FIFA-Spitze suspendiert: So wird es im Weltverband weitergehen!
Fußball & BusinessGesellschaft & Ethik 9.Oktober.2015 Daniel Mandl 0
Vor genau einer Woche wurde bekannt, dass die FIFA-Sponsoren Coca Cola, VISA, Anheuser-Busch und McDonald’s den sofortigen Rücktritt von Sepp Blatter als Präsident des Weltverbandes forderten. Die Antwort auf die Forderungen von Coca Cola aus Blatters Büro lautete wie folgt: „Herr Blatter widerspricht respektvoll der Meinung von FIFA-Sponsor Coca-Cola und glaubt stark daran, dass es gerade weder im besten Interesse der FIFA wäre, noch den Reformprozess der FIFA voranbringen würde, wenn er sein Büro verließe. Deshalb wird er nicht zurücktreten.“
Der krisengeschüttelte Weltverband steht nun vor einer reichlich bizarren Situation. Die massive öffentliche Kritik gegen den 79-jährigen Blatter und den gesamten FIFA-Apparat, wurde durch explizite Rücktrittsforderungen der Hauptsponsoren noch verstärkt. Dies könnte sich aber auch als kontraproduktiv erweisen, zumal die schwerst reformbedürftige FIFA aktuell eher einen Reboot, als ein Stronach’sches Prinzip braucht.
Vier Big Player suspendiert
Nun wurden gleich vier führende Köpfe der FIFA suspendiert. Neben Blatter erwischte es auch noch UEFA-Präsident Michel Platini, den Generalsekretär Jerome Valcke und einstigen Vizepräsidenten Chung Moon-joon, der gleich für sechs Jahre aus dem (Korruptions-)Verkehr gezogen wurde. Blatter und Platini, die noch die Chance haben Einspruch einzulegen, werden 90 Tage für alle fußballerischen Aktivitäten gesperrt, erhalten womöglich sogar ein weltweites Stadionverbot.
Vier Monate früher als erwartet
Die Problematik hinter Blatters Suspendierung: Der mit seinem Chefsessel verwachsene Schweizer hätte im Februar, wenn die FIFA ihren neuen Präsidenten wählt, ohnehin abgedankt. Positiv zu bewerten ist zwar, dass der umstrittene Langzeitpräsident damit keinen direkten Einfluss auf den bevorstehenden Wahlprozess hat. Wer allerdings glaubt, dass Blatter damit kaltgestellt ist, ist schlichtweg naiv.
Der Krake
Der Schweizer metastasierte über viele Jahre in alle Kanäle und praktisch die gesamte Peripherie des Fußballweltverbands. Die vielen schmutzigen Geschäfte, die Blatter entweder in die Wege leitete oder durch bewusstes Wegsehen zuließ, passierten nicht unter dem Deckmantel der FIFA, die als Verband als solcher nicht viel dafür kann, sondern auf ihrem Rücken. Der Marktwert des einzigen FIFA-Produkts, des Fußballs, wurde durch die Funktionäre über Jahrzehnte ausgehöhlt und verkauft. Die FIFA selbst wird gut vermarktet, das Handeln der verantwortlichen Personen ließen diese Vermarktung aber sukzessive unglaubwürdig erscheinen.
Die FIFA ist eine Sache, die Unternehmen rundherum eine andere
Das Problem ist also nicht unbedingt, was Blatter und Konsorten innerhalb der FIFA-Mauern werken dürfen, sondern auch, was in den vielen umliegenden und am Skandal beteiligten Unternehmen geschieht. Und auf die haben die Beschuldigten, wenn auch unter strenger Beobachtung, immer noch Zugriff. Natürlich gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung – aber daran glauben will schon lange niemand mehr.
Entscheidend ist das Netzwerk rund um die FIFA – nicht die FIFA
Da dem Dachverband „nur“ temporär der Kopf abgeschlagen wurde, wird sich nichts zum Positiven verändern. Dass sich Blatter-Freund Michael Platini ebenfalls im Fadenkreuz der Justiz befindet, ist ein schöner Eye-Opener vor seiner Kandidatur zum FIFA-Präsidenten. Joseph Blatter mag machtbesessen, geldgeil und – um die gefährliche Mischung gebührend abzurunden – bereits einigermaßen senil sein, aber er ist auch hochintelligent, abgekocht und bestimmt nicht in den Urlaub abgetreten, ohne die eine oder andere Agenda für den Fall des Falles festzulegen. Wie bei Platini geht es dabei sicher nicht um offizielle FIFA-Agenden, sondern vielmehr um das besagte Rundherum, die künftig weiterhin teilnehmen Unternehmen und „Kooperationspartner“ kleinerer Verbände.
