Im Namen des Vaters (3) – Die Gartlers und die Schachners
Bundesliga 19.Oktober.2013 Marie Samstag 2
Nature versus nurture: Was macht uns zu dem Menschen der wir sind? Wer bestimmt unsere Neigungen, Interesse, Geschicke und Talente? Der Gen-Pool oder unsere Lebenssituation? Fest steht, dass wir dann und wann die Berufe unserer Eltern ergreifen. Auch Fußballer haben Söhne und werden oft mit der Frage konfrontiert, ob diese in ihre Fußstapfen treten werden. Ist Ballgefühl erblich oder weckt die tägliche Konfrontation mit dem Sport die Lust dem Papa nachzueifern? Geben Väter ihren Jungspunden wertvolle Tipps oder haben diese es schwerer weil sie die Bürde des Namens ihres Vaters tragen?
Die Verhaltensgenetik erforscht die Übertragung von Talent und Begabung. Doch grundsätzlich ist es egal wie Fußballersöhne ihre Leidenschaft für den Ball mitbekommen. Tatsache ist, es gibt weltweit einige Spieler deren Väter schon auf dem Rasen aktiv waren: Frank Lampard sen. und jun., Cesare und Paolo Maldini, Miguel und „Pepe“ Reina sind als erfolgreiche Beispiele zu nennen. Aber auch in der Alpenrepublik haben so manche Vater-Sohn-Gespanne den Rasen betreten. Einige waren bedeutend, andere Söhne machten dem Herrn Papa wenig Ehre. Auf einzelne dürfen sich die rot-weiß-roten Fußballfans noch freuen: So manches Juwel kickt zurzeit in einer Jugendmannschaft. Hier wird- ohne Anspruch auf Vollständigkeit- eine kleine Auswahl österreichischer Fußballfamilien präsentiert:
Es gibt keinen Gartler ohne Unkraut – „Harry“ und René
In Hütteldorf spielten zwei Jungs zusammen, die beide mit den Vornamen ihrer Väter gerufen wurden: René Gartler nach Vater Harald mit „Harry“ und Christopher Drazan nach Vater Friedrich mit „Fritz“.
Die Gartlers in Grün-Weiß, das hat Tradition in Wien-Hütteldorf. Schon Vater „Harry“ durchlief sämtliche Nachwuchsstationen des Rekordmeisters. Den Sprung in die Kampfmannschaft schaffte der Wiener jedoch nie. Krankl und Kranjcar hießen seine Konkurrenten in der Offensive. An diesen gab es kein Vorbeikommen. So wechselte „Harry“ in die Regionalliga, wo er bei Red Star, Stadlau und Wiener Neudorf kickte. 1998 kam er zurück zu den Rapid Amateuren und wurde auch Torschützenkönig in der Wiener Liga. Durch seine vielen Tore kam er im biblischen Fußballeralter von 34 Jahren noch in den Genuss seines ersten Profispiels für die Kampfmannschaft. In der 84. Minute wurde er im März 1998 beim Auswärtsspiel in Salzburg eingewechselt. Dieses Intermezzo sollte jedoch sein einziger Einsatz für die Hütteldorfer bleiben.
Heute ist Gartler senior seinem damaligen Ziel näher, denn er trägt aktiv zum Kluballtag bei. Der 48-Jährige arbeitet im Bereich der Stadionverwaltung und war so an der Errichtung des grün-weißen Trainingszentrums im Prater beteiligt. Ansonsten besitzt „Harry“ eine Tankstelle und tritt als Sänger und Entertainer im Stile von Frank Sinatra, Sammy Davis jr., Elvis Presley oder Barry Manilow auf. Sein eigener Vater Leo ist Platzsprecher der Rapid Amateure.
