Österreich will eine Ausbildungsliga sein. Die Zahlen dazu sind allerdings ernüchternd bis besorgniserregend. Gerade einmal acht ÖFB-Vollprofis aus den obersten zwei Ligen wagten den... Wie geht es Ihnen, Herr…? – Die Auslandstransfers der Kicker aus unserer Alpenrepublik

Österreich will eine Ausbildungsliga sein. Die Zahlen dazu sind allerdings ernüchternd bis besorgniserregend. Gerade einmal acht ÖFB-Vollprofis aus den obersten zwei Ligen wagten den Sprung ins Ausland, einen echten Spitzenklub erwischten dabei aber auch nur zwei.

Tanju Kayhan, solider Außenverteidiger, und Veli Kavlak, Spielmacher, gingen nach Istanbul zum Traditionsverein Besiktas. Kavlak, bekanntermaßen einst ein sehr hoffnungsvolles Talent bei der U20-WM 2007, stagnierte in den letzten Jahren. Verletzungen und Pacults falsche Interpretation seiner Stärken ließen ihn nicht reifen, ein Schritt aus Österreich hinaus scheiterte bis dato, nun war es möglich und das ist gut so. In den ersten beiden Saisonspielen in der Europa-League-Qualifikation wurde er einmal aus-, einmal eingewechselt. Er scheint sich als Spieler 12 -15 anzubieten. Tanju Kayhan konnte noch keine Einsätze verbuchen, aber die Saison ist noch jung. Abräumer Yasin Pehlivan, der in Südostanatolien für Gaziantepspor spielt, bestritt auch schon zwei Spiele, das erste gegen Legia Warschau über knapp 60 Minuten, beim zweiten wurde er kurz vor Schluss ausgewechselt und ist wohl schon näher dran an der ersten Mannschaft. Der Spielstil des Wieners passt zudem sehr gut in die hitzige türkische Liga. Allgemein sollte zur Süper Lig noch angemerkt werden, dass Spieler mit türkischen Wurzeln dort nicht als Ausländer geführt werden. So können die Vereine mehr „Passausländer“ beschäftigen, da in der Startelf nur sechs Nicht-Türken, zusätzlich auf der Bank nur zwei, sein dürfen. Der Matchkader darf 18 Spieler umfassen.

Auswanderungsland zwei: Deutschland

Julian Baumgartlinger kämpft in Mainz um einen Stammplatz. In der Europa-League-Qualifikation und dem Cup durfte er zwei Mal über 90 Minuten ran, in der Liga kam er in zwei Spielen auf 35 Minuten. Auf seiner Position spielt mit Soto aber ein durchaus verdienter Spieler, Thomas Tuchel ist dennoch bekannt dafür, stark auf den Gegner einzugehen und Mainz ließ sich die Dienste des Ex-1860-München-Kickers über eine Million Euro kosten. Bei dem Transfer von München nach Wien wurden in Bayern Stimmen laut, man verscherble das Tafelsilber um einen Pfifferling. Ob dem tatsächlich so ist, wird sich noch weisen. „Jules“ gilt aber als Kämpfernatur und bewies schon im Nationalteam, dass er deutlich über dem Niveau der heimischen Liga spielen kann. Zweiter neuer Deutschland-Legionär ist Robert Almer, ebenfalls ein Ex-Veilchen. Beim neuen Arbeitgeber Fortuna Düsseldorf sitzt er derzeit auf der Bank, was er allerdings wohl auch in Wien getan hätte. Und von der Fortuna aus ist die Chance wohl höher, zumindest in der deutschen zweiten Liga Stammgoalie zu werden. Sein Können dafür hat er jedenfalls schon öfters unter Beweis gestellt. Mit Samuel Radlinger wechselte ein Tormanntalent von Ried zu Hannover 96. Auf den U20-WM Goalie hält 96 große Stücke – und dass Torhüter zum Teil auch schon in jungen Jahren in Deutschland großes Vertrauen genießen, beweisen neben Ron-Robert Zieler die Klassetormänner Manuel Neuer oder Rene Adler. Sieben Spiele in der zweiten deutschen Bundesliga machte bis jetzt Niklas Hoheneder für die Badener vom Karlsruher SC. Dem Defensivspieler kam dabei das Verletzungspech einiger Kollegen zugute.

Exotische Ziele

Den Wechsel des Sturm Graz-Kapitäns Mario Kienzl in die Challenge League, zweithöchste Leistungsstufe der Schweiz, konnten wohl nur die Wenigsten nachvollziehen. In einem Interview mit sturm12.at gab er aber schon vor dem Wechsel an, es würde sich am lieben Geld spießen. Warum die Gehälter beim einzigen Profiklub Liechtensteins höher sind als beim österreichischen Meister, sei dahingestellt. Wohin Kienzls Reise noch geht ist daher mehr als ungewiss, er wäre nicht der erste Ex-Blackie, der schnell wieder in die grüne Mark zurückkehren will. Den Status als Fußballspieler, der die weite Welt sehen kann, hat Thomas Piermayr voll ausgenützt. Der Rechtsfuß, der in der Defensive universell eingesetzt werden kann, machte ein Probetraining bei Inverness Caledonian Thistle FC in der schottischen Premier League und überzeugte. In allen sechs Saisonspielen, fünfmal in der Liga, einmal im Ligapokal, kam er über die vollen 90 Minuten zum Einsatz. Interessant ist, dass der 22-Jährige in der Liga schon bei vier gelben Karten hält. Sollte sich Piermayr in Schottland durchbeißen, hätte er im Ausland mehr erreicht, als so manches andere und sicherlich hoffnungsvollere Talent.

