In dieser Serie soll es um eine beispielhafte Gegneranalyse gehen. Wie sehen Vorbereitungen im professionellen Bereich aus? Welche Aspekte werden geschildert? Diese Fragen sollen... abseits.at scoutet Sturm Graz (6): So spielt man erfolgreich gegen die Blackies!

SK Sturm Graz - Wappen mit FarbenIn dieser Serie soll es um eine beispielhafte Gegneranalyse gehen. Wie sehen Vorbereitungen im professionellen Bereich aus? Welche Aspekte werden geschildert? Diese Fragen sollen beantwortet werden. Neben den vielen statistischen- und Videoanalysen gibt es nämlich auch zuhauf reine Textanalysen im Profibereich, mit denen dem Trainer der gegnerischen Mannschaft durch einen Überblick über die grundsätzliche Struktur des Gegners in den vier Spielphasen und bei Standards ein präziser Überblick gegeben werden soll. Meistens wird dies mit einzelnen Erklärungen, gelegentlichen Bewertungen und Ratschlägen garniert, welche das Trainerteam vom Scout erhält und dann bespricht, sowie ins Training implementiert.

Diese Textanalyse nimmt als Beispiel den SK Sturm Graz. Im sechsten Teil sollen kurz generelle Möglichkeiten dargestellt werden, wie man den Grazern taktisch beikommen kann.

Strategische Lösungsmöglichkeiten

Grundsätzlich ist natürlich die Frage, ob man die Grazer hoch oder tief pressen möchte. Eine tiefe Ausrichtung mit einer passiven Spielweise und horizontaler Kompaktheit bietet sich an, um Stankovics Bewegungen zu neutralisieren und den Grazern die Möglichkeit für ihre schnellen Kombinationen in offene Räume am Strafraum zu nehmen.

Ein Mittelfeldpressing bietet sich hingegen nicht besonders an, weil hier die Fähigkeiten Stankovics und die Läufe der Flügelstürmer sowie der Außenverteidiger gut zum Vorschein kommen. Ein sehr hohes Pressing hingegen würde bei der richtigen Aggressivität und den richtigen taktischen Mechanismen womöglich für gute Erfolge sorgen, weil die Grazer sich im Aufbauspiel nicht ideal bewegen, die Innenverteidiger relativ anfällig sind im Pressing und früh zu langen Bällen greifen.

Im Offensivspiel sollte versucht werden die gegnerischen Mittelfeldspieler nach vorne zu ziehen, dann in die Räume vor der Abwehr zu kommen und über schnelle Kombinationen durchzubrechen. Mit einer richtigen Staffelung kann auch sehr gut abgesichert und gegengepresst werden. Auch Angriffe über die jeweiligen Halbräume mit schnellen Kombinationen über die Seite oder Verlagerungen auf die ballferne Seite dürften enorm effektiv sein.

Mannschaftstaktische Lösungsmöglichkeiten in der Defensive

Bei einer tiefen Ausrichtung würde sich ein 4-3-3 mit engen Flügelstürmern und enger zentraler Mittelfeldreihe empfehlen. Das würde für eine sehr starke Besetzung der zentralen Räume führen und die Grazer zuvor auf die Flügel leiten. Mit intelligentem ballorientiertem Verschieben kann man die Flügelspieler isolieren und dort den Ball erobern; oder zumindest gefährliche diagonale Kombinationen verhindern. Ein 4-5-1 mit flacher Fünf und extremer Überzahl wie Kompaktheit im Mittelfeld oder gar ein 3-1-4-2 oder 3-6-1 könnten von Mannschaften mit hoher Spielintelligenz genutzt werden.

Bei einem höheren Pressing wäre eine andere Staffelung empfehlenswert. Hier wäre eine Spielweise im 4-3-1-2 wäre interessant, in der die beiden Mittelstürmer sich zwischen Außen- und Innenverteidigern der Grazer positionieren. Dadurch öffnet man ihnen die Innenverteidiger im Aufbau, kann diese aber flexibel mit den beiden auf die Seite geschobenen Mittelstürmern pressen. Der zentraloffensive Mittelfeldspieler hingegen stellt den Sechserraum zu und kann ebenfalls situativ die beiden Stürmer unterstützen. Die drei zentralen Mittelfeldspieler können dann vor der Abwehr absichern, situativ nach vorne schieben und die Halbspieler können gemeinsam mit den seitlich verschobenen Mittelstürmern Todorovski und Klem pressen. Damit hat man enorme Präsenz im Pressing, die drei offensiven Spieler stellen sowohl die Außenverteidiger als auch die Sechser zu und können großen Druck ausüben.