Hayatou statt Blatter
Die FIFA steht nun vor 90 Tagen Stillstand. Laut den Statuten des Weltverbandes übernimmt nun der 69-jährige Issa Hayatou Blatters Amtsgeschäfte. Der Kameruner ist zusätzlich Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees und seit 27 Jahren Präsident des afrikanischen Verbands CAF, der auch nicht gerade für Transparenz und Sauberkeit im Handeln steht. Schon in den 90er-Jahren soll Hayatou Bestechungsgelder angenommen haben. Als ein Whistle Blower der Sunday Times im Jahr 2011 zwitscherte, dass der damalige Senior-Vizepräsident der FIFA 1.500.000 Dollar erhielt, um für die WM in Katar abzustimmen, waren Insider kaum verwundert. Anstelle des scheinbar unberührbaren Sepp Blatter, gegen den aktuell Ermittlungen laufen, sitzt nun also ein Herr an der Spitze der FIFA, der seit fast drei Jahrzehnten mit Blatter verkehrt – und gegen den ebenfalls Ermittlungen laufen…
Auch Villár noch mittendrin
Das FIFA-Exekutivkomitee besteht somit nur noch aus fünf Personen, weil Issa Hayatou „aufstieg“, Platini gesperrt wurde und Jeffrey Webb ohnehin gesperrt ist. Da wäre jetzt zum Beispiel noch der Spanier Ángel Maria Villár, der vor der letzten WM-Vergabe einen Vote-Swapping-Deal mit Katar machte, um die spanisch-portugiesische Kandidatur zur WM 2018 abzusichern. Die anderen Vizepräsidenten – David Chung, Salman Bin Ibrahim Al-Khalifa, David Gill und Juan Ángel Napout – gelten als unbescholten. Jeder von ihnen ist maximal vier Jahre im Amt, Gill und Napout sogar erst seit 2015.
Nicht ohne meinen Anwalt
De facto ist die Situation aber die, dass vor allem die Rechtsabteilung der FIFA momentan die losen Fäden des Weltverbands in der Hand hat. Die letzten verbliebenen Führungspersönlichkeiten laufen derzeit eher mit dem Maulkorb durch Zürich, während Sepp Blatter Heimaturlaub in Wallis macht – aus Angst davor verhaftet zu werden, wenn er die Schweiz verlässt. Die Schlinge um den Hals des 79-Jährigen zieht sich aber auch in heimischen Gefilden immer weiter zu.
Wundenlecken statt Reformen
Das Resultat der letzten Entwicklungen: Im Grunde ist die FIFA handlungsunfähig. Einen zusätzlichen sportlichen Skandal würde dieser angeschlagene Boxer nun nicht mehr verkraften und K.O. gehen. Wäre dies im Sinne der Financiers, dann hätten Coca Cola und Co. nicht nur zu bellen begonnen, sondern gleich einen deftigeren Rückzieher gemacht. Weitere Eklats werden in naher Zukunft ausbleiben, zumal alle Augen auf den Weltverband gerichtet sind. Bis zur Neuwahl im Februar wird jedoch kaum etwas Bewegendes tun. Wundenlecken ist angesagt.
Richtungsweisende Wahl steht bevor
Die Wahl zum FIFA-Präsidenten 2016 scheint eine Spannende zu werden. Michel Platini und Chung Mong-joon haben sich selbst ins Abseits gespielt, werden wohl nicht mehr kandidieren können, auch weil die Ethikkommission dies nicht zulassen dürfte. Mit Platini würde damit sogar der Quotenfavorit wegfallen. Es wird somit immer wahrscheinlicher, dass der nächste FIFA-Präsident aus dem arabischen Raum kommt, aber auch Luis Figo, David Gill oder Michael van Praag haben Außenseiterchancen.
Konzepte statt Kohle
Egal wer es wird: Seine Hauptaufgabe wird es sein, die FIFA zur Gänze zu reformieren. Auch wenn der Fußballweltverband nach den jüngsten Ereignissen ein halbes Jahr verlieren wird, steht der Weltfußball ab Februar vor einer einmaligen Chance. Klar ist aber auch, dass es jetzt keiner finanzstarken Liebhaber, sondern viel mehr klarer Konzepte, einer klaren und harten Gangart und im Hinblick auf die beiden nächsten, schwierigen Weltmeisterschaften einen unumstößlichen Zeitplan für die weiteren Entwicklungsschritte benötigt.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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