In allen Belangen unterlegen: Austria verliert gegen Atlético Madrid 0:3
Champions League 23.Oktober.2013 Rene Maric 0
Mit 0:3 verlor die Austria zuhause gegen das spanische Spitzenteam Atlético Madrid. Dabei waren sie nicht nur individuell unterlegen, sondern litten einerseits unter dem Spielverlauf und andererseits unter der taktischen Ausrichtung der Spanier. Diese standen ungemein stabil, ließen bis auf zwei Situationen eigentlich nur Halbchancen zu und waren offensiv sehr gefährlich. Zwar verkauften sich die Veilchen vor heimischem Publikum keineswegs schlecht, der Klassenunterschied war aber bis auf wenige kurze Phasen klar ersichtlich.
Atlético versperrt alles ab dem Sechserraum
Nominell begann Atlético mit einem 4-2-3-1, welches sich defensiv als ein sehr kompaktes 4-4-1-1/4-4-2 zeigte. Wer erwartet hätte, dass Atlético gegen die Austria hoch stehen oder mit einer offensiveren Ausrichtung öffnen würde, sollte enttäuscht werden. Zwar spielte Atlético minimal höher als früher, zeigte aber kaum ein hohes Pressing und konzentrierte sich wie üblich eher auf die strategischen Punkte des gegnerischen Spiels. Die beiden höchsten Spieler im Defensivspiel, Mittelstürmer Diego Costa und der nominelle Zehner Raul Garcia, positionierten sich zumeist nahe am Sechserraum der Austria.
Sie besetzten die Räume um James Holland herum, der sich wie üblich im Aufbauspiel vor den Innenverteidigern positionierte und eine zentrale Rolle hätte einnehmen sollen. Wenn er abkippte, wurde er nicht verfolgt, stattdessen stellten die beiden Stürmer Atléticos das Mittelfeld zu. Wirkliches Kombinationsspiel, insbesondere über die Mitte, kam bei der Austria dadurch nicht auf. Das 4-4-2-0 des Gegners war enorm kompakt. Das Atlético aber dennoch so gefährlich und stark im Pressing war, lag an deren gruppentaktischen Fähigkeiten und der sehr starken Abstimmung im Pressingübergang.
Die Madrilenen konnten teilweise mehrere Minuten lang eher passiv und zurückhaltend wirken, nur um danach bei einer fehlerhaften Ballannahme, schlechter Staffelung, einem ungenauen Pass oder einem unpassenden Sichtfeld der Defensivspieler der Austria sofort ins Pressing überzugehen. Sie waren dann sehr schnell, schoben sofort kollektiv nach und konnten extrem großen Druck erzeugen. Mehrmals war es dabei Diego Costa, der mit einem Sprint die Jagd auf den Ball startete und die restliche Mannschaft schob nach.
Die Flügel sorgen für Angriffe, aber auch für Mini-Löcher
Interessant war bei diesem Pressing die Spielweise der Außenstürmer. Da die beiden tiefen Stürmer Atléticos die Mitte versperrten und die restliche Mannschaft sich relativ positionsorientiert verhielt, waren die Außenbahnen in der Tiefe als Einziges geöffnet. Diese kleinen Räume auf den Außenverteidigerpositionen der Austria waren aber wie eine Falle aufgebaut: Sobald der Pass kam, schob der Außenstürmer Atléticos nach vorne und ging ins Pressing. Die beiden Stürmer beteiligten sich daran und verschoben seitlich zum Ball, wodurch kurzzeitig eine Art 4-3-3 mit großem Ballfokus entstand.
Interessant war das Verhalten hinter dem Außenstürmer. Da dieser auf- und ein Band nach vorne rückte, verschoben die anderen drei Mittelfeldspieler in das entstehende Loch. Der halblinke Sechser stand dann beispielsweise zwischen seiner ursprünglichen Position und der Position des aufgerückten Linksaußen. Pässe der Austria unter Druck nach vorne entlang der Linie wurden dadurch oftmals abgefangen oder konnten zumindest schnell gestellt werden.
Diese Bewegungen waren generell sehr sauber gemacht und erzeugten im Verbund mit dem seitlichen Pressing der tiefen Außenstürmer für hohe Kompaktheit. Kam der Ball in die Mitte zurück, verschoben die Stürmer auf ihre Position, es musste die Seite gewechselt werden und das Spiel ging auf der anderen Seite von neuem los. Kurzum: Es gab kein Vorbeikommen. Obwohl es die Austria versuchte.
Flügelangriffe und unterbundene Konter
Die Hausherren mussten meistens über die Flügel angreifen und konnten dabei mit Einzelaktionen, risikoreichen Kombinationen und Flanken zumindest ins gegnerische Drittel kommen. So fanden 24% des Spiels im Atlético-Drittel statt und nur ein Prozent mehr im Drittel der Austria.
Das Problem lautete dabei Stabilität. Während die Angriffe Atléticos ziemlich schnell gefährlich wurden oder bei schlechter Staffelung, ob offensiv oder defensiv, rechtzeitig abgebrochen wurden, hatte die Austria fast nur Halbchancen. Zu groß war die Kompaktheit Atléticos in der Mitte und zu eng die Räume für die Austria.
