Topleute in der Offensive: Bosnien und das mögliche Problem mit der Unausgeglichenheit
WM 2014 | Mannschaftsanalyse 31.Mai.2014 Alexander Semeliker 0
Das Gerüst des bosnischen Teams bilden Legionäre aus den europäischen Topligen – besonders in der Offensive kann Trainer Safet Susic Spieler aufbieten, die dort auch innerhalb dieser zu den Besten ihres Fachs gehören. Eine Besonderheit ist, dass der 59-Jährige, obwohl er ein 4-4-2 spielen lässt, nur zwei nominelle Stürmer einberief.
Die klare Nummer eins im Kasten der Bosnier ist Asmir Begovic, der bei Stoke City spielt. Der 26-Jährige überzeugt in erster Linie mit unglaublichen Reflexen auf der Linie und in eins-gegen-eins-Situationen. Bei den Potters wurde er von seinen Teamkollegen in den letzten beiden Jahren zum Spieler der Saison gewählt und 2013 war er sogar Idol Nacije, Bosniens Spieler des Jahres. Dahinter gibt es mit Asmir Avdukic, Dejan Bandovic und Jasmin Fejzic Kandidaten, die allerdings stark abfallen und trotz Alter zwischen 28 und 33 Jahren so gut wie keine internationale Erfahrung haben.
Der Kapitän des Teams spielt in der Innenverteidigung und heißt Emir Spahic. Der 33-Jährige ist nicht nur ein richtiger Patriot, sondern gewissermaßen auch ein Mysterium. Einerseits ist er ein durchaus guter Verteidiger, der für seine Gegenspieler unüberwindbar scheint, andererseits sorgt er regelmäßig mit Unsportlichkeiten abseits des aktiven Spielgeschehens für Aufsehen. Neben dem Leverkusener dürfte mit Ermin Bicakcic ein weiterer Bundesliga-Legionär auflaufen. Der Neo-Hoffenheimer ist ein durchaus moderner Innenverteidiger. Weitere Kandidaten sind Toni Sunjic – nicht der schnellste Spieler, aber dank seiner Physis und der schwachen Konkurrenz regelmäßig dabei – sowie die vielseitigen Erin Zukanovic und Ognjen Vranjes.
Rechts in der Viererkette war der routinierte Freiburger Mensur Mujdza in den letzten Jahren ein verlässlicher Akteur. Er fehlte jedoch den Großteil der letzten Saison verletzt. Als Alternative zum konservativ spielenden Mujdza ist der dynamische, offensiv starke Avdija Vrsajevic zu sehen. Links agiert mit Sead Kolasinac ein großes Talent. Der 20-jährige Defensivallrounder verdrängte Christian Fuchs bei Schalke 04 und lief im Nachwuchs noch für Deutschland auf. Für Bosnien absolvierte er bisher erst zwei Länderspiele, was aber aufgrund seines Potenzials ausreichte um keinen weiteren Linksverteidiger einzuberufen. In der Qualifikation agierten dort meist zurückgezogene Mittelfeldspieler.
Die spielerischen Fäden im Mittelfeld zieht der 24-jährige Miralem Pjanic von der AS Roma. In der abgelaufenen Saison entwickelte sich Pjanic, dem bereits bei Lyon unheimliches Potenzial nachgesagt wurde, zu einem Spieler von Weltklasse-Format. In seinen Dribblings vereint er Balance und Koordination perfekt, was ihn extrem präsent und teilweise unantastbar wirken lässt. Im bosnischen Team ist er auf der Halbposition zu erwarten, wenngleich er auch die Zehnerposition bekleiden könnte. Ein weiterer wichtiger Baustein im Offensivspiel ist Zvjezdan Misimovic, der als Ergänzung zum dribbelnden Pjanic hinter den Spitzen das Passspiel diktiert.
Die Absicherung der beiden übernimmt Haris Medunjanin, womöglich der entscheidende Spieler im Team. Er sorgt für die Balance, ist der einzige defensive Mittelfeldspieler. Seine Vertreter sind Adnan Zahirovic vom VfL Bochum, Muhamed Besic und Tino-Sven Susic. Sturms Anel Hadzic kommt am ehesten für eine der beiden Halbpositionen in der Mittelfeldraute in Frage – ebenso Srdjan Stanic. Als Backups für Misimovic könnten Zoran Kvrzic oder Senijad Ibricic fungieren.
Während Pjanic rechts eher einrückend agiert und einen Halbraumspieler gibt, sind die Optionen auf der linken Seite eher klassische Außenspieler, wenngleich sie bei ihren Vereinen ebenfalls phasenweise im Zentrum agieren. Die beiden Anwärter auf einen Platz in der ersten Elf sind Senad Lulic und Sejad Salihovic, wobei beide durchwegs unterschiedliche Spielertypen sind. Lulic kommt über seine Laufbereitschaft, Geradlinigkeit und Physis, während der Hoffenheim-Legionär strategischer und kombinationsstärker agiert. Beide spielten zudem auch schon öfter als Außenverteidiger.
Als Alternative zu Pjanic gibt es auf der rechten Seite mit Izet Hajrovic ebenfalls einen Spieler, der mehr Breite anbieten kann. Der Galatasaray-Akteur ist dynamisch und zieht mit seinem linken Fuß oft zur Mitte bzw. zielgerichtet zum Tor. Nachdem sich der gebürtige Schweizer für das bosnische Team entschied hängt Miroslav Stevanovic in der Warteschleife – ebenso Edin Visca und auf der gegenüberliegenden Seite Ermin Zec. Die beiden dürfen sich aber aufgrund der Nominierungspolitik von Susic im Angriff noch Chancen auf die WM ausrechnen.
Für die beiden Angriffspositionen wurden nämlich nur zwei Spieler nominiert, allerdings zwei prominente und routinierte. Es ist dies zum einen Edin Dzeko, Bosniens Rekordtorschütze. Der 28-jährige Ex-Bundesliga-Torschützenkönig ist selbst bei Manchester City ein wichtiger Spieler, überzeugt neben seinen Abschlussqualitäten auch mit strategisch guten Bewegungen. Sein Partner, Vedad Ibisevic, der beim VfB eine maximal durchwachsene Saison erlebte, ist ein ähnlicher Spielertyp: physisch stark, gefährlich im Sechszehner und über eine gute Grundtechnik verfügend. Vor allem gegen tiefstehende Gegner ist die Durchschlagskraft der beiden gepaart mit den unterstützenden Elementen aus dem Mittelfeld ein gutes Mittel. Inwiefern das bosnische Team dies bei der WM gebrauchen kann, wird man sehen.
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Alexander Semeliker
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