Die DFB-Auswahl strotzt nur so vor Routine und internationaler Erfahrung. Einige Spieler gehören schon seit zehn Jahren zum festen Stamm der Nationalmannschaft. Dazu kommen... Deutschlands WM-Kader: Auf Weltklasselevel, aber dennoch mit kleinen Schwachstellen

Marco Reus (Deutschland, Borussia Dortmund)Die DFB-Auswahl strotzt nur so vor Routine und internationaler Erfahrung. Einige Spieler gehören schon seit zehn Jahren zum festen Stamm der Nationalmannschaft. Dazu kommen verheißungsvolle Talente. Jedoch hat das Team von Joachim Löw auch die eine oder andere nominelle Schwachstelle, während man vor allem im Mittelfeld extrem gut besetzt ist.

Die deutsche Torwartschule genießt seit jeher einen sehr guten Ruf. Mit Manuel Neuer hat man aktuell einen der weltbesten Torhüter zwischen den Pfosten. Der 28-Jährige ist ein sehr moderner Tormann, der viel mitspielt und überaus selbstbewusst auftritt. Allerdings scheint er sich ab und an zu überschätzen, was zu schlimmen Patzern führt. Hinter dem Bayern-Schlussmann lauert mit Roman Weidenfeller ein Spieler, der für sein Alter kaum Erfahrung auf Länderspielebene hat. Der 33-jährige Dortmunder wurde vom DFB lange ignoriert, zeigte aber vor allem in der Champions League, dass er dem hohen internationalen Niveau gewachsen ist. Der dritte Torhüter ist Ron-Robert Zieler von Hannover 96 – ein durchwegs kompletter Tormann, der in seiner Spielweise kaum negativ auffällt.

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In der Innenverteidigung dürfte Per Mertesacker gesetzt sein. Der 29-jährige Hüne besticht vor allem durch seine Ruhe und Konstanz, ist zudem eine gefährliche Waffe bei Standardsituationen. Daneben gibt es einen Zweikampf zwischen Mats Hummels vom BVB und Bayerns Jerome Boateng. Beide sind gemessen am Innenverteidiger-Standard beweglich und am Ball selbstbewusst. Gemäß den Vereinsleistungen müsste man mit Hummels rechnen; der Dortmunder hat aber Probleme, seine Konstanz auch im Teamdress abzurufen. Daneben gibt es mit Shkodran Mustafi einen weiteren modernen Innenverteidiger, dessen Einberufung durchaus überraschend kam, weil er „nur“ bei Sampdoria kickt. Ebenfalls in der Innenverteidigung einsetzbar ist Schalke-Kapitän Benedikt Höwedes, der unter Löw aber auch als Rechtsverteidiger zu Einsätzen kam.

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Die meisten Diskussionen gibt es auf den Außenverteidigerpositionen, wo man in Philipp Lahm einen Weltklassespieler hat. Der 30-jährige Kapitän spielt mit einer ungeheuerlichen Konstanz und Balance, ist zudem taktisch extrem intelligent. Genau deshalb wurde er bei Bayern München ins defensive Mittelfeld beordert – ein Trend, dem zuletzt auch Löw folgte. Daher könnte Kevin Großkreutz die Rolle rechts hinten übernehmen. Der Dortmunder Jung‘ ist ebenfalls sehr spielintelligent und agierte beim BVB bereits auf nahezu jeder Position.

Auch links ist mit einem Dortmunder zu rechnen, nämlich Marcel Schmelzer. Doch auch der 26-Jährige agierte im Verein bisher stärker als beim DFB-Team, ist defensiv nicht immer sicher. Sein Ersatzmann ist mit Erik Durm der gleiche wie beim BVB. Der 22-Jährige war einer der Shootingstars der letzten Saison und vor einem Jahr noch Stürmer bei den Amateuren.

