Kämpferisch stark, spielerisch gut und doch zu grün hinter den Ohren: Deshalb holte Rapid gegen Genk „nur“ ein 2:2!
Europa League 8.November.2013 Daniel Mandl 1
Der SK Rapid Wien verspielte seine wohl letzte realistische Chance auf die Teilnahme am Sechzehntelfinale der Europa League. Dies hört sich zunächst hart an, doch die Hütteldorfer verkauften sich noch teurer als beim Auswärtsspiel in Genk. Dennoch gab es Probleme im Spiel der Grün-Weißen, die einen vollen Erfolg gegen den KRC Genk verhinderten.
Zoran Barisic schickte sein Team in einem 4-2-3-1-System auf den Platz und stellte Steffen Hofmann erneut auf die rechte Seite. Noch besser als in den letzten Spielen konnte man hierbei die Rochade zwischen dem Kapitän und dem nominell zentral aufgebotenen Louis Schaub erkennen. Die Positionen der beiden Kreativspieler wechselten flüssig, mal spielte der eine zentraler, mal der andere.
Boskovic und Petsos als perfektes Achterduo?
Die Doppelacht wurde diesmal von Branko Boskovic und Thanos Petsos gebildet, wobei vor allem Boskovic wieder seine großen spielerischen Fähigkeiten zeigte. Der Montenegriner bestätigte seinen neu gewonnenen Ruf als Nadelspieler. Noch beeindruckender war jedoch die Leistung von Thanos Petsos: Der Deutsch-Grieche fügte sich neben einem verbesserten Boskovic ideal ein und riss das Spiel in Breite und Tiefe nach und nach an sich. Insgesamt verbuchte der 22-Jährige 100 Ballkontakte und damit die meisten auf dem Platz. Er schoss selbst aufs Tor, leitete zahlreiche Torchancen oder zumindest Ansätze dazu ein und bewies großes Gefühl in seinem Positionsspiel.
Sensationelle Passstatistiken der Doppelacht
Rapid kam zwar insgesamt zu wenigen Torchancen, beherrschte einen guten Gegner aber im Mittelfeld und in der Zone vor dem gegnerischen Strafraum fast nach Belieben. Auch aus schwierigen Situationen am Flügel befreiten sich die Grün-Weißen durch schnelles und präzises Kurzpassspiel. Für die nötigen Spielverlagerungen sorgten die defensiven Mittelfeldspieler. Petsos spielte 80 Pässe bei einer Passgenauigkeit von 98%, Boskovic 60 bei einer Genauigkeit von 95%. Zusammen spielten sie 13 lange, spielverlagernde Pässe – alle kamen an den Mann. Brian Behrendt, der in der 81.Minute für Boskovic kam, fügte sich bestens in die Topstatistik ein: 12 Pässe, 12-mal an den Mann, davon drei Verlagerungen.
Hofmann und Sabitzer konnten kaum Akzente setzen
Der rechte Mittelfeldspieler Rapids erwischte ebenso wie der Linksaußen keinen guten Tag – dennoch konnte man wichtige Unterschiede zwischen den beiden Akteuren erkennen. Bei Hofmann lief spielerisch nicht viel zusammen, doch der Kapitän gab nicht auf und überzeugte bis kurz vor seiner Auswechslung zumindest mit seiner Körpersprache und gutem Pressing in der Etappe. Bei Sabitzer, der auch an diesem Tag kaum etwas „Besonderes“ zu zeigen hatte, passte die Körpersprache nicht und eigentlich wäre er schon früher für eine Auswechslung fällig gewesen.
Frischer Wind durch Burgstaller
Guido Burgstaller passte besser in das Spiel. Auch wenn er zunächst wieder mit geringer Positionstreue aufwartete, fokussierte er sich recht bald auf seine Stärken. Einer der größten Trümpfe Genks ist die enorme Physis in der Viererabwehrkette. Gerade gegen dieses Bollwerk benötigte Rapid einen „Verrückten“. Und Burgstaller passt deutlich besser in diese Kategorie als der junge Sabitzer. Dies bewahrheitete sich auch schnell. In nur 15 Minuten dribbelte sich Burgstaller dreimal in den Strafraum und ließ die Alarmglocken schrillen. Rapid wurde mit ihm merklich gefährlicher.
