Bayerns fehlende Harmonie im 3-4-2-1-System
Deutschland 15.August.2014 Rene Maric 1
In der Vorbereitung schwankte Bayerns 3-4-2-1-Formation zwischen sehr gut und instabil. Beim deutschen Supercup gegen den BVB zeigte sich, dass es gegen stärkere und gut pressende Teams (noch) enorme Probleme hat. Doch diese Probleme liegen nicht an der Staffelung selbst, sondern vielmehr an der Umsetzung. Potenziell ist das 3-4-2-1 vielversprechend; es mangelt aber noch an der Harmonie.
Probleme im offensiven Bewegungsspiel
Der größte Kritikpunkt an den Bayern in dieser Supercuppartie war wohl nicht die defensive Instabilität, sondern die relative Harmlosigkeit im zweiten und letzten Drittel. Dies lag vorrangig daran, dass man dort schlichtweg nie präsent war und sich kaum in der gegnerischen Hälfte festsetzen konnte. Teilweise lag dies natürlich am BVB: Ihr Pressing im 4-3-1-2/4-1-2-3-0 in der ersten Stunde des Spiels sowie die Umstellung nach circa einer Stunde auf ein enorm variables 4-1-4-1/4-3-3/4-1-3-2 mit unterschiedlichen und vielfältigen Herausrückbewegungen sowie einer eher optionsorientierten Raumdeckung war hervorragend. Unterstützt wurde diese gute Leistung aber von den bayrischen Problemen im Spielaufbau.
Das größte Problem waren die Abstände. Die Flügelverteidiger Höjbjerg und Bernat waren zu häufig nicht anspielbar oder befanden sich in Gegnernähe. Zwar fächerten die drei Verteidiger dahinter bisweilen weit auf, um die Flügel nach vorne zu schieben ohne Anbindung zu verlieren, vielfach war die Ballzirkulation dann aber zu behäbig. Dadurch waren weder die Halbverteidiger, welche im Idealfall eigentlich nach längerer Ballzirkulation im zweiten Drittel selbst nach vorne rücken sollten, noch die Flügelverteidiger ordentlich eingebunden und konnten von Dortmund häufig sehr gut isoliert werden. Aber nicht nur auf den Flügeln gab es Probleme.
Ein Loch im Sechserraum
Nur 25% der Angriffe der Bayern gingen über die Mitte; diese Zahl spricht Bände, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass für Guardiola das Zentrum die wichtigste Zone auf dem Fußballfeld ist und unbedingt kontrolliert werden sollte. Zwar beherrschen die Dortmunder ebenfalls das Zentrum gut, doch 25% ist ein erschreckend niedriger Wert; und bis zur Einwechslung Philipp Lahms dürfte er noch geringer gewesen sein. Die Probleme und die einfache Isolation der Flügel und Halbräume durch den BVB waren auch dadurch begründet, dass es zentral keine sauberen Freilaufbewegungen oder raumöffnende Aktionen mit längeren, erfolgsstabilen Kombinationen gab.
Im Pressing waren sie dadurch instabil und sicherten einander nicht ordentlich ab, während sie mit Ball schlichtweg in den engen Räumen kaum präsent waren. Rode spielte beispielsweise zu ballorientiert, sowohl offensiv als auch defensiv. Dadurch übernahm er eine zu wichtige Rolle im Aufbauspiel, welche ihm schlichtweg auf diesem Niveau nicht liegt; Rode müsste eher als passstarker und weiträumiger Akteur agieren, der einen Aufbauspieler vor der Abwehr unterstützt und nicht diesen darstellt. Gaudino hingegen ist vom Spielertyp her ein passiver Zirkulationsspieler, der gut in engen Räumen ist, wenn er von den Mitspielern mit Anspielstationen unterstützt wird; seine Probleme in der Präsenz zeigten ein anderes großes Problem im 3-4-2-1.
