Der Wachkomapatient aus Döbling – die Vienna schlittert einmal mehr in eine Krise!
Sonstiges 9.August.2011 Daniel Mandl 0
Der starke Saisonstart der Vienna ist längst in Vergessenheit geraten – in der letzten Woche verloren die Blau-Gelben von der Hohen Warte zweimal mit 0:4. Zuerst bei den aufstrebenden Grödigern, dann im Cup gegen die Austria Amateure. Körpersprache, Einsatz und Kommunikation auf dem Platz sind derzeit alarmierend – irgendetwas stimmt nicht beim First Vienna Football Club.
Ein beachtenswertes 1:1 beim SC Rheindorf Altach, danach mit einem 4:2-Heimsieg gegen den FC Lustenau, bei dem die Vienna eine halbe Stunde in Unterzahl spielte und trotzdem ein viertes Mal traf, eine sehr positive Ansage. Die Vienna stand nach einem darauffolgenden 1:0-Sieg über Hartberg nach drei Runden auf dem zweiten Tabellenplatz und alles sprach für einen guten Herbst. Kaum zu glauben, aber nur drei Wochen nach dem letzten Sieg gab Präsident Dvoracek eine Stellungnahme auf der offiziellen Homepage ab. Was als laut schrillende Alarmglocke zu werten ist, zumal die zuletzt erlittenen vier Niederlagen in Serie offenbar nicht einfach Niederlagen waren. So nervös, dass der Präsident nach vier „Nullern“ eine Stellungnahme abgeben müsste, wird man wohl nicht mal bei Rapid oder der Austria. Hinter Dvoraceks Meldungen steckt ein Hintergrund, einige Fans vermuten etwa ein Machtspielchen, in das (natürlich) Trainer Alfred Tatar, die Transferpolitik des Vorstands, aber auch so mancher Spieler verwickelt sein könnte.
STELLUNGNAHME DES VORSTANDS
Besonders ungewöhnlich liest sich in Dvoraceks Stellungnahme der Teil: „Ich verlange von Spielern ein klares Commitment zum Verein: eine klare, offene Einschätzung der eigenen Fitness.“ Einerseits deckt Dvoracek mit weiteren Aussagen in seiner Stellungnahme das Trainerteam, versicherte, dass er mit Alfred Tatar über die aktuelle Misere sprach und von diesem die Zusicherung bekam, dass das Team alles für einen Sieg gegen den SKN St.Pölten tun würde. Andererseits spricht er die Fitness der Spieler an, was zwar im direkten Sinn eher die Spieler selbst, aber auch das für die Fitness der Spieler verantwortliche Trainerteam kritisiert. Doppeldeutige Stellungnahmen sind gerade in dieser Phase suboptimal – wenn keine klaren Statements ausgegeben werden, kann auch der Präsident keine ehrlichen Commitments der Spieler fordern, zudem kann sich immer der eine (Spieler) auf den anderen (Trainer) ausreden. Und gerade das dürfte bei der Vienna momentan das Problem sein – alle sind schuld, nur man selbst nicht.
