivstärke nutzbar machen. Mourinho baute eine asymmetrische 4-2-3-1-Formation im Laufe seiner zweiten Saison auf, in der Eto’o eine Schlüsselrolle spielte. Mit seiner Dynamik sollte er im Defensivgang die Seite dicht halten und in der Offensive Räume bespielen und sich für Wesley Sneijders Pässe anbieten. Dank Eto’os Veränderung, seiner selbstlosen Spielweise und seinem kompletten Fähigkeitenprofil konnte Mourinho mit Inter die Champions League gewinnen.
Auch ohne Mourinho blieb Eto’o stark, erzielte 37 Tore in der nächsten Saison und sorgte dafür, dass Barcelona von Kritik überschüttet wurde – die Katalanen hatten nämlich für Ibrahimovic nicht nur Eto’o an Inter abgegeben, sondern bezahlten zusätzlich eine Summe von angeblich über 60 Millionen Euro, obwohl Eto’o auch zwei Jahre später noch für viele als der wohl bessere / effektivere Angreifer galt.
2011 schien Eto’o aber einen Fehler zu machen. Er wechselte zu Anzhi Makhachkala; ein Zug, den ihm viele negativ auslegten. Hatte er keine Ambitionen mehr? Konnte er das Rekordgehalt – 20 Millionen Euro netto pro Jahr – nicht ausschlagen? Wollte er in der russischen Liga versauern?
Dies könnte auch ein Problem in der englischen Liga werden. Mit 32 Jahren ist er zwar noch keineswegs zu alt, um auf höchstem Niveau glänzen zu können, doch der Kameruner lebte immer von seiner Athletik. Im Pressing arbeitete er viel mit seinem Körper, lang andauernden Sprints und durchgehender Beteiligung an der Hetzjagd des Gegners. Im Offensivspiel lief er immer wieder diagonal in die Halbräume, startete in die Tiefe oder versuchte sich in Sprintduellen gegen seine Gegner durchzusetzen.
Der kreative Passgeber ist Eto’o nicht und – trotz einer guten Technik – auch kein ballhaltender Dribbler. Ob er nach zwei Jahren in Russland und mit 32 Jahren noch die hohe Arbeit und Schnelligkeit abrufen kann, die ihn zur absoluten Weltklasse gemacht hat, bleibt abzuwarten. Dennoch dürfte es eine intelligente Verpflichtung Mourinhos gewesen sein.
Mit Eto’o kommt ein zusätzlicher Stürmer, der Fernando Torres, Demba Ba und den jungen Wilden um Schürrle und Willian Druck machen kann. Eto’o verfügt wie auch Drogba – der spielentscheidende Mann beim Erfolg in der Champions League 2012 – über viel Erfahrung und gewisse Fertigkeiten, die auch in hohem Alter bleiben. Eto’o besitzt ein gutes Gespür, wie er sich in engen Situationen den kleinen Raum zum Abschluss erarbeiten kann, er besitzt eine sehr gute Entscheidungsfindung im letzten Spielfelddrittel und einen hervorragenden Torinstinkt.
Als Mittelstürmer könnte er also auch ohne seine Dynamik – die aber sicherlich keineswegs ganz weg sein wird – gute Leistungen bringen, wenn er und seine Laufwege sich an die Mitspieler anpassen. Und wer weiß: Vielleicht spielt Eto’o wieder den defensiv- wie offensivstarken Arbeiter auf dem offensiven Flügel, der im richtigen Moment in den Strafraum zieht oder die einfachen, aber hochgefährlichen Pässe in den Strafraum spielt. Dann könnte sich die als überflüssig bezeichnete Verpflichtung eines „sonderbaren und geldgeilen Altstars“ plötzlich als Glücksgriff entpuppen.
René Maric, www.abseits.at
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