Vorschau | Die WM-Halbfinalisten im statistischen Vergleich
WM 2014 | Allgemein 8.Juli.2014 Alexander Semeliker 0
60 von 64 Spielen bei der WM in Brasilien sind gespielt. Vor uns liegen nur mehr die beiden Halbfinalduelle sowie das Finale und das Spiel um Platz drei, das die restlichen Teams vermeiden wollen. Das bedeutet, es wurden auch schon viele statistische Daten angehäuft. abseits.at wirft in diesem Artikel auf jene der vier Halbfinalisten.
Sowohl Brasilien als auch Deutschland, Niederlande und Argentinien schafften es ohne Niederlage in die Runde der letzten Vier. In der KO-Phase musste jedes Team einmal über mindestens 120 Minuten ran, Brasilien und die Niederlande setzten sich gegen Chile bzw. Costa Rica erst im Elfmeterschießen durch. Während die Niederländer ebenso wie die Argentinier in der Gruppenphase das Punktemaximum holten, leisteten sich die anderen beiden jeweils einen kleinen Ausrutscher und holte sieben der neun möglichen Punkte.
Eigene und zugelassene Schüsse
Zu Beginn wollen wir einen Blick auf die Schussstatistiken der Mannschaften werfen und blicken dabei zuerst auf die eigenen Versuche. Danach sehen wir uns an, wie viele Möglichkeiten zugelassen wurden.
Mit 18 Schüssen pro Spiel ist Argentinien innerhalb der hier getroffenen Auswahl das Team mit den meisten Abschlüssen. Im ganzen Turnier wiesen nur Ghana und Belgien höhere Zahlen auf. Die Gauchos sind allerdings auch das Team mit der niedrigsten Schussgenauigkeit, denn nur 32% ihrer Schüssen gingen auf das gegnerische Tor. Damit liegen sie über 15% hinter den Niederländern, die in dieser Kategorie top sind.
Auch die Rangliste der zugelassenen Schüsse führen die Oranje hier an. Lediglich 8,8 Schüssen sieht sich der niederländische Torhüter gegenüber. Die Werte der anderen drei Mannschaften liegen hingegen eng beieinander. Der Halbfinalspieler mit den meisten abgegeben Schüssen ist Angel di Maria, der insgesamt deren 25 (21 davon auf das Tor) abgab, dahinter folgen Neymar (18), Lionel Messi und Arjen Robben (je 17).
Chancenauswertung
Als nächstes sehen wir uns an welches der vier Teams bisher am effizientesten in der Auswertung seiner Chancen war und werden sehen, dass auch hier die Niederlande das Maß aller Dinge ist.
Für ihre 12 Tore benötigten die Schützlinge von Louis van Gaal insgesamt 74 Schüsse. Wie beim Verhältnis von Schüssen zu Schüssen auf das Tor mussten sie aber auch hier im Vergleich zur sensationellen Gruppenphase Eingeständnisse machen. Damals lag die Chancenauswertung nämlich noch rund 10% über der aktuellen. Argentinien wird hingegen auch nach dieser Betrachtung den Ruf der Minimalisten nicht los.
Ballbesitz und Pässe
Die nächsten Grafiken behandeln die Pass- und Ballbesitzdaten der Halbfinalisten. Dabei sieht man erneut, dass sich der Charakter der Spiele mit niederländischer Beteiligung geändert hat. In der Gruppenphase hatte man in Spanien und Chile zwei ballbesitzorientierte Teams als Gegner, was zur Folge hatte, dass nur der Iran weniger Ballbesitz hatte.
Verglichen mit den drei Teams hier haben die Niederländer aber nach vor die geringsten Ballbesitzanteile. Argentinien und Deutschland führen die Rangliste mit jeweils über 60% an, nur Spanien hatte marginal mehr (61,4%). Dementsprechend hoch sind auch die Passerfolgsquoten der beiden Teams: Deutschland 86,7% und Argentinien 86,5%. Die Brasilianer liegen mit 81,1% an letzter Stelle.