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Das zentrale Mittelfeld wird von Bastian Schweinsteiger angeführt. Der Bayern-Profi ist ein überaus „kompletter“ Spieler, der verschiedene Aufgaben übernehmen kann. Welche das bei der WM genau sein werden wird in erster Linie darauf ankommen, wo Lahm spielt. Schweinsteigers Partner könnte wie bei der WM 2010 aber auch Sami Khedira von Real Madrid sein. Der 27-Jährige wäre der ideale Balancespieler, kam aber gerade erst von einer schweren Kreuzbandverletzung zurück.

Eine weitere Option wäre Schweinsteigers Vereinskollege Toni Kroos, der mit seinem strukturierten Passspiel besticht. Allerdings würde dieses Duo vor allem defensiv Abstriche machen müssen. Mit Matthias Ginter, der auch in der Innenverteidigung agieren kann und als eines der größten deutschen Talente gilt, und Christoph Kramer, taktisch interessanter Zentrumspieler von Borussia Mönchengladbach, gibt es daher zwei Spieler, die trotz wenig Erfahrung realistische WM-Chancen haben.

Im zentralen offensiven Mittelfeld ist Mesut Özil gesetzt. Der Spielmacher von Arsenal verfügt über eine exzellente Technik und bewegt sich enorm gut im Zwischenlinienraum. Der 25-Jährige spielt oft die entscheidenden Pässe in die Tiefe, bereitete in den letzten Jahren europaweit die meisten Torchancen vor. Zwar wird ihm gerne unterstellt, große Schwächen im Abschluss zu haben, in der UEFA-Qualifikation haben jedoch nur zwei Spieler mehr Tore als Özil erzielt.

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Auch die offensiven Außenbahnen sind erstklassig besetzt, sowohl in der Spitze als auch in der Breite. Rechts findet man in Thomas Müller den Torschützenkönig der letzten Weltmeisterschaft. Damals war dies eine große Überraschung, mittlerweile zählt der 24-Jährige aber zu den weltbesten Spielern auf seiner Position. Aufgrund seiner schlaksigen Statur wird Müller zwar gerne unterschätzt, tatsächlich verfügt er aber über ein außergewöhnlich gutes Positionsspiel und attackiert freie Räume enorm präzise.

Links hat man in Marco Reus ebenfalls einen Spieler von Weltklasseformat. Der 25-Jährige ist technisch stärker als Müller, dynamischer, tritt brandgefährliche Standards und ist zudem ebenfalls torgefährlich. Obwohl der FC Bayern die letzte Bundesligasaison in allen Belangen dominierte wurde Reus von seinen Kollegen zum besten Spieler des Jahres gewählt. In 44 Pflichtspielen für den BVB verbuchte er 46 Scorerpunkte (je 23 Tore und Assists).

Als Ersatz stehen weitere international erprobte und hochgeschätzte Spieler zur Verfügung: Julian Draxler, der bei Schalke das Um und Auf in der Offensive ist und seit geraumer Zeit mit europäischen Topklubs in Verbindung gebracht wird, und die beiden „Londoner“ Andre Schürrle und Lukas Podolski, die ihr großer Zug zum Tor auszeichnet und gegebenenfalls auch als Stürmer agieren können.

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Im Angriff lastet einmal mehr nahezu die gesamte Last auf den Schultern von Miroslav Klose, der mit seiner ausweichenden, zuarbeitenden und dennoch torgefährlichen Spielweise perfekt ins System von Löw passt. Der zweitbeste Torschütze der WM-Geschichte ist mittlerweile jedoch 35 Jahre alt und musste in den letzten Jahren regelmäßig Verletzungen wegstecken. Als erste Alternative gilt Mario Götze, der im Stile einer falschen Neun agieren würde.

Dank Götzes Technik hätte man zusätzliches Kombinationspotenzial und mehr spielmachende Elemente. Ansonsten könnte er auch im offensiven Mittelfeld oder am Flügel zum Zug kommen. Der dritte Stürmer im Kader ist mit Kevin Volland von 1899 Hoffenheim ein international unbeschriebenes Blatt, das in der Bundesliga aufgrund seiner hohen Dynamikfähigkeiten aber längst Begehrlichkeiten geweckt hat.

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Alexander Semeliker

@axlsem

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