Seit der Entlassung von Jens Keller hat Roberto Di Matteo den Trainerjob beim FC Schalke 04 inne. Während Keller fast schon dogmatisch am 4-4-2/4-2-3-1... Die Stärken und Schwächen im 5-3-2-System des FC Schalke 04

_Roberto di Matteo - FC Schalke 04Seit der Entlassung von Jens Keller hat Roberto Di Matteo den Trainerjob beim FC Schalke 04 inne. Während Keller fast schon dogmatisch am 4-4-2/4-2-3-1 hing, so spielt Roberto Di Matteo aktuell in nahezu jeder Partie in einem 5-3-2. Zwar gibt es immer wieder einzelne taktische Anpassungen, doch diese beziehen sich eher auf kleinere Punkte in der Defensive, beispielsweise wie stark herausgerückt wird, oder ob wie gegen Dortmund eher eine 5-2-3/5-2-2-1-Variante genutzt wird. Allerdings gab es in den letzten Wochen durchaus einige Kritik an Di Matteo und der Spielweise. Doch trotz der teilweise sehr passiven und unspektakulären Ausrichtung hat das System Di Matteos durchaus seine Stärken.

Enorme Zentrumspräsenz sorgt für wenige gegnerische Torchancen

Auffallend am 5-3-2 ist natürlich, wie kompakt die Schalker in der Mitte stehen. Mit den drei Innenverteidigern, einem Sechser, zwei Achtern und zwei Mittelstürmern besetzen sie in drei Linien die Mitte und Halbräume mit acht Spielern. Die gesamten Flügelräume in diesen drei Linien werden nur von zwei Spielern gesichert; je einem Flügelverteidiger pro Seite. Der Gegner hat dadurch kaum Raum in der Mitte, kommt nur selten zu halbwegs aussichtsreichen Torchancen in diesen strategisch ungemein wichtigen Zonen und kann immer wieder aus der Formation gedrängt oder zumindest beim Abschluss unter Druck gesetzt werden.

Die Flügelverteidiger werden in den Flügelzonen flexibel unterstützt

Theoretisch sind aber durch diese Spielweise die seitlichen Räume geöffnet und können von den Gegnern genutzt werden. Hierbei nutzen die Schalker aber ihre enorme Zentrumspräsenz, um eine Art formative Falle auf den Seiten aufzubauen. Durch die vielen Spieler in der Mitte wird der Gegner in die vermeintlich offenen Flügelräume gelockt. Ist der Ball noch tief – also beispielsweise noch in der gegnerischen Spielhälfte –, dann attackieren die Schalker nicht. Sie lassen den Gegner in Ruhe aufbauen, weil weit weg vom eigenen Tor keine akute Gefahr vorherrscht.

Sobald der Gegner jedoch in den offenen Flügelzonen aufrückt, starten die Schalker mit dem Attackieren. Sie verschieben ballorientiert, die Flügelverteidiger rücken situativ nach vorne und setzen die gegnerischen Flügelstürmer unter Druck. Im Mittelfeldband übernehmen die Achter diese Aufgabe im Normalfall. Sie rücken mannorientiert auf die gegnerischen Außenverteidiger heraus und pressen diese, während die Mittelstürmer die Sechser zustellen.

Schwachstelle schwer zu bespielen

Dieses Verschieben der Stürmer sorgt auch dafür, dass die Gegner die einzigen weit offenen Räume – nämlich in den ballfernen Flügelzonen – nicht ordentlich bespielen können. Direkte Seitenwechsel sind schwierig, da der Ball sehr weit gespielt werden muss und der Ballführende vom Achter und/oder Flügelverteidiger der Schalker gepresst wird. Viele Mannschaften verlagern das Spiel auch über zwei oder drei schnelle horizontale Flachpässe, was gegen Schalke jedoch schwierig ist.

Eben weil die Stürmer die Sechser des Gegners zustellen, kann nicht schnell auf die andere Seite verlagert werden, sondern man muss zuerst nach hinten auf die Innenverteidiger spielen. Das wiederum dauert länger, weil meist ein zusätzlicher Pass erforderlich wird, sowie bei den Pässen selbst längere Pässe gespielt werden müssen. Schalke hat dadurch Zeit, um sich wieder im ursprünglichen 5-3-2 zu formieren und auf die andere Seite zu verschieben.