Doch ein paar Mal wurde die Austria gefährlich; die größte Chance gab es, als man das starke Verschieben Atléticos eher zufällig bespielte. Aus einem Angriff über die rechte Seite kam ein langer Ball an den zweiten Pfosten – wo sich niemand befand, außer Philipp Hosiner, der den Ball gegen die Latte drosch. Die nominelle Überzahl im 4-1-4-1 wurde schon nach einigen Minuten ad acta gelegt, als Roman Kienast für Marko Stankovic eingewechselt wurde. Ob es aus der Not geboren war oder ob Nenad Bjelica bewusst die Flügel und Flanken fokussieren wollte, ist schwer zu sagen: Die extrem große Zahl von Flanken und langen Bällen suggeriert eher Letzteres.
Obwohl die Austria deutlich weniger Pässe hatte (484:620), hatten sie dennoch viel mehr lange Bälle (73:56) und extrem viel mehr Flanken (31:18). Sie fokussierten die Flügel im Angriffsspiel, 63% der Aktionen kamen über die Flügel und nur 27% über die Mitte und die Halbräume. Das Problem war aber neben der Staffelung Atléticos auch deren sehr gutes Rückzugsverhalten nach Angriffen.
Die Rojiblanco mit einer Meisterleistung im Kontrollieren von Kontern
Wenn Atlético den Ball hatte, dann fächerten sie durchaus weit auf und erzeugten Präsenz an der Grenze zum zweiten Spielfelddrittel. Hier lag deren große Stärke: Im zweiten Drittel waren sie sehr präsent, sie schoben die Außenverteidiger nach vorne, der enorm spielstarke Koke konnte auf links einrücken, ebenso Arda Turan auf der gegenüberliegenden rechten Seite und Raul Garcia auf der Zehner-Position ließ sich gelegentlich zurückfallen.
Ballverluste waren dadurch selten, Atlético hatte viele Akteure im Zwischenlinienraum und im zweiten Spielfelddrittel. Gleichzeitig konnten sie mit sprintartigem Aufrücken einzelner Akteure offene Räume anvisieren und Dynamik erzeugen, während sie durch die hohe Zahl an Spielern im Mittelfeld nach Ballverlusten sofort Gegenpressing spielen oder sich auf ihre ursprünglichen Positionen orientieren konnten. Konter waren dabei schwer zu spielen. Die Austria schaffte keinen Einzigen, Atlético selbst hingegen kam auf zwei.
Theoretisch kann so eine Spielweise auch problematisch sein: Zu viele Spieler im Mittelfeld, zu wenig vorne. Doch einerseits bewegten sich die Außenverteidiger, insbesondere Filipe Luis, und die Mittelfeldspieler immer wieder nach vorne und selten gab es eine statische Stellung oder mangelnde Präsenz. Und außerdem hatte man ja noch Diego Costa.
Die Rolle Diego Costas
Dank des Brasilianers – und Bald-Spaniers – hatte das Spiel durchgehend Tiefe und es gab viele Anspielstationen vorne; bzw. eben diese eine, die fast überall unterwegs war: Diego Costa bewegte sich vor diesem Block enorm viel und bot sich auf den Flügeln an. Mit seiner extrem starken Ballbehauptung konnte er Pässe jeder Art verarbeiten und auch gegen zwei Gegenspieler behaupten.
Lange Bälle aus der Abwehr waren ebenso kein Problem, er wirkte phasenweise fast wie ein eleganter Didier Drogba aus dessen Hochzeiten, zeigte sich außerdem im Dribbling und im Abschluss von seiner besten Seite. Auch Diego Simeone lobte die Leistung Diego Costas nach dem Spiel und bezeichnete ihn als herausragend.
Generell wirkt er manchmal wie eine Ein-Mann-Armee ganz vorne: In Unterzahl behauptet er Bälle, im Dribbling stellt er sich herausragend zwischen Gegner und Ball, er hat eine tolle Technik, ist spielintelligent und arbeitet enorm viel. Keine Schande für die Austria, gegen einen Spieler mit solcher Qualität und in Topform Probleme gehabt zu haben.
Fazit
Das größte Problem dürfte neben der Diskrepanz in der individuellen Qualität natürlich die Stärke Atléticos in puncto strategischer Stabilität gewesen sein. Das Pressing war hervorragend angelegt, sie eroberten die Bälle schnell, wenn es möglich war, und ließen sich Zeit, wenn es riskant gewesen wäre. In den wichtigen Räumen standen sie überaus solide.
Im Aufbauspiel haperte es teilweise, insbesondere nach der klaren Führung wirkte Atlético weniger konzentriert und durchschlagskräftig. Doch dafür haben sie ein gutes Umschaltspiel nach vorne und eben Diego Costa, der mit Koke und Arda Turan sowie Filipe Luis enorme Gefahr erzeugen kann. Diese Unterschiede zeigen sich auch in folgender Statistik: Die Austria hatte eine höhere Passerfolgsquote, aber deutlich weniger Ballbesitz. Ein klarer Unterschied im Pressing ist hier zu vermuten.
Dazu natürlich das geringere Risiko der Austria und die vielen Querpässe in der ersten Phase des Aufbauspiels. Bei der Austria kamen nur die beiden Innenverteidiger auf eine Passquote von über 90%, bei Atlético waren es die Mittelfeldspieler Tiago und Turan, die diese Werte erreichten.
Rene Maric, abseits.at
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