Bayern gegen Braunschweig und die taktischen Anpassungen in der Anfangsphase
Deutschland 2.Dezember.2013 Tobias Robl 0
Am Wochenende kam es in der deutschen Bundesliga zum Aufeinandertreffen des Tabellenersten mit dem Tabellenletzten. Die Münchner Bayern empfingen den Aufsteiger aus Braunschweig und gewannen mit 2:0. Interessant war dabei besonders die Anfangsphase, in der Bayern bereits in der zweiten Minute durch ein Tor von Arjen Robben in Führung ging und die Anpassungen der Grundtaktiken durch die Trainer zu Beginn.
Bei den Münchner Bayern fehlte, neben den länger verletzten Ribery und Bastian Schweinsteiger auch noch Phillip Lahm, der sich im Spiel gegen Moskau einen Muskelfaserriss zuzog. Auf der linken Seite begann dafür Thomas Müller und das Mittelfelddreieck bestand aus dem tiefspielenden Martinez in Verbindung mit den beiden Achtern Kroos und Alcantara.
Braunschweig agierte mit dem fast gleichen Spielermaterial wie gegen den SC Freiburg die Woche zuvor, einzig Vrancic und Perthel wurden durch Jackson und Caligiuri ersetzt, was unter anderem mit einer Änderung der Pressingformation einherging..
Bayern mit falscher Neun / Braunschweig im 4-4-2
In den ersten Minuten der Partie spielte Braunschweig gegen den Ball ein 4-4-2-System, mit dem die Bayern aber recht gut klar kamen. Dies lag zum einen daran, dass Bayerns Außenverteidiger (für die Ära Guardiola bei den Bayern eherunüblich)breit spielten und dem Spiel schon im Spielaufbau Höhe und Breite gaben, wodurch sich neben den beiden Stürmern der Braunschweiger Raum in den Halbräumen ergab. In diesen Raum ließ sich vor allem Götze oft fallen und holte sich dort immer wieder Bälle ab. Er verließ dabei seine nominelle Position im Sturmzentrum nicht nur situativ, sondern ließ diese oft bewusst für längere Phasen verwaisen.
Entscheidend dafür, dass Bayern diese Räume anspielen konnte, war, dass sich Martinez situativ fallen ließ, wodurch die Innenverteidiger sich breiter positionieren konnten, sodass sie immer wieder mit Ball am Fuß aufrücken, und den Spielern in den Halbräumen die Bälle zuspielen konnten. Dabei fokussierten sich die Bayern vor allem auf die rechte Seite, auf der es immer wieder zu Überladungen kam, wenn sowohl Götze als auch Alcantara kurz kamen.
Daneben gab es durch das Aufrücken der Außenverteidiger noch weitere Effekte. Weil vorne die Breite durch Rafinha und Alaba gegeben wurde, konnten Robben und Müller ihre Positionen verlassen und sich anderweitig einbringen. Müller tat das von der linken Seite, indem er immer wieder zur Mitte zog und die Position Götzes im Sturmzentrum besetzte. Auch Robben driftet von der anderen Seite viel ins Zentrum, ließ sich aber mehrmals situativ fallen um sich in die Kombinationen am Flügel einzuschalten.
Als Paradebeispiel der beschriebenen Mechanismen dient der Führungstreffer zum 1:0 durch Arjen Robben. In dieser Situation ließ sich Götze neben die Braunschweiger Stürmer in den rechten Halbraum fallen, bekam den Ball und spielte nach kurzem Dribbling einen Flugball hinter die Abwehr auf den diagonal einlaufenden Robben, der den Ball – nachdem er ihn erst an den Pfosten schoss- beim zweiten Versuch mit dem Kopf ins Tor beförderte. Der lange Ball Götzes war ein bewusst eingesetztes Stilmittel der Bayern, die oft Diagonalbälle zum ballfernen Flügel spielten.
Lieberknechts Umstellung auf ein tiefes 4-5-1 und die Reaktion Guardiolas
Nach etwa fünf Minuten, sicherlich auch wegen des Gegentreffers, aber in ersten Linie deshalb, weil Braunschweig keinerlei Zugriff auf Bayerns Aufbau bekam, stellte Torsten Lieberknecht das System der Eintracht auf ein sehr defensiv gespieltes 4-5-1 um, in dem Mittelstürmer Kumbela den Mann vor der Mittelfeldkette spielte. Er versuchte nicht die Innenverteidiger zu trennen, sondern positionierte sich im Sechserraum der Bayern um deren Spielverlagerungen zu unterbinden, oder zumindest ineffektiver zu machen. Durch das Mittelfeldband mit fünf Spielern konnte Braunschweig besser die Breite des Platzes verteidigen, und vor allem situativ mit einzelnen Spielern in die Halbräume herausrücken, wenn sich dort Spieler kurz anboten. Dadurch hatten sie auf den Raum vor ihrer Kette und neben den Stürmern theoretisch mehr Zugriff.
