Immer wieder rücken Schiedsrichter ins Blickfeld der Medien. Besonders häufig geschieht dies nach spielentscheidenden Fehlern. Und ebenso regelmäßig wird über technische Neuerungen bzw. über... Kommentar | Braucht der Fußball eine Regelreform, Teil 1: Antwort – JA!

Immer wieder rücken Schiedsrichter ins Blickfeld der Medien. Besonders häufig geschieht dies nach spielentscheidenden Fehlern. Und ebenso regelmäßig wird über technische Neuerungen bzw. über Regeländerungen debattiert. Dennoch sperrt sich die FIFA bzw. das zuständige Regelkomitee, das International Football Association Board (IFAB) (vier Vertreter der FIFA sowie je einer aus England, Schottland, Wales und Nordirland), gegen Änderungen des Systems

Schiedsrichter entlasten!

Das oberste Ziel muss sein, die Schiedsrichter zu entlasten und ihnen ihre Aufgabe zu erleichtern. Im Folgenden werden mögliche Maßnahmen vorgestellt, die zumindest diskussionswürdig, in einigen Fällen jedoch längst überfällig sind:

1.) Zwei Hauptschiedsrichter

Eine Möglichkeit den Schiedsrichter zu entlasten, besteht darin ihm einen gleichberechtigten Partner an die Seite zu stellen. Im Eishockey  und im Handball bewährt sich das System mit zwei Hauptschiedsrichtern seit Jahren. Die Erfahrung zeigt, dass die zusätzlichen Assistenten, die derzeit im Europacup den Strafraum überwachen, keine wirkliche Hilfe darstellen. Letztlich wird der Schiedsrichter noch mehr von außen beeinflusst und frisst die Krot im Falle einer Fehlentscheidung doch wieder allein.

Auch die Schiedsrichterassistenten (Linienrichter) könnte man mit einem Schlag von vielen Sorgen befreien:

2.) Abschaffung des Abseits.

Klingt radikal, ist es auch! Aber die derzeitige Regelung ist ebenfalls unbefriedigend. Was ist passives Abseits, ab wann wird daraus ein aktives und was soll der ganze Blödsinn einer neuen Spielsituation?! In 95% der Fälle einer neuen Spielsituation profitiert der ehemals passiv abseits stehende Stürmer von diesem Startvorsprung (klassisch wenn die angreifende Mannschaft zu zweit vor dem Torhüter auftaucht, weil die Verteidigung das ehemals passive Abseits nicht mehr aufholen kann). Was übrig bleibt, ist die Zerlegung der Entscheidungen durch Standbilder (und selbst da ist man sich nicht immer 100% sicher) und der Zorn der Fans, der durch diesen Beweis auf das Schiedsrichtergespann gelenkt wird.

3.) Nettospielzeit

Ein weiteres Mosaiksteinchen, das die Spielleiter dieser Welt entlasten könnte, wäre eine externe Zeitnehmung. Wenn man sich gegen diese Änderung sträubt, so wäre zumindest eine Variante light an zu denken. Wieder dient der Handball als Vorbild. Bei verletzungsbedingten Pausen könnte man die Zeit anhalten. Damit unterbindet man zudem die Unart des Zeitschindens durch Vortäuschung von Verletzungen, einem Übel, das in letzter Zeit, nicht zuletzt in Österreich, wieder auf dem Vormarsch ist und gibt den Spielern gleichzeitig die Möglichkeit das Spiel, wenn keiner verletzt ist, schnell zu machen.

„Den Charakter des Spiels nicht zerstören“

„Emotionen und Fehlentscheidungen gehören nun mal zum Spiel dazu“. Häufig wird dieser Satz als Argument verwendet, wenn es darum geht den Stillstand zu rechtfertigen. Der erste Teil stimmt zweifelsohne, machen die Emotionen einen Großteil der Faszination Fußball aus. Aber warum zum Teufel beharrt man darauf, dass man das schwächste Glied der Kette, die Schiedsrichter, zum Abschuss frei gibt. Im Gegensatz zu den Kickern heben diese nämlich keine Unsummen ab, um Schmähungen des Publikums bei einem Blick auf den Kontostand zu vergessen.

4.) Videobeweis

Mit den heutigen Möglichkeiten, darf es bei grundlegenden Entscheidungen (Tor/ kein Tor) einfach keine Zweifel mehr geben. Im Eishockey ist der Videobeweis längst gang und gäbe und wird auch noch als Spannung steigerndes Element inszeniert.

Diese Änderung hat nichts damit zu tun, den Charakter des Spiels zu zerstören, sondern liegt im Interesse der Fairness und des sportlichen Wettkampfes.

5.) Challenges ermöglichen

Der wohl gewagteste  und damit wohl unrealistischste Vorschlag. Jedes Team hat pro Halbzeit eine Challenge zur Verfügung (entweder durch den Trainer oder den Kapitän einzubringen), wobei die betreffende Situation erneut mit dem Videobeweis zu betrachten wäre. Behält das beeinspruchende Team recht, behält es die Challenge (wie im Tennis), zweifelt es die Entscheidung zu Unrecht an verliert es beispielsweise die Challenge in der 2. Halbzeit oder (sollte man sich in der 2. Hälfte irren) einen Wechsel. Damit würde eine inflationäre Anwendung unterbunden.

All das ist natürlich reine Fiktion, wird es diese Möglichkeit nicht so bald geben. Es soll lediglich verdeutlicht werden, dass es eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, um den Sport zu reformieren, ohne ihn zu zerstören (auch im Tennis gab es große Skepsis gegenüber der Hawk-Eye Technologie).

Fazit

Der Fußball wird immer schneller, die entstehenden Situationen immer komplexer. Die menschliche Wahrnehmung kann mit dem technischen Fortschritt verständlicherweise nicht mithalten. Deswegen wäre es höchste Zeit den Schiedsrichtern als Unterstützung technische Hilfsmittel in die Hand zu geben.

Dadurch wird es auch weiterhin zu den scheinbar für den Sport essentiellen Fehlentscheidungen kommen, da unmöglich jeder Fehler sofort bereinigt werden kann (auch im Eishockey, wo es den Videobeweis gibt, passieren Fehler), aber die wichtigsten, die entscheidenden Situationen, die über sein oder nicht sein entscheiden, können in überwiegender Mehrheit richtig entschieden werden.

Man muss letztlich auch daran arbeiten, dass der Schiedsrichterjob attraktiv bleibt, denn wie hat es Bernhard Hanisch kürzlich formuliert:

„Alle können nach Hause gehen, wenn sich keiner findet der den Scheiß-Job mit der Pfeife übernimmt“

Patrick Redl, abseits.at

Patrick Redl

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