Laufspiel in letzter Instanz funktionierte nicht
Zuvor war es aber das Laufspiel ohne Ball, das Rapid weitere Tore verwehrte. Bis zum Strafraum kombinierte die Barisic-Elf gut und weitgehend sicher, doch zu zahlreichen zwingenden Torchancen kamen die Wiener nicht. Zwar machte Genk die Räume insgesamt eng, doch Rapid war ballsicher genug, um dieses Netz zu überwinden. Allerdings liefen gerade die Flügelspieler und Solospitze Boyd nicht die richtigen Lücken an. Kurze, schnelle Sprints, idealerweise von Halbpositionen diagonal zum Tor hin ausgeführt – das fehlte Rapid am gestrigen Abend. Weil die inversen Läufe der Flügelakteure zumeist exakt entlang des Strafraums ausfielen, fehlte in letzter Instanz die Tiefe, die ein direktes Laufspiel der offensivsten Akteure gegeben hätte. Symptomatisch und dennoch verwunderlich aufgrund der Genker Physis in der Innenverteidigung war, dass Terrence Boyds Treffer schlussendlich nach Flanken fielen.
„Verknappungstaktik“ bei Flanken
Rapid zeigte sich im Flügelspiel variabel und auch wenn Zoran Barisic ein wenig bemängelte, dass zu wenig über die Seiten kam, war gerade diese „Verknappungstaktik“ (so es tatsächlich eine taktische Facette war) der Erfolgsgarant für Rapid. Hätten Trimmel, Schrammel und Co. die große Feldüberlegenheit genützt, um ein regelrechtes Flankenfeuerwerk zu zünden, hätte sich Genk mit seinen kopfballstarken Abwehrspielern darauf eingestellt. Rapid verlagerte sich eher auf inverse Läufe und nützte die ballsicheren Anspielstationen auf defensiveren Positionen, anstatt sich auf die blinde Suche nach Terrence Boyd mit hohen Bällen zu begeben. Genk begann nach und nach weniger mit Flanken zu rechnen und die wenigen Chancen, die man sich aus Hereingaben vom Flügel erarbeitete, verwertete Rapid auch.
Zwei Gegentore sind zu viel
Barisic hatte Recht mit seiner Einschätzung, dass auch ein Quäntchen Glück fehlte und eben hie und da ein Fuß zu viel im Weg war. Laufen einige Aktionen nur minimal anders, schießt Rapid womöglich noch das eine oder andere Tor mehr. Das eigentlich ärgerliche am gestrigen Abend war jedoch, dass Rapid zwei (verhinderbare) Tore kassierte…
Defensives Umschaltspiel als Hemmschuh
Die größte Schwäche der Hütteldorfer am gestrigen Abend war das Umschaltspiel von Offensive auf Defensive. Manchmal schalteten zu wenige Spiele aus der offensiven Mittelfeldreihe nach hinten um, in anderen Szenen schalteten die zentralen Mittelfeldspieler zu weit zum eigenen Tor um. Wenn Boskovic und Petsos sich von den offensiven Mittelfeldspielern Genks bis zum eigenen Sechzehner zurückdrängen ließen und Schaub, Hofmann und Co. nicht weit genug nach hinten kamen, hatte Genk in der Etappe völlige Handlungsfreiheit. In diesen Situationen wurden die Belgier auch immer wieder in Ansätzen gefährlich.
Genk gedankenschneller, wenn’s schnell gehen musste
Noch schlimmer war das Umschaltverhalten aber nach Ballverlusten Rapids in der gegnerischen Hälfte, die Genk sofort zu einem Gegenstoß verarbeiten konnte. Wenn das Gegenpressing Rapids versagte, schalteten die Offensivspieler Genks viel schneller um, als es die Defensivspieler Rapids taten. Oft hatte man den Eindruck, dass vor allem der routinierte Buffel im Kopf schneller war als seine jungen, grün-weißen Gegenspieler. Das schnelle offensive Umschaltspiel der „Genkis“ wurde zudem vom enorm laufstarken Freigeist Benji de Ceulaer geprägt, mit dem kaum ein Rapid-Spieler in vollem Lauf Schritt halten konnte.
Grün hinter den Ohren
Das Spiel wurde eher deshalb nicht gewonnen, weil man zwei unnötige Tore kassierte, in deren Entstehung entweder der Kopf oder das Umschaltspiel zu langsam war – nicht, weil man selbst zu wenig nach vorne machte. Speziell das zweite Gegentor, dem ein einfacher Abstimmungsfehler zwischen Trimmel und Hofmann vorausging, ist extrem ärgerlich. Rapid stand in dieser Situation grundsätzlich gut gestaffelt, aber Genk spielte den Angriff schnörkellos zu Ende. So tröstet auch die Tatsache nicht, dass Rapid eine der besten Saisonleistungen ablieferte. Unterm Strich waren die Hütteldorfer zwar gut und kämpferisch mehr als nur ansehnlich, in den entscheidenden Szenen aber noch zu grün hinter den Ohren.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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