Ritterschlag vom ZDF

Im Zuge der Vorberichterstattung zum Länderspiel gegen Deutschland am Freitag adelte der ZDF die „Nachhaltigkeit“ in der österreichischen Bundesliga und vor allem im Akademiebereich. Aber Mario Kienle, Jugendleiter bei der großen ÖFB-Dependance VfB Stuttgart, sprach aber auch schonungslos an, dass „dem einen oder anderen noch die Siegermentalität“ fehle. Immerhin vertrauen die Schwaben nicht nur auf den „Beutedeutschen“ Martin Harnik, auch auf Raphael Holzhauser, Kevin Stöger und Alex Aschauer hält Labbadia große Stücke. Insgesamt acht Akteure wechselten in dieser Übertrittszeit in die Nachwuchsmannschaften deutscher Vereine, mit Daniel Bachmann ein Goalie in die U18 von Stoke City. Stuttgart selbst sicherte sich die Dienste von Thomas Mayer (Sturm/AKA Linz) und Francesco Lovric (Mittelfeld/AKA Austria). Auch die großen Bayern holten für die Jugend wieder zwei Österreicher, zum Einen Oliver Markoutz (Sturm/AKA Salzburg) für die Jugendabteilung, zum Anderen Stefan Hager (Verteidigung/AKA Tirol), der unter Beckenbauer-Sohn Stefan bereits debütieren durfte. Nachdem die TSG 1899 Hoffenheim sich bereits die Dienste von Kapfenbergs Trainersohn Michael Gregoritsch sicherte und diesen darauf sofort für ein weiteres Jahr an die Obersteirer verlieh, holte der Klub von Mäzen Dietmar Hopp auch noch Florian Madlmayer (Verteidigung/AKA Linz) und Stefan Sonderegger (Sturm/AKA Vorarlberg). Florian Heinrich (Mittelfeld/AKA Austria), der zu Schalke ging und Andreas Lovrec (Mittelfeld/AKA Tirol), der zu Augsburg wechselte, runden das Bild ab. Allerdings besitzt Lovrec keinen österreichischen, sondern einen kroatischen Pass.

Weitere Transfers

Mit Gordon Schildenfeld nutze ein Kroate die Bundesliga als Sprungbrett, ist derzeit Stammspieler bei Bundesliga-Absteiger Eintracht Frankfurt. Saso Fornezzi versucht sich bei Orduspor in der türkischen Süper Lig, seinen Ex-Teamkollege Pavel Kostal verschlug es zu Hansa Rostock. Nikola Pokrivac und Joaquin Boghossian konnten sich bei Salzburg nicht durchsetzen, beide kehrten in die Heimat zurück (Dinamo Zagreb bzw. Nacional Montevideo). Weitere Legionäre, die in Österreich ihr Glück nicht unbedingt fanden: Schumacher wechselte zu Volyn Lutsk in die Ukraine, Steven Lewerenz und Umut Kocin zu RasenballSport Leipzig, Vaclav Kolousek lässt in Brünn die Karriere ausklingen, ebenso wie Martin Stocklasa, der in St. Gallen der Heimat näher sein will, und Milan Fukal, der dies bei Karlove tut.

Die Transferbilanz dieser Übertrittszeit ist also eher mager. Allerdings könnten Spieler wie Zlatko Junuzovic, Christoph Leitgeb oder Jakob Jantscher noch in letzter Minute (bis heute 23:59 Uhr) wechseln, wenn sich eine günstige Gelegenheit für einen Transfer ergibt. Bbitter nötig wäre es, stagnieren doch gerade diese Spieler derzeit oder schwanken zumindest in einer nicht besonders breiten Leistungsbreite, die mit dem Transfer in ein noch professionelleres Umfeld womöglich vergrößert werden kann. Neben diesen Dreien stehen auch die Legionäre Nacer Barazite und Hamdi Salihi auf den Zetteln ausländischer Klubs. Grundsätzlich hallt aber in Anbetracht des Umstands, dass sich mit Markus Berger (Coimbra), Paul Scharner (West Brom),Emanuel Pogatetz (Hannover), Martin Harnik (Stuttgart), Mario Hieblinger (Ergotelis), Michael Gspurnig (Skoda Xanthi), Christian Fuchs (Schalke), Marc Janko (Twente) und Aleksandar Dragovic (Basel) nur acht Legionäre als unumstrittene Stammspieler in den höchsten Spielklassen bezeichnen dürfen, nach, dass es den Österreichern oft „im Kopf fehlt“. Und der Nachwuchsleiter des deutschen Meisters 2007 darf so etwas sagen.

Georg Sander, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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