Transfers erklärt: Darum wechselte Willian zu Chelsea
England 21.September.2013 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Winterpause gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?
Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
Wir blicken auf die Top-Transfers der gesamten Transferperiode des Chelsea FC, welcher sich unter José Mourinho wieder zu einem Titelanwärter in der Premier League entwickeln will. Der portugiesische Startrainer hat sich diesen Sommer vier namhafte Spieler gesichert und einige talentierte Jungstars verliehen. Kurzum: Mourinho baut schon an der nächsten Meistermannschaft, zumindest versucht er es.
In dieser kleinen Serie wollen wir nicht nur die Neuzugänge kennenlernen, sondern auch Mourinhos Denkweise bei den Transfers und wie die Akteure in das Chelsea-Spiel passen beziehungsweise welche taktischen Alternativen sie bringen. Denn eines ist gewiss, Mourinho hat bei seinen Transfers zumindest einen theoretischen Plan im Hinterkopf, wie er Spieler XY für seine Zwecke nutzen kann.
Im vierten Teil geht es um den zweiten Superstar von Anzhi Makhackala, Willian Borges da Silva.
Willian als möglicher Weltklassetransfer – oder Millionenflop
Am letzten Tag der Wintertransferphase 2013 wechselte Willian für 35 Millionen Euro von Shakhtar Donezk zu Anzhi Makhachkala. Für viele war es ein weiterer Baustein im Puzzle Anzhis, die als kommender CL-Geheimfavorit gelten sollten. Doch nach nur einem halben Jahr wurden die vielen Stars allesamt auf die Transferliste gesetzt. 133,85 Millionen Euro nahm Anzhi laut transfermarkt.de durch die Verkäufe ein, Willian war dabei mit 35,5 Millionen der teuerste; Samuel Eto’o ging ablösefrei, ansonsten brachte einzig Kokorin an die 20 Millionen ein.
Nun soll Willian bei Chelsea die Premier League angreifen. Er soll auch auf der Wunschliste von André Villas-Boas bei Tottenham und Arsene Wenger von Arsenal gestanden sein, doch José Mourinho konnte sich die Dienste des Brasilianers sichern. Für viele ist er ein Top-Einkauf, er galt schon während seiner Zeit bei Shakhtar Donezk als verkannter Weltklassespieler und der wichtigste Mann des ukrainischen Meisters. Seine Dribbelstärke, seine spektakuläre Spielweise und die Verbindung unterschiedlicher Eigenschaften auf höchstem Niveau trugen ihren Teil dazu bei.
Das Lob muss allerdings relativiert werden. Bei Shakhtar waren es Darijo Srna als kreativer und offensiver Rechtsverteidiger, Fernandinho als ballsichere und spielstarke Sechs und Henrikh Mkhitaryan als Vorbereiter und Verwerter von Angriffen, die eine wichtigere Rolle als Willian spielten, obwohl sie allesamt entweder wenig spektakulärere Spielertypen (Mkhitaryan) sind oder auf weniger präsenten Positionen agieren (Srna, Fernandinho). Willian hatte gelegentlich auch Probleme mit der Konstanz, seiner Erfolgsstabilität und der Effektivität seiner Spielweise; gelegentlich konnte er der Partie nicht wie erwünscht den Stempel aufdrücken.
Allerdings verfügt er zweifelsohne über das Talent, um dies auch auf höchstem Niveau zu tun. In der vergangenen Saison kam er beispielsweise in der Champions League auf sieben Scorerpunkte in sechs Partien, u.a. einen Doppelpack gegen seinen jetzigen Arbeitgeber. Seine Stärken sind dabei kaum zu übersehen.
Willian ist ein Fußballer, der auf mehreren Positionen nahezu ohne Qualitätsverlust agieren kann. Auf den Flügeln kann er sowohl über links als auch über rechts kommen, oft spielt er sogar in der Mitte als zentraloffensiver Spielgestalter oder hängender Stürmer. Mit seiner extremen Dynamik und seinen starken Dribblings kann er dabei mehrere Spieler stehen lassen und er verfügt über ein gutes Gespür für offene Räume und gegnerische Bewegungen. Dadurch kann er fehlerhafte Staffelungen oder Bewegungen der gegnerischen Mannschaft sehr gut bespielen.
Seine Technik im Verbund mit seiner Schnelligkeit macht ihn also zu einem potenziell hervorragenden Nadelspieler. Er kann auf engstem Raum den Ball behaupten und aus dieser Enge heraus intelligente Pässe spielen oder erfolgreich ins Dribbling gehen. Bei Chelsea könnte er also mit Oscar, de Bruyne, Mata oder Hazard eine sehr dynamische, flexible und dribbelstarke Dreierreihe bilden. Alle fünf können sämtliche drei Positionen in der offensiven Dreierreihe des 4-2-3-1 spielen und rochieren. Theoretisch wäre gar ein 4-2-4-0 oder ein 4-2-3-1 mit falscher Neun möglich; Hazard, de Bruyne und Willian haben diese Position in ihrer Karriere bereits bekleidet, ebenso wie André Schürrle.
Potenziell wäre Willian sogar als ausweichender Mittelstürmer einsatzfähig, der für das Mittelfeld Räume öffnet oder mit seiner Dribbelstärke und Dynamik im Konterspiel eine gefährliche Waffe für eine sehr stabile defensivorientierte Spielweise sein könnte. Im Verbund mit den extrem schnellen und raumgreifenden Hazard und Schürrle könnte beispielsweise eine 7-3-Aufteilung in Offensive und Defensive mit ungeheurer Dynamik im offensiven Umschaltspiel aufgeboten werden.
Dennoch muss abgewartet werden, ob Willian sich wirklich in England durchsetzen kann bzw. sein volles Talent abrufen wird. Er könnte mit seiner Art zu dribbeln vielleicht zu weiträumig für einen Nadelspieler in der Mitte sein, er könnte zu spielgestaltend sein, um in einer Mannschaft vom Stile Chelseas Synergien mit Hazard und/oder Mata zu erzeugen. Auf dem Flügel könnte er durch sein teilweise zu langes Zögern im Dribbling und das Abwarten gegnerischer Reaktionen zu verspielt sein und nicht in die körperliche und hochdynamische englische Liga passen.
Auch im Defensivgang ist er generell etwas zu lethargisch, besitzt hierbei aber dank seiner Athletik das Potenzial, ein sehr gutes Pressing spielen zu können. Trotz dieser potenziellen Mängel ist aber viel Talent erkennbar: Er ist sehr dribbelstark, bei voller Konzentration verfügt Willian auch über eine tolle Entscheidungsfindung im Dribbling und im Passspiel, was ihn zu einem möglichen Weltklassespieler macht, der aber noch viel Arbeit braucht. Seine taktische Variabilität könnte dabei seine größte Stärke werden – und auch die von Chelsea.
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Rene Maric
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