Terrence Boyd und die Systemfrage bei Rapid Wien: Passt er oder passt er nicht?
Bundesliga 25.April.2014 Alexander Semeliker 0
Am vergangenen Sonntag erreichte der SK Rapid Wien beim SV Grödig ein 2:2-Unentschieden, wodurch man gegen den Aufsteiger zwar ohne Saisonsieg bleibt, die Qualifikation für das internationale Geschäft in der kommenden Saison jedoch quasi fixiert wurde. Zweifacher Torschütze für die Hütteldorfer war Terrence Boyd – ein Spieler, über den aktuell viel diskutiert wird.
Der 23-jährige US-Amerikaner wechselte vor zwei Jahren von den Amateuren von Borussia Dortmund in die österreichische Hauptstadt. Die erste Profisaison seiner Karriere beendete er mit 28 Scorerpunkten in 42 Spielen – nicht überragend, aber als Einstand sehr solide. Die Leistungen in der laufenden Spielzeit werden hingegen kritischer gesehen, sodass zusehends die Frage aufgeworfen wird, wie gut Boyd zum grünweißen Spiel passt.
Echte vs. falsche Neun
Bei Rapid spielte Boyd bisher unter zwei Trainern: Peter Schöttel und Zoran Barisic. Die Einsatz- und Leistungsstatistik liest sich oberflächlich ziemlich ähnlich. In 38 Spielen unter Schöttel schoss er 16 Tore und bereitete acht weitere vor. Unter Barisic stand er 39-mal am Feld, traf 17-mal und leistete fünf Assists. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass er trotz einem Spiel mehr rund 200 Minuten weniger am Platz stand.
Während Boyd bei gut einem Viertel (26%) seiner Einsätze von Barisic eingewechselt wurde, war dieser Anteil unter Schöttel noch zehn Prozent niedriger. Ein Grund dafür ist, dass der Fokus auf das Umschaltspiel in der aktuellen Saison größer ist und deshalb auch nominelle Flügelspieler wie Marcel Sabitzer und Guido Burgstaller als Solospitze beginnen. Die Vor- und Nachteile dieser Variante konnte man besonders gut bei der 1:2-Niederlage gegen Admira Wacker Mödling sehen.
Ein Spieler für die Gefahrenzone
Die Dynamik des Offensivspiels war außerordentlich hoch. Burgstaller, Sabitzer und der als Zehner agierende Louis Schaub rissen und bespielten immer wieder Lücken in die gegnerische Defensive – vor allem im zweiten Drittel. Auf der anderen Seite wurde dieses Spiel in einem hohen Maße auch von einer schlechten Entscheidungsfindung im Angriffsdrittel geprägt. Dass ausgerechnet der eingewechselte Boyd für das einzige Rapid-Tor sorgte, rundet den Vergleich ab und sorgt für eine perfekte Überleitung zur eigentlichen Thematik.
Boyd gilt als klassischer Mittelstürmer mit gutem Kopfballspiel und ausgezeichneten Qualitäten im Abschluss. Im Schnitt benötigt er 4,5 Schüsse für ein Tor – nur die beiden Salzburger Jonathan Soriano und Alan sowie der jetzige Freiburger Philipp Zulechner haben von den Spielern, die mehr als zehn Saisontoren erzielt haben, bessere Quoten. Noch interessanter ist aber jene in der Gefahrenzone – dem Raum im Strafraum nahe am Tor und direkt zentral vor dem Strafraum.
Boyd schießt nämlich fast ausschließlich aus dieser Region: 43 von 50 Mal in dieser Bundesligasaison, in 21% davon zappelte der Ball danach im Netz. Zum Vergleich: der Durchschnitt in der englischen Premier League liegt bei ca. 11%. Diese Abschlussstärke ist auch der Grund dafür, dass er kaum Aktionen um den Strafraum herum hat. Die nachstehende Grafik zeigt zwei beispielhafte Passschemen, die typisch für einen Wandspieler wie Boyd sind.
Man sieht, dass er insbesondere im Übergang vom zweiten ins dritte Spielfelddrittel angespielt wird und diese Bälle dann hauptsächlich kurz prallen lässt. Des Weiteren ist auch ein leichter Linksfokus erkennbar.
…oder doch mehr?
Auf der anderen Seite werden Boyd technische Mängel nachgesagt, vor allem in der Ballan- und –mitnahme. Verglichen mit den Anfängen seiner Rapid-Zeit bzw. davor ist ihm in dieser Hinsicht aber eine klare Weiterentwicklung gelungen. Räume öffnet er zudem nicht ausschließlich aufgrund seiner körperlichen Präsenz, sondern er zeigt mittlerweile auch strategisch gute Bewegungen – unter anderem auch gegen Grödig am letzten Wochenende. Auch hierfür sehen wir uns wieder zwei Passgrafiken an.
Man erkennt eine Keilstruktur mit Pässen im und um den Mittelkreis bzw. das häufigere Ausweichen auf die Seiten und in die Halbräume. Dadurch kann man die Dynamik der offensiven Mittelfeldspieler auch im Kombinationsspiel besser einbringen. Zudem sieht man, dass die Pässe seltener nach hinten gespielt wurden, sondern es durchaus auch Pässe in den Zehner- und Strafraum gibt.
Boyds Entwicklung scheint also noch nicht abgeschlossen zu sein. Grundlegende Dinge wie Physis oder Technik sind mit zunehmendem Alter zwar kaum zu verbessen, in seinem Bewegungsprofil könnte er aber in Zukunft neue Facetten einbringen und womöglich mehr als ein Flankenabnehmer sein. Aufgrund einer Restvertragszeit von einem Jahr muss sich Rapid damit die Frage stellen, mit einem potenziellen WM-Teilnehmer zu verlängern oder ihn vielleicht doch noch für gutes Geld zu verkaufen.
Alexander Semeliker, abseits.at
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