Das österreichische Nationalteam startete am Montag mit einem 1:1 gegen Schweden in die Qualifikation für die EM 2016. Dass es am Ende nicht drei... Szenenanalyse: Österreichs Probleme im Angriffsdrittel gegen Schweden

Marcel KollerDas österreichische Nationalteam startete am Montag mit einem 1:1 gegen Schweden in die Qualifikation für die EM 2016. Dass es am Ende nicht drei Punkte wurden, lag vor allem an einem Problem, mit dem das ÖFB-Team seit längerer Zeit kämpft: das Kreieren von Torchancen, wenn man selbst das Spiel machen muss.

Im ausverkauften Ernst Happel Stadion war Österreich die optisch dominierende Mannschaft, hatte mehr Ballbesitz (56%:44%), mehr Abschlüsse (13:7) und mehr Eckbälle (11:1). Dennoch war das Ergebnis leistungsgerecht, weil die Schweden – anders als in den letzten beiden Spielen – bewusst passiver agierten und damit den Gastgebern das Spiel aufzwangen. Nachdem in einem anderen Artikel bereits die generellen taktischen Aspekte dieses Länderspiels analysiert wurden, werden hier anhand von Beispielszenen die Probleme im Angriffsdrittel dargelegt.

Schwedens tiefes 4-5-1-Pressing

Österreich, so Schwedens Teamchef Erik Hamren, habe zwar „mehr Ballbesitz gehabt, aber das war auch Taktik von uns. Wir wollten auf der sicheren Seite sein, also haben wir auswärts aus einer gesicherten Abwehr gespielt.“ Dies äußerte sich so, dass das Dreikronenteam seine 4-3-3-Grundformation im Defensivspiel durch Zurückziehen der Flügel zu einem 4-5-1 bzw. 4-1-4-1 formte. Mit Kim Källström hatte man dabei einen unkonventionellen Sechser, der weniger über die klassischen Abräumer-Fähigkeiten verfügt, sondern mehr ein Stratege ist und das Pressing seines Teams koordinierte.

Die Rollenverteilung auf der beiden Achter sah so aus, dass Albin Ekdal links eine durchaus freie Rolle hatte und je nach Aktion im Raum oder gegen den Mann verteidigte, während Sebastian Larsson rechts mannorientiert gegen den linken ÖFB-Sechser spielte. Das zentrale Mittelfeldtrio machte seine Aufgabe sehr gut und so musste das ÖFB-Team meist über die Flügel spielen, wo es einige Probleme gab.

Altbekannte Abhängigkeit von Alaba

Spricht man vom Offensivspiel der Österreicher, führt kein Weg daran vorbei, David Alaba zu erwähnen, denn der Bayern-Legionär ist das Um und Auf des Ballbesitzspiels. Auch gegen Schweden war dabei wieder der wichtigste Mann. In der Anfangsphase der Koller-Ära kippte Alaba im Aufbauspiel oft ab, was der Gegner mit einer einfachen Manndeckung relativ leicht in den Griff bekam. Später – unter anderem beim 2:1-Heimsieg gegen Schweden im letzten Jahr – stand er höher, was allerdings ebenfalls in vielen langen Bällen mündete, da die Abstände zu groß waren.

Am Montag sah man dieses ideenlos wirkende Spiel kaum, was auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist. Einerseits positionierte sich Schweden, wie erwähnt, über weite Strecken sehr tief. So konnten die Innenverteidiger das Spiel weiter vorne aufbauen. Mit Martin Hinteregger, der einige Male sehr präzise in den Zwischenlinienraum spielte, hatte man zudem einen deutlich passstärkeren Akteur als es Emanuel Pogatetz 2013 war. Darüber hinaus variierten Alaba und Julian Baumgartlinger – der übrigens auch Mainz 05 nun der höhere der beiden Sechser ist – ihr Spiel, kippten abwechselnd ab.

Besonders in der Anfangsphase funktionierte das bei den Österreichern sehr gut. So konnte vor allem Alaba mit vertikalen Dribblings durch den Halbraum für schnelle Raumgewinne sorgen. Auch bei der Entstehung des Elfmeters zum 1:0 war dies zu sehen. Allerdings stellten sich die Schweden auf dieses Spiel ein und verschoben in der Folge im ganzen Verbund stärker zu Österreichs Nummer, die von seinen Mitspielern auch in großer Bedrängnis gesucht wurde.

Hinteregger spielt hier einen an und für sich sehr guten Pass zwischen die Linien auf Alaba, der als Nadelspieler fungieren soll. Allerdings fehlen diesem, obwohl er den Ball zunächst gut behaupten kann, die Anspielmöglichkeiten. Besonders Marko Arnautovic und Christian Fuchs auf der linken Außenbahn positionieren sich viel zu weit weg um als solche dienen zu können. Auch Zlatko Junuzovic und Marc Janko positionieren sich schlecht, nämlich in den Deckungsschatten ihrer Gegenspieler. So mündet ein vielversprechend eröffneter Angriff nur in einem Einwurf.

Dieses Video zeigt ein extremes Beispiel, bei dem der Fokus der Schweden auf Alaba sichtbar wird. Der rechte Flügelspieler Schwedens dreht sich bewusst nach außen und Källström orientiert sich ebenso wie der rechte Außenverteidiger stark zu Alaba. Arnautovic rochierte ins Zentrum, steht dort aber völlig isoliert. Durch das passive Zurückfallen der Schweden gewinnt das ÖFB-Team zwar viel Raum, aufgrund der fehlenden Freilaufbewegungen versandet aber auch dieser Angriff sehr schnell.

