Mehr Wundertüte als Geheimfavorit: Sturms holpriger Saisonstart
Bundesliga 11.September.2015 Alexander Semeliker 0
Nachdem sich bei Red Bull Salzburg im Sommer ein großer Umbruch andeutete traute man vor allem zwei Klubs zu die nicht mehr unantastbar scheinenden Bullen zu stürzen. Während der SK Rapid bislang dieses Vertrauen bestätigte, startete Sturm Graz hingegen schwermütig in die Saison. Was waren die Probleme der Blackies?
Warum Sturm als schlafender Riese bezeichnet wurde, lässt sich leicht anhand der abgelaufenen Transferperiode erkennen. Nicht nur, dass alle Leistungsträger gehalten werden konnten, es gab auch die eine oder andere punktuelle potenzielle Verstärkung. Bisher konnte Trainer Franco Foda daraus jedoch noch nicht das Optimum herausholen. Nach sieben Spielen steht mit man neun Punkten auf Platz sechs.
Keine Kontinuität bei Außenverteidigern
Ein Schwerpunkt bei den Transfertätigkeiten war die Außenverteidigung. Dort gab es in den letzten Jahren eine hohe personelle Fluktuation. Insgesamt 16 verschiedene Außenverteidiger verpflichteten die Steirer seit 2006. Überzeugen konnte auch in der laufenden Spielzeit noch keiner dauerhaft. In bisher zehn Spielen standen bereits fünf unterschiedliche Außenverteidiger in der Startelf. Hinzukommt Thorsten Schick, der auch während eines Spiels nach hinten gezogen wurde.
Mit Marvin Potzmann holte man einen technisch guten Spieler, der auch ein verlässlicher Balleroberer ist und flexibel einsetzbar ist. So bekleidete er beispielsweise beide Außenpositionen in der Viererkette. Das trug jedoch auch seinen Teil zur teils schlechten Abstimmung bei. Zwar stehen beim 21-Jährigen zwei Torvorlagen zu Buche, andererseits hätte sein Platzverweis gegen Grödig beinahe eine Niederlage zur Folge. Auch Charalampos Lykogiannis könnte langfristig ein guter Transfer sein. Der Grieche verfügt über ein individuell breites Fähigkeitenprofil, stand aber erst 45 Minuten am Rasen.
So musste in den bisherigen Spielen weitestgehend das alte Personal herhalten. Christian Klem zeigte dabei die gewohnten Schwächen im Defensivspiel, als er zum Beispiel beim Gegentor gegen die Admira einfach ausgespielt wurde, und verletzte sich später obendrein noch. Somit ist Martin Ehrenreich, der eigentlich nur als Backup eingeplant war, nach Potzmann der Außenverteidiger mit den meisten Einsatzminuten.
Beim Sieg gegen Altach war der 32-Jährigen, der teils arge Schwächen im taktischen Bereich hat, zwar positiv auffällig, jedoch trug er mit seinen Fehlern beim 2:3 gegen Rubin Kazan entscheidend zum Europacup-Aus bei. Nun holten die Grazer mit Tanju Kayhan einen weiteren Außenverteidiger. Der Ex-Rapidler, der nach seinem Wechsel zu Besiktas ständig verliehen wurde und keinen neuen Vertrag bekam, ist wie Potzmann auf beiden Seiten einsetzbar und besticht in erster Linie mit seiner Athletik.
Kompaktheitsprobleme im Umschaltspiel
Neben diesem personellen Hauptproblem, hat Sturm jedoch auch taktisch den einen oder anderen Mangel, der bisher eine bessere Ausbeute verhinderte. Für Foda hat die Stabilität in der Defensive oberste Priorität. Seine Teams nehmen vor allem im defensiven Umschaltspiel wenig Risiko. Nachdem die Grazer im Frühjahr vereinzelt gute Gegenpressing-Aktionen hatten dominiert aktuell wieder der gewohnte Stabilitätsfokus – zumindest wenn man den Ball im zweiten Drittel verliert.
Dadurch versäumen sie zwar die Möglichkeit den Umschaltmoment beim Gegner auszunutzen, haben aber die Chance durch geschicktes Verzögern, was sie durchaus beherrschen, den Angriff so lange zu verzögern bis man selbst geordnet ist oder der Gegner einen Fehler macht. Andererseits mündete der zu hohe Stabilitätsfokus manchmal darin, dass der Gegner einfach zu Chancen kommt. Das Loch zwischen der Restverteidigung, die sich schnell zurückzieht, und dem defensiven Mittelfeld, das in manchen Phasen unentschlossen wirkt, ob es nach vorne oder hinten soll, ist dann zu groß.
Individualismus dominiert
Im Offensivspiel war Sturm bereits letzte Saison kein Team, das über besondere Abläufe verfügte. Sie waren vielmehr effizient dabei, die Schwächen der Gegner auszunützen. Während andere Teams versuchten, dem Trend der Vorwärtsverteidigung zu folgen und dabei Probleme in der sauberen Umsetzungen hatten, blieben die Grazer bei den konservativen Abläufen. Diese Konstellation spielte ihnen damals – übrigens ebenso wie dem WAC – in die Karten.
Derzeit ist das jedoch nicht der Fall und so muss Sturm von seiner reaktiven Spielweise abweichen. Bisher gelingt ihnen das jedoch selten erfolgreich. Die Spielzüge sind weiterhin sehr simpel und zu einem entscheidenden Teil davon abhängig, auf welchem individuellen Niveau der Gegner ist. Oft fokussiert sich Sturm auf simple Angriffe über die Seite und Flanken. Mit ein Grund dafür, dass Josip Tadic aktuell auf eine derart gute Torausbeute (sieben Tore in zehn Pflichtspielen) kommt.
Ansonsten hängt viel von den individuellen Qualitäten und der Tagesform der drei offensiven Mittelfeldspieler ab. Thorsten Schick, letztes Jahr bester schwarz-weißer Scorer, ist noch ohne Tor und Vorlage in der Liga, womit er den anderen beiden nachhängt. Dem technisch stärkeren und dynamischen Kristijan Dobras gelingen Einzelaktionen häufiger, durchschlagsfähiger wurde Sturm dadurch aber nur marginal. Interessanterweise waren die beiden Bundesligaspiele, die Sturm gewinnen konnte, jene, in denen sie die wenigsten Dribblings versuchten. Beim 1:1 Admira waren es hingegen deren 64.
Als positivste Erscheinung der bisherigen Saison – zumindest sportlich – gilt Donis Avdijaj. Auf den ersten Blick keine große Überraschung, wenn man die Strategie der Grazer und die Stärken des 19-Jährigen kennt. Andererseits ist es weniger so, dass der Deutsche seinen Mitspielern technisch um so viel überlegen wäre, sondern vielmehr seine Raumnutzung. Seine Dribblings gehen oft in die richtige Richtung und im Kombinationsspiel positioniert er sich ebenfalls passend. So ist er an den meisten Chancen direkt beteiligt.
Mit einer besseren Chancenverwertung hätte Avdijaj seinem Team so selbst zu mehr Punkten führen können. Andererseits stellt sich dabei auch die Frage, ob diese starke individuelle Abhängigkeit reicht, um den eingangs erwähnten Ruf als Titelgeheimfavorit gerecht zu werden.
Alexander Semeliker, abseits.at
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