Als Reaktion darauf, wies Guardiola seine Außenverteidiger an, im Spielaufbau vermehrt ins Zentrum zu schieben, denn die Breite im Aufbau konnte so nicht mehr genutzt werden. Stattdessen wurde diese im Spiel der Bayern dann eine Ebene weiter vorne dadurch erzeugt, dass sich Müller und Robben auf rechts, und der auf links geschobene Götze dort, breiter positionierten.
Die Achter positionierten sich, genauso wie die Außenverteidiger hinter den zentralen Schnittstellen des Braunschweiger Mittelfeldbandes um dort entweder selbst anspielbar zu sein, oder das Band in der Horizontale zusammenzuziehen, was Götze und vor allem Robben immer wieder ermöglichte zwischen den beiden Linien angespielt zu werden.
Weil sich vor allem rechts aber Rafinha und Robben bzw. Müller, wenn einer von beiden in die Mitte zog und der andere auf den Flügel driftet, auf den Füßen standen, und sich zwei Spieler oft auf dieselbe Schnittstelle anboten, passte Rafinha sein Verhalten an. Er schob im Spielaufbau dann bis in die vorderste Linie um dort Gegner zu binden, hielt seine Position im Halbraum aber ein, und ließ sich erst dann zurückfallen, wenn Robben oder Müller den Ball am Flügel bekamen. Dadurch öffnete er einerseits den Raum vor der Kette für inverse Dribblings von Robben, diente aber gleichzeitig als Anspielstation und stand in einer absichernden Position. Dass diese Idee recht gut funktionierte, lag sicherlich auch darin begründet, dass Braunschweig die Breite in der Abwehrkette fehlte, sodass sie nach schnellen Spielverlagerungen wegen ihres weiten Verschiebens auf die Flügel Räume in letzter Linie oft nicht schnell genug schließen konnten. Bayern nutze dies neben den langen Flachpässen auf die Flügel auch durch die oben beschriebenen langen Bälle auf den jeweils ballfernen Flügel, als auch durch andauernde inverse Dribblings von Robben.
Götze wich bis ca. zur 40. Minute der ersten Halbzeit vermehrt auf die linke Seite aus, und spielte dort eine ähnliche Rolle, wie es Franck Ribery in den Spielen zuvor tat. Er ließ sich dabei im Aufbau für einen Flügelspieler relativ weit fallen und bot sich meist so an, dass er aus der letzten Reihe angespielt werden konnte. Alaba versuchte durch sein zentrales Einrücken diese Passwege nach außen weiter zu öffnen und durch vertikale Bewegungen Räume zu öffnen. Er bot sich zuerst auf die zentrale Schnittstelle im Mittelfeldband der Gäste an, und schob dann dynamisch nach vorne, wenn Götze den Ball erhielt. In Verbindung mit diesen Abläufen war auf der linken Bayern-Seite auch noch öfter zu sehen, dass Kroos ähnlich wie Schweinsteiger in den von Alaba geöffneten Raum ging, und über ihn die Möglichkeit gegeben war, Götze am Flügel anzuspielen. Götze konnte dann, je nachdem ob er den Ball zwischen den Ketten erhielt, oder noch davor, die Linie entlang dribbeln, oder in den von Alaba geöffneten Raum zur Mitte ziehen.
Der Rest des Spiels
Vor der Halbzeit schob Guardiola Götze wieder ins Sturmzentrum und das Spiel hatte ähnliche Mechanismen wie zu Beginn. Nach der Pause kam dann Braunschweig deutlich besser ins Spiel, weil sie zwar ihre Formation gegen den Ball beibehielten, aber deutlich weiter vorne angriffen, was Bayern Probleme bereitete. Dass für Müller im Laufe der zweiten Halbzeit Mandzukic kam, ein klassischer Zielspieler, deutet vielleicht an, dass das Münchner Trainerteam mit der Ausführung eines Systems ohne Zielspieler im Sturm noch nicht ganz zufrieden ist und die Umsetzung selbst gegen kleiner Teams, wie eben Braunschweig, noch nicht so ist, wie Guardiola es sich wünscht. Dabei sollte aber trotzdem beachtet werden, dass Braunschweig gegen den Ball sehr gut agiert und die Gründe, warum man auf dem letzten Tabellenplatz steht, eher im offensiven Bereich zu suchen sind.
Tobias Robl, abseits.at
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Tobias Robl
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