Schlechtes Timing beim Spiel in die Tiefe

Die obige Beispielszene zeigt auch einen weiteren Schlüsselaspekt, aufgrund dessen das ÖFB-Team die Schweden aus eigenen Spiel heraus kaum vor große Aufgaben stellten. Die Gastgeber spielten nämlich in vielen Phasen zu stur in die Tiefe. Auslöser dafür waren entweder eine schlechte Entscheidungsfindung des Ballführenden, der bessere Optionen übersah, oder das simple Fehlen solcher. In der obigen Szene holt sich Junuzovic zunächst gut den Ball von hinten, allerdings lässt er sich dann sehr einfach von den Schweden – und wohl auch von der Bewegung Alabas – nach links lenken.

Dort gibt es aber keine Chance für einen Durchbruch. Die Schweden sind in Überzahl, das Spiel verliert an Tempo und aufgrund der mangelnden Unterstützung für den aktiven Flügel wird ein wenig erfolgsversprechender hoher Ball gespielt. Ein zusätzlicher Spieler als Unterstützung im Halbraum – naheliegend wäre Arnautovic – hätte dies unter Umständen verhindert. So hätte entweder Larsson nach hinten rücken müssen, wodurch er nicht auf Junuzovic hätte gehen können, oder Ekdal, was Platz für einen Vorstoß von Baumgartlinger oder Florian Klein gegeben hätte.

Das nächste Beispiel, das wir uns ansehen, zeigt ebenfalls die erwähnten Probleme beim Spiel in die Tiefe. Dieses wird zwar landläufig oft gefordert, allerdings wird dabei übersehen, dass es in vielen Situationen aber förderlicher ist auch mal eine verlagernde Zwischenstation einzubauen. Das Nationalteam stellt in dieser Hinsicht gewissermaßen das Gegenstück zu Rapid Wien dar, wo der Ball zu lange in ungefährlichen Zonen hin- und herläuft. In beiden Fällen fehlt die genannte Verlagerungsstation, die sich üblicherweise zwischen den Linien positioniert.

Hier sieht man, dass Junuzovic und Klein von den Schweden insofern leicht aus dem Spiel genommen werden können, weil sie sich durch ihre vertikalen Läufe ins Abseits bewegen. Des Weiteren erkennt man den freien Raum vor dem Strafraum, den Arnautovic hätte besetzen können. Dadurch hätte er entweder weiterverlagern, die bis dahin aus dem Abseits kommenden Mitspieler einsetzen oder selbst torgefährlich werden können.

Als Anspielstationen in diesen Zonen fungieren häufig auch Stürmer. In diesem Fall hält sich Janko aber auf der ballfernen Seite auf und spekuliert auf eine Flanke, was insofern wenig sinnvoll ist, weil ein direkter Durchbruch auf der Seite aufgrund der beschriebenen Fehler von Klein und Junuzovic nicht möglich ist. So ergibt sich auch hier ein ähnliches Bild wie im Beispiel davor: das ÖFB-Team steht zerrissen da und kann aufgrund mangelnder bzw. schlechter Bewegungen von den Schweden am Flügel leicht isoliert werden.

Es gab allerdings auch Szenen, in denen die ÖFB-Kicker es verabsäumten, in die Tiefe zu spielen, stattdessen das Tempo herausnahmen und dem Gegner die Möglichkeit gaben, sich zu ordnen. In der oben zu sehenden Aktion trat dies gleich zweimal auf.

Nachdem sich Klein auf der rechten Seite im Eins-gegen-Eins gut durchsetzte, ergibt sich für ihn diese Situation. Harnik startet in die Tiefe, zieht dadurch den schwedischen Linksverteidiger nach hinten und öffnet den Raum. Klein hätte nun weiter nach vorne laufen und die Schweden noch stärker in die Rückwärtsbewegung zwingen können. Ein Herausrücken des linken Innenverteidigers würde aufgrund der möglichen eins-gegen-eins-Situation wohl nicht mit voller Konsequenz vonstattengehen.

Auch der zentrale Sechser kann aufgrund des freien Raumes in seinem Rücken nicht vollständig zur Seite schieben. Würde er dies tun, wäre der Weg für Alaba und Arnautovic zur Viererkette völlig frei. Klein könnte dennoch bereits in dieser Situation direkt auf die linke Seite verlagern, entscheidet sich aber dafür, Tempo aus dem Spiel zu nehmen und passt zu Junuzovic. Das Spiel wird also verlangsamt, Schweden kann sich ordnen.

Junuzovic wird von Källström, der nun nach vorne rücken kann, angelaufen und muss einen Pass spielen. Er entscheidet sich dafür, direkt auf Arnautovic zu spielen. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, als würde damit das Spiel beschleunigt werden, so tritt unterm Strich der gegenteilige Effekt ein. Der Ball wird hoch gespielt, weshalb der Ball länger braucht bis er beim Mitspieler ist, als wenn dies flach passiert wäre. Auch die Ballannahme würde bei einem flachen Zuspiel nicht so lange dauern. So kommt nun auch Schwedens rechter Flügelspieler hinter den Ball.

Die zweite Option, die Junuzovic in dieser Aktion hätte, wäre ein kurzes Zuspiel auf Alaba. Dieser könnte dann nach vorne dribbeln und rechten Außen- und Innenverteidiger aus ihren Positionen locken. Es würde sich, vorausgesetzt der Stürmer bliebe in einer ähnlichen Position, eine drei-gegen-zwei-Überzahlsituation zugunsten der Österreicher ergeben. Alaba kommt jedoch erst später an den Ball und zeigt dabei sogar noch eine ungewohnte Unsicherheit bei der Ballmitnahme, sodass die Schweden letztlich erneut klären können.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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