Doch selbst wenn der Gegner einen direkten langen Ball auf die andere Seite erfolgreich spielen kann, hält sich die Gefahr in Grenzen.

Enorme Breitenstaffelung und viel Absicherung in letzter Linie

Auch wenn der Flügelstürmer in den ballfernen Räumen den Ball erhält, kann auf ihn wieder früh Zugriff erzeugt und aggressiv attackiert werden. Da die Schalker im 5-3-2 fünf Abwehrspieler hinten haben, stehen sie enorm breit. Die Abstände sind gering und Schalke ist kompakt, doch die Distanz des ballfernen Flügelverteidigers zum gegnerischen Flügelstürmer ist trotzdem gering. Desweiteren verschieben die anderen Abwehrspieler zum Ball, während er herausrückt und den Flügelstürmer presst. Dadurch ist der Flügelverteidiger gut abgesichert und die Räume vor dem Tor sowohl für Pässe in den Zwischenlinienraum oder auch für direkte Flanken in die Strafraum Mitte sind immer gut besetzt.

Den Schalkern ist also schwierig beizukommen, weil sie mit diesen fünf Abwehrspielern enorm kompakt agieren und die mitunter wichtigsten Zonen (Strafraummitte und Raum vor dem Strafraum) fast immer mit Überzahl besetzen können. Interessant ist hierbei jedoch, wie Di Matteo die Defensivbewegungen seiner Mannschaft variiert.

Zwischen Fünferkette und pendelnder Viererkette

In einzelnen Spielen agierten die Schalker nämlich nicht immer durchgehend mit fünf Spielern in einer Linie und eher passivem, kleinräumigen Herausrücken, sondern spielten deutlich aggressiver und der ballnahe Flügelverteidiger löste sich weiträumig aus der Kette. Das heißt, dass bei gegnerischen Angriffen über rechts der dortige Schalker Flügelverteidiger oftmals bis auf Höhe des Mittelfelds aufrückte und den Achter unterstützte. Damit sollte nicht nur die Laufarbeit für den Achter verringert werden, sondern generell ein höheres und aggressiveres Pressing möglich sein. Wechselt der Gegner die Seite, so lässt sich der Flügelverteidiger zurückfallen, gliedert sich an die drei Innenverteidiger an und der andere Flügelverteidiger kann sich aus der Kette lösen, um höher zu pressen. Insofern ist diese Spielweise als „pendelnde Viererkette“ zu bezeichnen, weil immer eine Viererkette vorhanden ist, die jeweils seitlichsten Spieler aber variieren.

In vielen Partien hatten die Schalker aber eine klare Fünferkette. Das bedeutet, dass sich hier keiner aus der Kette löste und Schalke relativ passiv mit fünf Spielern in einer Linie hin und her verschob. Erst, wenn der Gegner in Nähe eines der Verteidiger den Ball hatte, rückte dieser heraus und presste. Ansonsten blieben sie in einer Reihe und verschoben gemeinsam. Je nach Gegner wird also zwischen der Fünferkette und der pendelnden Viererkette gewechselt.

Di Matteo arbeitet an der offensiven Präsenz

Das oftmals genannte Problem dieser grundsätzlich sehr interessanten Ausrichtung ist aber nicht die Defensive, sondern die Offensive. Hierbei muss gesagt werden, dass dies eigentlich kein Problem der Formation selbst. Im 5-3-2 kann man mit den Flügelverteidigern sehr offensiv agieren, die Achter können weit nach vorne schieben und mit zwei Mittelstürmern hat man auch Anspielstationen auf der letzter Linie. Prinzipiell ist es also nur eine Frage der Ausrichtung; und Di Matteo ließ im letzten Spiel gegen Hoffenheim deutlich offensiver und ballbesitzorientierter spielen, ohne formativ umzustellen. So darf es weitergehen, da dann auch die Kritiker langsam verstummen werden. Die Frage ist nur, wie effektiv die Schalker sein werden und ob sie mit den anderen Bayernjägern der deutschen Liga mithalten können.

René Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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