Mangelnde Synergien im letzten Drittel
Vor der Doppelsechs aus Gaudino und Rode spielten Shaqiri und Müller etwas asymmetrisch hinter Lewandowski. Ziel dürfte vermutlich gewesen sein, dass Shaqiri in den engen Räumen den Ball hält, aus der zweiten Reihe abschließt und als Kombinationsspieler dient, während Lewandowski vorne längere Anspiele fixieren oder direkte Ablagen spielen kann, Müller offene Räume anvisiert und die beiden Sechser im Wechsel ebenfalls nach vorne stoßen. Diese Bewegungen konnten aber kaum eingebunden werden, desweiteren waren nahezu sämtliche Versuche unharmonisch. Müller konnte seine berüchtigten Läufe hinter die Abwehr eigentlich nie einbringen, Lewandowski wurde sehr einfach und effektiv isoliert, Shaqiri hingegen selbst war schlichtweg sehr ineffizient, dribbelte sich in falsche Räume und Situationen und von der Sechs aus konnte nur Gaudino vereinzelt positiv unterstützen.
Auch die Flügelverteidiger als Breitengeber und Unterstützung auf der Seite wurden nicht gut eingebunden, weil das Timing im Aufrücken unpassend war; dies sorgte wiederum für eine noch stabilere Defensive bei den Dortmundern in sehr kompakten Situationen. Phasenweise rückten sogar die Außenverteidiger des BVB auf die Flügelverteidiger der Bayern nach vorne und dennoch konnten die Bayern mit ihren beiden Halbstürmern kaum Präsenz in den Räumen dahinter oder in der Mitte erzeugen. Aber nicht nur bei den Kurzpasskombinationen aus der Defensive nach vorne hatte Bayern große Probleme in der gegnerischen Hälfte zu kombinieren.
Bei Mittelfeldüberbrückung ähnliche Probleme
Vereinzelt probierten die Münchner sich auch mit längeren Bällen aus dem Pressing des BVB zu befreien und nicht nur mit einer horizontalen, beharrlich aufrückenden Kurzpasskombinationskette nach vorne zu kommen. Hier waren die Probleme in puncto Isolation und Synergiemangel noch klarer zu erkennen; Lewandowski stand alleine auf weiter Flur, wurde sehr gut gedoppelt und konnte nie den Ball halten, bis er Anspielstationen hatte. Teilweise konnte er in der letzten halben Stunde Götze und Shaqiri anspielen, doch deren Bewegungen und Laufwege waren unpassend, wurden gut auf die Flügel oder in enge Räume geleitet und dadurch hatte Bayern eigentlich kaum eine nennenswerte Torraumszene.
Dies zeigt auch, dass das „Tiki Taka“, das Kurzpassspiel mit geduldigem Raumgewinn, nicht das strategische Problem ist; die langen Bälle funktionierten ebenso wenig wie ein paar versuchte Schnellangriffe. Dortmund war zu stark, die Bayern zu unharmonisch, gruppentaktisch unpassend und ohne ihre besten Spieler. Letzter Punkt wurde vielfach auch als Grund für die schwache Leistung genannt. Aber wird sich das bis zur Saison noch so verbessern, dass es signifikanten positiven Einfluss auf die Taktik haben wird? Oder muss sich erst taktisch was verändern?
Welche Anpassungs- und Verbesserungsmöglichkeiten hat Guardiola?
Man muss hier auch sagen, dass dieses 3-4-2-1 mit diesen Abläufen und in dieser Rollenverteilung sowie Personalbesetzung nicht immer in der Vorbereitung genutzt wurde. Teilweise spielte Alaba auch als vertikaler Sechser, stellte dadurch häufig eine Viererkette her, die Flügel waren doppelt besetzt und es gab eine Art 3-1-4-2/3-4-2-1 mit Ansätzen eines 4-1-4-1, besonders gegen den Ball. Diese Formation könnte beispielsweise eine andere und positivere Dynamik erzeugen.
Guardiola probierte es gegen den BVB auch mit einfachen Anpassungen; aus dem 3-4-2-1 wurde später eine Art 3-5-1-1/3-1-4-2 durch die Lahm-Einwechslung, wobei das Mittelfeld mit einem tief zurückfallenden Shaqiri flexibler ausgelegt wurde. Allerdings darf man nicht vergessen, dass neue Systeme ein Prozess sind; durch die WM, die vielen Nationalspieler und Verletzungsprobleme konnten die Strukturen und Bewegungsmuster noch nicht eingeübt werden, desweiteren fehlten zahlreiche wichtige Akteure der letzten Jahre. Kehren diese zurück und schafft Guardiola im Training das Bewegungsspiel zu verbessern, steht dem 3-4-2-1 – welcher Art auch immer – eigentlich nichts im Wege.
Rene Maric, abseits.at
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