Mannschaftstaktische Lösungsmöglichkeiten in der Offensive

Geht man von einem 4-3-3 und einem tiefen Pressing aus, dann dürfte man sich naturgemäß eher auf eine Konterspielweise in der Offensive konzentrieren. Hier wären nach Balleroberungen sofort Pässe entlang der Linie auf die Flügelstürmer möglich. Der Mittelstürmer könnte dem Spiel Tiefe geben, Räume öffnen und mit ausweichenden Bewegungen überladen. Je nach Spielermaterial in der eigenen Mannschaft kann der zweite Flügelstürmer ballfern entweder bewusst breiter und tiefer agieren, um schnelle Vertikalläufe der zentralen Mittelfeldspieler zu ermöglichen oder sich mehr in die Mitte bewegen, um diese zu besetzen. Dann würden die zentralen Mittelfeldspieler absichern und beide Außenverteidiger könnten nach vorne rücken, damit sie die drei Stürmer vorne unterstützen.

Im 4-3-1-2 sind nach höheren Balleroberungen sofort enorm gute Positionen gegeben; der Zehner kann sofort nach vorne attackieren, die Mittelstürmer bieten sich auf den Seiten an und ballfern wird zentral eingerückt. Die drei zentralen Mittelfeldspieler sichern ab und bieten auch die Möglichkeit für einfache Pässe ins Zentrum sowie direkte Pässe in die Spitze.

Besonders stark wäre das 4-3-1-2 aber im Aufbauspiel. Die Mittelstürmer besetzen zu zweit die Viererkette, weil sie sowohl Innen- als auch Außenverteidiger des Gegners besetzen. Damit hat man quasi bereits zwei Spieler mehr in der Mitte, wo man die Grazer in ihrem 4-4-2 gegen den Ball einfach überladen kann. Da die Grazer im 4-4-2/4-4-1-1 pressen, können sich die Halbspieler in die defensiven Halbräume zurückfallen. Der Sechser kann auch abkippen; somit sind gleich zwei interessante Mechanismen gegen die Grazer gegeben.

Einer der Sechser in der Mitte kippt ab und man stellt auf ein 3-4-3 um, wo man über den freien Zehner eine Anspielstation und in den Zwischenlinienraum kommen kann. Hier sind die Grazer überaus schwach im Verschieben. Interessant wäre ein Einrücken der Flügelverteidiger, das Aufrücken der beiden zentralen Spieler und das Anbieten der seitlichen Mittelstürmer entlang der Linie zum einfachen Raumgewinn. Damit könnte man extreme Präsenz vor der Grazer Viererkette erzeugen und mit einfachen Ablagen bespielen.

Eine alternative Spielweise im Aufbau wäre es, die zwei Halbspieler zurückfallen zu lassen. Sie stehen dann neben den beiden Stürmern des Grazer 4-4-2/4-4-1-1 und bieten sich in den Halbräumen an. Man kann dadurch sehr gut abgesichert über diese Räume nach vorne spielen oder asymmetrisch agieren. Der ballnahe Halbspieler lässt sich zur Seite fallen, der Außenverteidiger kann weit nach vorne schieben, der Zehner schiebt mit einem Mittelstürmer auf den Flügel und überlädt dort, während der zweite Achter in den Zwischenlinienraum aufrückt.

Neben dieser grundlegenden Ausrichtung gibt es noch einzelne Abläufe, die auf bestimmte Art und Weise praktiziert werden sollten, um effektiv zu sein.

Gruppentaktische Lösungsmöglichkeiten

Auf der linken Seite sollte man Klem sollte zu Pässen zwingen, ohne ihm die Möglichkeit für dynamische Kombinationen zum Tor hin zu bieten. Das funktioniert am besten, wenn die Halbspieler sehr schnell auf ihn verschieben, aber dann kurz davor abblocken und passiv bleiben. Sobald er sich entscheidet, dass er vertikal aufrückt, wird das Pressing fortgesetzt und jetzt geht man direkt in die Balleroberung.

Gegen Djuricin sollten enorm schnelle Läufe praktiziert werden, wenn der Ball auf ihn kommt; zuerst lässt man Abstand, dann stellt man ihn im Sprint und zwingt ihn nach hinten.

Bei langen Bällen Sturms sollte extreme Kompaktheit durch das schnelle Zurückfallen der Offensivspieler – beim 4-3-3 alle drei, beim 4-3-1-2 vorrangig der Zehner – hergestellt werden, um gut bei den zweiten Bällen zu sein.

Ansonsten ist auch eine positionsorientierte Raumdeckung zu empfehlen, damit keine Räume geöffnet werden. Dadurch ist man horizontal kompakter und kann die schnellen Sprints der einrückenden ballfernen Flügelstürmer abdecken.

Rene Maric

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