Sohn und Enkel René ist noch auf dem Rasen tätig. Er kickt seit 2012 höchst erfolgreich für die SV Ried. Davor erlebte er bei seinem Herzensklub Rapid ein Wechselbad der Gefühle. Immer wieder wurde dem Stürmer großes Talent nachgesagt: Besonders seine Technik und Ballbehandlung wurden gelobt. Aber irgendwie schien René der Biss zu fehlen.
2005 debütierte er in der Kampfmannschaft, kam aber über drei Einsätze nicht hinaus und das „Weiterreichen“ nahm seinen Anfang: Kapfenberg, St. Pölten und Lustenau hießen seine (Leih-)Stationen. Im Ländle schien Gartler aufzublühen: Als Torschützenkönig der Ersten Liga kehrte er 2008 nach Wien zurück. Endlich war er dem Durchbruch nahe. Zeit wurde es: Denn Gartler feierte damals seinen 23. Geburtstag.
Doch die eigene „Dummheit“ und der „Verletzungsteufel“ waren ein gefährlicher Mix für den Offensivspieler: Eine Knochenmarksschwellung im Mittelfuß, ein Kreuzbandriss, ein Unterarmbruch taten das Ihre auf der körperlichen Seite. Nächtliche Eskapaden mit Freund und Torhüter Andreas Lukse in der Vor-Weihnachtszeit und eine durchtanzte Party-Nacht vor einem Cupspiel kamen dazu.
Der damalige Rapid-Coach Peter Pacult warf ihm auch falsche Ernährung vor. Seine ballesterischen Fähigkeiten waren unbestritten, aber er schien körperlich oft nicht auf der Höhe zu sein. Für Pacult war er der „letzte echte Straßenkicker Wiens“. Doch, wie sein Vater, schaffte es René Gartler schließlich bei Rapid nicht. Unter Peter Schöttel wurde dem damals 26-Jährigen verkündet, dass sein Vertrag nicht verlängert werde.
Gartler suchte sich eine neue Herausforderung: Die SV Ried. Im Innviertel scheint es für ihn nun besser zu laufen. Klarerweise, die Jugendsünden von damals sind für den Familienvater mittlerweile vergessen. Sein Kreativ-Spiel und seine Fähigkeiten im Spielaufbau werden von einem Mittelständler gut gebraucht. Robert Zulj und Clemens Walch bilden mit dem Offensiv-Spieler ein gefährliches Offensivtrio.
Trotzdem bleibt ein fahler Beigeschmack: Mit harter Arbeit hätte René sicher mehr aus sich machen können. Seine spielerische Klasse mit Kampfgeist und Robustheit ergänzt, wäre nicht nur für Rapid eine enorm wichtige „Waffe“ gewesen.
Die Hoffnung stirbt aber bekanntlich zuletzt. Und die allerletzte Hoffnung heißt in diesem Fall: Luca Gartler. Renés Sohn erblickte am 9. Dezember 2010 das Licht der Welt. Eine Fortsetzung der Fußballfamiliengeschichte scheint also möglich.
„Schoko“-Nachwuchs im Tor – Walter und Alexander
„Der Kinder Ehre sind ihre Väter.“, steht in der Bibel geschrieben. Alexander Schachner kann auf Papa „Schoko“ zu Recht stolz sein. Der Stürmer kam über den Donawitzer SV Alpine zur Austria und von dieser nach Italien zu Cesena und dann zu Torino Calcio. Der SC Pisa und US Avellino folgten.
Danach ging Schachner zurück nach Österreich, wo er sich bis zu seinem Karriereende 2001 bei verschiedenen Vereinen der drei Leistungsstufen verdingte. Als Trainer stieg er mit dem FC Zeltweg und dem FC Kärnten auf und bekam dann die Chance sich bei seinem alten Verein dem FK Austria zu beweisen. Die Veilchen ersetzten den Ex-Italien-Legionär trotz guter Erfolge durch Christoph Daum. Schachner wechselte in sein steirisches Heimatland und feierte mit dem GAK Erfolge. Vizemeister und anschließend Meister (2004) wurden die roten Grazer unter Schachner. Ebenso entstand die „Schoko-Tabelle“, die Walters Leistungen dokumentierte.