Die meisten Pässe des Turniers spielten ebenfalls die Deutschen mit 655 pro Spiel – ein Zeichen dafür, dass sie ballbesitzorientierter agieren als bei den letzten Turnieren. Besonders auffällig in dieser Kategorie ist allerdings der hohe Anteil an langen Pässen bei den Niederländern, die jeden sechsten Pass über eine Distanz von mindestens 25 Yards spielen. Bei den Brasilianern ist es jeder siebenten, bei den Argentiniern jeder zehnte und bei den Deutschen jeder zwölfte. Die meisten Pässe des Turniers spielte bisher Deutschlands Kapitän Philipp Lahm (471/87% angekommen) vor Javier Mascherano (ARG,465/87%) und Toni Kroos (GER,450/84%).
Pässe pro Schuss
Die neue Spielweise der Deutschen orientiert sich am spanischen Stil, das heißt sie zeichnet sich durch eine hohe Ballzirkulation – und da vor allem in die Breite – aus. Genau diesen Aspekt können wir auch aus dem nachstehenden Diagramm herauslesen.
Im Schnitt spielt Deutschland 44 Pässe ehe sie abschließen. Im Kontrast dazu steht das lineare Spiel der Brasilianer, die nur 25 Pässe pro Schuss aufwenden. Der Output ist mit jeweils zehn Tore und einer ähnlichen Chancenauswertung in etwa gleich. Betrachtet man anstelle der gesamten Schüsse nur jene, die den Weg auf das Tor fanden, gibt es nur eine Verschiebung. Argentinien brauchte nämlich mit 105 Pässe pro Torschuss am längsten – ein weiteres Indiz dafür, wie schwer sich die Albiceleste bisher tat.
So schnell Brasilien auch zum Abschluss kam, so leicht machte man es den Gegnern, denn im Schnitt musste man nur 30 Pässe spielen um zu einer Möglichkeit zu kommen. Knapp dahinter folgen Argentinien und Deutschland, während die Niederlande in dieser Kategorie unangefochten Spitzenreiter ist. Das neue, kompakte Defensivkonzept der Oranje lässt sich kaum durch Direktangriffe aushebeln.
Kombinationsunterbrechungen
Nachdem wir uns angesehen haben, wie schnell die Teams zum Abschluss kommen, wollen wir nun einen Blick darauf machen, wie lange sie brauchen um den Ball zu erobern bzw. einen Angriff zu unterbinden. Ein hoher Wert muss dabei allerdings nicht zwangsweise bedeuten, dass der Gegner leicht zu Torchancen kommt.
Die Brasilianer lassen ihrem Gegner die wenigste Zeit am Ball und stoppen einen Angriff bereits nach durchschnittlich sechs Pässen. Ein besonderes Werkzeug sind dabei Fouls – kein Team foult nämlich öfter als der Gastgeber (19,2mal pro Spiel). Vor allem aufgrund dieses Gesichtspunktes dürfte das Duell mit dem DFB-Team interessant werden, wie man vorhin gesehen hat, spielen die Deutschen nämlich viele Pässe ehe sie zum Abschluss kommen und Brasilien hingegen sehr direkt. Außerdem erkennt man auch hier, dass die Niederländer nicht permanent den Zugriff suchen. Sie verschieben vielmehr kompakt und attackieren in definierten Situationen um dann zügig nach vorne zu kombinieren.
Zurückgelegte Distanz
Zum Abschluss wollen wir noch einen Blick auf die Laufstatistiken der Teams werfen, was hier nur deshalb zulässig ist, weil alle Teams (mehr oder weniger) die selbe Zeit am Platz standen und niemand mehr als eine Verlängerung in den Beinen hat.
Dass Deutschland trotz der hohen Ballbesitzanteilen an erster Stelle steht, mag zunächst etwas ungewöhnlich sein, zeigt aber, dass die gute Ballzirkulation auch ein Resultat von regelmäßigen Freilaufbewegungen ist. Dementsprechend führen vier Deutsche die Rangliste jener Spieler an, die die meiste Distanz zurückgelegten wenn ihr Team in Ballbesitz war. Die gegenteilige Kategorie dominieren von den übriggebliebenen Spielern naturgemäß die Niederländer. Hinsichtlich der gesamten Distanz ist Thomas Müller mit insgesamt 57,4 zurückgelegten Kilometern der Dauerläufer schlechthin. Dahinter folge mit Kroos und Lahm zwei weitere DFB-Akteure.
Alexander Semeliker, abseits.at
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