Wenn das Tor wie vernagelt ist: Rapid kommt in Kapfenberg über ein 0:0 nicht hinaus!
Bundesliga 4.Dezember.2011 Daniel Mandl 1
Es war einer dieser verhexten Tage, an denen der Ball einfach nicht ins Tor will. Eine alte Fußballerweisheit war förmlich spürbar: Rapid hätte in Kapfenberg noch stundenlang weiterspielen können, ohne den Ball im Tor unterzukriegen. Dabei war die eklatante Abschlussschwäche, die nach den letzten Spielen eigentlich wie weggeblasen schien, das Einzige, was man Grün-Weiß vorwerfen konnte.
Die Auswärtspartie in Kapfenberg erwies sich für Rapid als schwieriger als das letzte Spiel in der Fremde, in Mattersburg. Nicht nur weil Kapfenberg-Trainer Thomas von Heesen sein Team komplett umstellte, die nach den letzten Niederlagen leeren Körper aus der Mannschaft nahm, sondern auch weil Rapid krankheits- und sperrbedingt selbst umstellen musste. Mit Heikkinen und Drazan fehlten zwei Akteure aufgrund von Sperren, zudem fielen auch Schimpelsberger und Trimmel aus. Nachdem sich Kapitän Steffen Hofmann nach 28 Minuten ein blaues Auge holte und ausgewechselt werden musste, war Rapid plötzlich auf fünf Positionen umgestellt. Und das unfreiwillig.
Gartler und Alar vor dem Tor ineffizient
Dabei wurde der eine oder andere Spieler zweckentfremdet – so etwa René Gartler, der die Hofmann-Position einnehmen musste, Deni Alar, der auf Christopher Trimmels Position am rechten Flügel unauffällig spielte und Guido Burgstaller, der auf Drazans Position an der linken Außenbahn zwar bemüht war, aber in einigen Situationen zu wenig Tempo aufnahm, nicht explosiv genug agierte. Dennoch gelang es einer umgestellten Rapid-Elf, speziell in der zweiten Halbzeit zahlreiche Torchancen herauszuspielen, die allerdings hauptsächlich von Gartler und Alar vergeben wurden.
Salihi mit dem „Miss of the Season“
Den Matchball fand Rapid in der Schlussminute vor: Nachdem sich Kapfenberg-Tormann Wolf und Abwehrspieler Taboga gegenseitig behindert, gelangt der Ball zum eingewechselten Hamdi Salihi, der zwei Meter vor dem leeren Tor zum Abschluss kommt. Unglaublich, aber wahr: Der Albaner, sonst ein Spieler der Marke „Strafraumkobra“ trifft nur die Latte und rettet damit dem Kapfenberger SV einen Punkt. Für Salihi, der nach dem Spiel laut Peter Schöttel „völlig fertig in der Kabine saß“, könnte dies bereits seine letzte Aktion im Dress von Rapid gewesen sein. Der 27-Jährige, der 36 Bundesligatore für Rapid erzielte, steht im Winter auf der Liste der möglichen Abgänge. Was in der Hitze des Gefechts von allen übersehen wurde: René Gartler wurde bei seiner Rebound-Chance, die er aus nur einem Meter Entfernung per Kopf vorfand, von Gucher und Wolf entscheidend bedrängt. Der KSV 1919 hätte sich über einen Elfmeter nicht beschweren dürfen…
Die schlimmsten vergebenen Chancen
Dass ein Spieler eine derartige Torchance vergibt, passiert im heimischen Fußball maximal jährlich. Vergebene Torchancen wie die von Austria-Angreifer Mamadou Diabang beim Wiener Derby, Salzburgs Marc Janko beim legendären 0:7 gegen Rapid oder GAK-Angreifer Lubomir Luhovy um die Jahrtausendwende gehen um die Welt und passieren dem betroffenen Spieler wohl nur einmal in seiner Karriere. Der letzte Rapid-Spieler, der eine Chance ähnlich stümperhaft vergab war Gaston Taument, der am 26.Juli 2000 beim 1:1 in Bregenz einen Ball aus einem Meter Entfernung nicht ins leere Tore schoß, sondern vorbei.
Weniger Stürmer, ein Mittelfeldmann mehr
Die spontan notwendigen Umstellungen beim SK Rapid eröffnen wieder die Debatte über die Kaderzusammensetzung. Peter Schöttel hat derzeit fünf Angreifer zur Verfügung, von denen einige flexibel einsetzbar sind, aber dennoch Angreifer bleiben. Hofmanns Ausfall nach einer knappen halben Stunde bedeutete nach Heikkinen, Drazan und Trimmel die nächste Umstellung im Rapid-Mittelfeld, das quasi in komplett neuem Gewand und mit drei etatmäßigen Stürmern (Burgstaller, Gartler und Alar) auf den Offensivpositionen spielen musste. Einzig Thomas Prager war vom Mittelfeldstamm noch auf dem Platz. Peter Schöttels Aufgabe im Winter wird es sein, diese Kaderzusammensetzung ausgewogener zu gestalten: Rapid benötigt in einem hauptsächlich praktizierten 4-2-3-1-System keine fünf Stürmer, dafür zumindest einen weiteren Klassemann im Mittelfeld. Diesen wird man im Sommer allerdings nur im Ausland finden…
Dobras und Kerschbaumer im Kommen?
Die zweite Möglichkeit ist allerdings das Auffüllen des Kaders mit einem oder zwei vielversprechenden Amateurspielern, was für den Verein leichter wäre, allerdings keine populäre Lösung in der aktuellen Situation darstellen würde. Gut möglich, dass der 20-jährige Kristijan Dobras, ein in Kroatien geborener Österreicher, im Winter zur Kampfmannschaft stößt. Er hätte Hofmann nach dessen Ausfall in der ersten Halbzeit positionstechnisch 1:1 ersetzen können. Ebenso wie der 19-jährige Konstantin Kerschbaumer, von dem etwa Rapid-Teammanager Stefan Ebner hundertprozentig überzeugt ist, der allerdings auch noch bis zum Saisonende für den First Vienna FC spielen soll, um in Wien-Hütteldorf nicht nutzlos auf der Bank zu sitzen. Dass Spieler wie Boris Prokopic oder Christoph Saurer trotz der Personalnot im Mittelfeld in Kapfenberg keine Chance bekamen (Saurer war nicht mal mit, dafür der flexible Amateur Brian Behrendt), zeigt, dass auch ihr Stand im Team sehr schwer ist und das „Erlebnis“ Rapid für diese Spieler ein Ablaufdatum hat.
Salzburg schon vor dem Sonntag-Spiel als Sieger
Mit zwei Heimsiegen aus den letzten beiden Spielen vor der Winterpause gegen Wacker Innsbruck und die Admira überwintert Rapid dennoch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem ersten Platz, weil die Austria noch zu Sturm und nach Salzburg muss. Ein neuerlicher Geheimfavorit auf die Winterkrone ist aber auch die SV Ried, die noch zwei Heimspiele gegen Wiener Neustadt und den auswärtsschwachen Meister aus Graz bestreiten muss. Nach der bisher verrückten 17.Runde sinken allerdings wieder die Quoten auf einen Meister aus Salzburg. Rapid und die Austria vergaben die Chance sich abzusetzen, die Admira und Ried trennten sich ebenfalls Unentschieden – nun hat Red Bull Salzburg, das nach dem Kantersieg gegen Kapfenberg und dem 2:0 gegen Paris SG vor Selbstvertrauen strotzen sollte, mit einem Sieg in Wiener Neustadt die Möglichkeit den Rückstand auf zwei Punkte zu verkürzen.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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