Seine weitere Laufbahn als Übungsleiter schien aber nicht von Erfolg gekrönt zu sein: Beim TSV 1860 München, SK Austria Kärnten, FC Trenkwalder Admira Wacker und LASK Linz lief es nicht besonders gut. Als Spieler äußerten sich „Schokos“ Stürmerqualitäten in drei Meistertiteln, die er in drei Saisonen mit dem FK Austria Wien holen konnte. Zwei Mal wurde Schachner auch Torschützenkönig der österreichischen Liga.
Sohn Alexander versucht heute Tore zu verhindern. Von 2008 bis 2009 war er in Kapfenberg engagiert, danach spielte er beim DSV Leoben und bei Sturm Graz.
Der Torhüter Schachner gibt zu, dass es nicht immer leicht war den Namen des Vaters zu tragen. „Besonders der Neid steht da im Vordergrund. Sturm ist der erste Verein, bei dem man das ganz neutral betrachtet. In anderen Teams war das nicht so.“
2011 gab Alexander sein Pflichtspieldebüt für die „Schwoazen“. Stamm-Keeper Gratzei war verletzt und auch Ersatzmann Cavlina laborierte an einem Muskelfaserriss im Oberschenkel. Also durfte die Nummer drei der Grazer Torleute in einem Cupspiel erstmals ran: Gegen die Admira zeigte der damals 20-jährige eine Hälfte lang sein Können. „Er hat einen ruhigen, sicheren Eindruck gemacht.“, urteilte der damalige Sturmtrainer Franco Foda.
„Schokos“ Junior stand zu jener Zeit kurz vor einem Debüt in der Liga. Ausgerechnet ein Auswärtsspiel gegen Rapid Wien war im Oktober 2011 zu bestreiten. Für die Presse war Schachner in diesem Spiel schon fix gesetzt: Seine Enttäuschung wird wohl riesig gewesen sein, als Cavlina statt ihm selbst auflief. Der leicht angeschlagene Kroate musste schon in den ersten Minuten behandelt werden, konnte aber durchspielen. Also blieb das Ligadebüt für Schachner aus. Hing es damit zusammen, dass er in der Partie gegen die Admira mit seiner ersten Aktion einen groben Fehler begangen hatte? Wollte Franco Foda dem jungen Burschen die atemberaubende Fankulisse im Hanappi-Stadion nicht zumuten, weil er dachte diese würde Alexander nervös machen?
Angesprochen auf seinen Fehler im Cup sagte der Jungspund damals: „ […] das war früh in der Partie, ich war möglicherweise noch nicht ganz angekommen. Auf jeden Fall war ich schon unterwegs und wollte nicht mehr zurück in die Mitte. Deswegen habe ich meinen Weg durchgezogen. Gott sei Dank ist in der Mitte dann kein Tor entstanden.“ Tatsächlich spielte der Tormann die Partie dann solide zu Ende.
Seit der U10 steht Alexander im Tor. Sein Bruder Walter junior ist Feldspieler und suchte so den direkten Vergleich mit seinem „alten Herren“. Walter Roberto spielt aber nur auf „Freizeitniveau“, während Alexander längere Zeit im Kader der Sturm Amateure stand. Er blieb jedoch bis zum Ende seiner Zeit bei den „Schwoazen“ der dritte Mann im Tor: 2009/2010 kam er auf zwei Ligaspiele in der Regionalliga Mitte, ein Jahr später waren es neun Spiele und in seiner letzten Saison zehn Matches. Ein Ligaspiel für die Kampfmannschaft absolvierte der heute 22-Jährige nicht mehr.
Seit Juli 2013 ist er bei St. Michael engagiert, dem Verein wo sein Vater seine Karriere begann. Alles auf Anfang also, wenn man generationsübergreifend sprechen möchte.
Marie Samstag, abseits.at
Marie Samstag
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