Anekdote zum Sonntag (26) – Der erste Tag vom Rest seines Lebens
Bundesliga 29.März.2015 Marie Samstag 0
Vor etwa dreizehn Jahren saß ein 21-jähriger Mittelfeldspieler in einem Salzburger Hotel und unterschrieb den ersten Profi-Vertrag seines Lebens. Der junge Mann hatte sich trotz Gegenstimmen für diesen Klub entschieden und damit Kopfschütteln bei seinem Trainer ausgelöst. An diesem Apriltag legte er sich fest und lernte – voller Vorfreude auf die neue Aufgabe – seine Mitspieler kennen. Der Abend brachte jedoch Ernüchterung und sein inneres Lächeln starb, als seine zukünftige Mannschaft das Meisterschaftsspiel, dem er beiwohnte, verlor. Mehr noch: Das Team zerfiel auf dem Feld und ergab sich wehrlos. Als sechs Wochen später der Trainingsstart näher rückte, waren auch der Sportdirektor und der Trainer, die den jungen Spieler nach Österreich gelotst hatten, Geschichte. Sein neuer Arbeitgeber lag auf dem schlechtesten Tabellenplatz seit seinem Bestehen, die Stimmung war tiefgekühlt. Worauf hatte er sich da nur eingelassen?
Der Spieler ging jedoch professionell zum Alltag über. Er beschäftigte sich mit seinem Umzug und sah sich nach der ersten eigenen Wohnung um. Am Roten Berg wurde er fündig. Er bezog inmitten sündteurer Villen eine Wohnung, die vor ihm ein holländischer Legionär gemietet hatte. Ein anderer Kicker, der den Verein verließ, ein Grieche, machte ihm die Rückennummer frei. Das war gut, denn damit hatte er als Jugendlicher im Verein und sogar im Nachwuchsnationalteam gespielt. Der junge Mann wusste damals noch nicht, dass er die geistige Nachfolge einer Vereinslegende, die nur einen Steinwurf von ihm entfernt lebte, antreten würde. Eigentlich war er damals überzeugt, nur gekommen zu sein, um irgendwann wieder zu gehen. Die ersten Tage verbrachte er im Hotel und wartet auf seinen ersten Arbeitstag in Österreich. Und weil er gründlich und vorsichtig ist, überlegte er Sonntagvormittag die Strecke vom Hotel bis zum Trainingsplatz doch vorzufahren. Sicher ist sicher.
Er navigierte also pflichtbewusst seinen Volkswagen von Sievering in den zweiten Bezirk. Weil er als Wien-Neuling mit den Fahrverboten im Straßendschungel nicht ganz vertraut war, bog er nichts-ahnend in die Prater Hauptallee ein. Prompt „lief“ er einem Polizisten in die Arme, der dort auf Fahrer wie ihn gewartet hatte. Der Uniformierte zeigte kein Pardon und bat zur Kasse: 21 Euro musste der Spieler berappen. Das Strafmandat war das erste von vielen Papierstücken, die ihm in Zukunft entgegengehalten werden sollten. Bis heute huldigen viele aber nur seinen fußballerischen Fähigkeiten und werden glücklich, wenn er seinen Namen auf ihre Zettel schreibt.
Trotz Strafzettel war die erste Ausfahrt von Erfolg gekrönt: Am 3. Juni 2002 erreichte der künftige Spielmacher nämlich pünktlich das Trainingsgelände und war bereit die nächste Hürde zu nehmen. Der Gang in die Kabine war damit nicht gemeint, schließlich hatte er mit einigen seiner Kameraden bereits im Frühling Bekanntschaft gemacht. Das neue Trainertrio kannte er jedoch nicht. Am Abend zuvor hatte er vergeblich versucht auf dem Computer seines besten Freundes aus Amateurzeiten, Bilder seiner Chefs zu finden. Owen, so der Name des Kumpels, hatte zwar einst den PC bereitgestellt, helfen konnte er aber auch nicht. Schüchtern klopfte der 21-jährige an die Kabinentür: „Grüß Gott, ich bin der Steffen Hofmann.“ Josef Hickersberger ging auf Hofmann zu, schüttelte ihm die Hand und hieß ihn willkommen. Er stellte ihm formvollendet seinen Co-Trainer Persidis und Tormanntrainer Herbert Feurer vor. Und hatte insgeheim keine Ahnung, wer der Neuling sein sollte. Der Amstettner hatte nur gehört, dass Hofmann bei Bayern großgeworden war und talentiert sein sollte. Niemals hätte er zu träumen gewagt, dass der Edeltechniker unter ihm Kapitän werden sollte, dass sie gemeinsam drei Jahre später den Teller in die Höhe stemmen und dank einer Hofmann-Flanke und eines Valachovič-Hinterkopfes in die Champions League hineinschnuppern würden. Die Erwartungen waren garantiert andere, als die beiden Richtung Platz gingen und Hicke zu seinem Schützling versöhnend sagte: „Wir werden das schon schaukeln.“ Sie schaukelten noch viel mehr. Und das Schicksal wollte es, dass Hofmann zu einem Jahrhundertspieler des SK Rapid Wien werden sollte. Das Anifer Hotel, wo er einst seinen ersten Vertrag bei den Grün-Weißen unterschrieben hatte, ist heute in Konkurs. Er selbst hat noch immer nicht genug: „Ich höre mit 37 bei Rapid auf.“ Ein Mann – ein Wort.
Marie Samstag, abseits.at
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