VERLETZUNGSPECH UND KEINE ECHTEN VERSTÄRKUNGEN
Ein gutes Beispiel dafür ist Routinier Ernst Dospel. Der 34jährige, der fast 350 Bundesligaspiele auf dem Buckel hat, ist Kapitän des Teams und forderte unmittelbar nach der geschafften Relegation gegen Parndorf öffentlich Verstärkungen. Die Vienna reagierte und holte mit Matthias Hattenberger einen Routinier, lieh mit Kerschbaumer, Jelenko und Tiffner drei Talente von den großen Wiener Klubs aus. Qualitätsaufbesserungen, die nicht zur Gänze fruchteten: Hattenberger ist bei weitem nicht in der körperlichen Verfassung, die er einst in der Bundesliga zeigte, Tiffner kein adäquater Ersatz für Vorjahres-Goalgetter Hosiner. Dazu kommen plötzlich zahlreiche Verletzungen: Jelenko verletzte sich bereits vor vier Wochen, kurz später mit Rade Djokic ein Schlüsselspieler und zu allem Überfluss erwischte es auch noch den serbischen Routinier Marjan Markovic und Wolfgang Mair. Vom Bänderriss bei Abwehrspieler Raphael Rathfuss und der mangelnden Fitness des Slowenen Erdzan Beciri mal ganz zu schweigen. Einige Fans munkeln bereits, dass auch Tatars Training an derartigen Verletzungen schuld sein könnte – schließlich könnte diese fast schon unheimliche Verletzungsserie kein Zufall sein…
ZICKIGER KAPITÄN
Doch zurück zu Dospel. Gerade er als Teamältester sollte die Mannschaft jetzt beim Schopf packen, aber man hat den Eindruck, dass er nichts dazu beiträgt, um das Team aus der Verunsicherung zu führen, sondern sich in seiner Meinung, dass es an der Qualität des Kaders mangle, bestätigt fühlt. Der altgediente Bundesligaspieler macht momentan einen unverkennbaren „Scheiss-Drauf-Eindruck“, nachdem der kleine Kader und die halbherzigen Verstärkungs- bzw. Füllversuche des Vereins im Sommer, jetzt ihre negative Wirkung zeigen. Der Verein kontert mit Durchhalteparolen, nicht aber mit Verstärkungen, die jedoch nach wie vor dringend nötig wären. So wird man wiederum seine Schlüssel- und Führungsspieler aber nicht bei Laune halten können. Die logische Folge ist die Entladung des aufgestauten Frusts, wobei das Trainerteam oder Mannschaftskollegen ideale Zielobjekte darstellen. Daher wohl auch Dvoraceks Forderung in der Stellungnahme, nach einem „respektvollen Umgang mit Mitspielern, Trainern, Angestellten und nicht zuletzt den Fans“.
IN WENIGEN WOCHEN VON „HERO TO ZERO“
Beim Cupspiel gegen die Austria Amateure demonstrierte die Vienna ihre aktuelle Ohnmacht. Ein Fan im Austrian Soccer Board bezeichnete die Mannschaft gar als „Wachkomapatient“. Nach der 0:4-Niederlage gegen Austrias zweites Gewand sind Einzelanalysen sinnlos – die gesamte Mannschaft versagte auf der ganzen Linie, zeigte keinerlei Selbstvertrauen, wehrte sich kaum gegen die Niederlage, fand selbst so gut wie keine Chancen vor um das Ruder herumzureißen. Und gegen eine B-Garnitur eines Bundesligaklubs, die ebenfalls einen Umbruch hinter sich hat, sollte man zumindest ein gewisses Maß an Einsatz erwarten. Das Perverse an der Situation der Vienna ist derzeit, dass man sich nach den ersten Runde große Steigerungen im Vergleich zur Vorsaison erwarten durfte – das Team trat tatsächlich als Team auf und präsentierte sich als solches gut. Binnen weniger Wochen ist nun aber das genaue Gegenteil der Fall und in Fankreisen fragt man sich schon ziemlich laut, wie eine solch miserabel funktionierende Truppe jemals die Klasse halten soll. Das Zauberwort in dieser Frage ist zweifelsfrei „Hartberg“, das bekanntlich nach sechs Runden noch punktelos dasteht. Aber der Anspruch der Vienna sollte nach einem mühsam erarbeiteten Klassenerhalt in der Vorsaison ein anderer sein – nämlich zumindest eine Steigerung und die Formung einer kompakten, schlagkräftigen Truppe, die mit Herz und Eigeninitiative Fußball spielt. All das war in den letzten Wochen nicht mal ansatzweise zu sehen und gipfelte in einer peinlichen Cup-Pleite gegen die Austria Amateure.
ST.PÖLTEN-PARTIE ALS SCHLÜSSELSPIEL
Als nächster Gegner kommt der SKN St.Pölten auf die Hohe Warte. Es wird ein Spiel der Angeschlagenen, denn auch die Niederösterreicher mussten zuletzt gegen Götzendorf eine empfindliche Cup-Niederlage einstecken. In der Tabelle liegen die beiden Teams vorerst gleichauf, halten beide bei sieben Punkten. Dennoch wirkte die Elf von Martin Scherb in den letzten Wochen homogener und wird – nach den letzten Schlappen der Vienna – in Wien-Döbling als Favorit aufs Feld gehen…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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