Mehr Kontrolle und Kreativität: Finks Umstellungen im Zentrum und die Auswirkungen
Bundesliga 25.Oktober.2015 Alexander Semeliker 0
Heute kommt es im Ernst Happel Stadion zum Schlager der 13. Bundesligarunde. Der SK Rapid trifft im Wiener Derby auf die Austria. Das erste Duell konnten die Hütteldorfer klar mit 5:2 gewinnen. Dieses Mal dürfte es ein engeres Match werden, auch weil FAK-Coach Thorsten Fink eine Umstellung im Mittelfeldzentrum vornahm.
Unter Fink spielt die Wiener Austria sehr ballbesitzorientiert. Ihnen gehören im Schnitt 60% der Pässe in ihren Spielen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Spiele für die Zuschauer auch attraktiv sind. Den violetten Spielzügen fehlt oft das Tempo und klare Torchancen sind Mangelware. Dass sie trotzdem auf Platz zwei stehen, spricht auf den ersten Blick dennoch für ihre Ausrichtung.
Holzhauser Schlüsselspieler in mehrerlei Hinsicht
Dass die Austria aktuell vor dem grün-weißen Stadtrivalen platziert ist, ist vor allem ihrer Stärke bei Standards geschuldet. Einen wesentlichen Part dabei übernimmt Raphael Holzhauser, der in aller Regel sämtliche Frei- und Eckstöße tritt. Der 22-Jährige bereitet die meisten Torschüsse seines Teams vor (1,9 pro 90 Minuten) – über 43% davon waren alleine Eckbälle. Die vier bisherigen Scorerpunkte entstammten ebenfalls ruhenden Bällen. Doch Holzhauser ist auch abseits davon ein wichtiger Spieler im System von Fink.
Nachdem der ehemalige Deutschland-Legionär zu Beginn der Saison noch in einer Doppelsechs-Formation eingesetzt wurde, agiert er mittlerweile als alleiniger Sechser in einer 4-1-4-1-Grundordnung und beweist auch defensive Qualitäten: 1,8 abgefangene Bälle und 2,5 Tackles pro 90 Minuten weisen ihn unter allen violetten Zentrumsspieler als besten Balleroberer aus. An und für sich gilt Holzhauser als guter Pass- und Kombinationsspieler, unter Fink ist aber vielmehr für die Balance zuständig. Er spielt viele Wechselpässe, wird nach vorne hin in erster Linie mit langen Bällen aktiv. Das Resultat: fast ein Drittel seiner Pässe gehen über eine Distanz von mindestens 25 Yards.
Aufbauprobleme mit Vukojevic
Gerade im ersten Saisonviertel hatte Holzhauer aber Probleme damit, seine Aufgabe als Bindeglied umzusetzen. Dies lag auch daran, dass in den ersten acht Spielen mit Ognjen Vukojevic ein äußerst unmoderner Spielertyp an seiner agierte. Schon bei der Verpflichtung des Kroaten wiesen wir auf dessen teils eklatanten gruppentaktischen Schwächen hin. Die Schwierigkeiten, die sein Spiel mitbringt, lassen sich im Wesentlichen aber recht simpel auf seine individuellen Fertigkeiten herunterbrechen.
Hier sieht man zwei beispielhafte Passschemen von Vukojevic. Auf den ersten Blick fällt dabei auf, dass er hauptsächlich Quer- und Rückpässe spielt. Die dennoch hohe Passfrequenz und der Umstand, dass er in äußerst ungefährlichen Zonen präsent war, führten dazu, dass Holzhauser einfach isoliert werden konnte. Versuchte er sich zwischen den ersten beiden Pressingreihen des Gegners zu positionieren, konzentrierte sich dieser meist auf das Versperren der Passwege zu ihm. Kippte er nach hinten ab, war der Abstand zu den Offensivspielern zu groß, um sie wirksam einsetzen zu können.
Dem landläufigen Einwurf, solche Spielertypen benötige man, um die defensive Stabilität zu gewähren, kann ebenfalls mit einfachen Mitteln der Wind aus den Segeln genommen werden. Vukojevic verzeichnet nämlich die wenigsten Balleroberungen aller FAK-Mittelfeldspieler (2,2 pro 90 Minuten). Gemeinsam mit den Problemen im Stellungsspiel und der Entscheidungsfindung führte das dazu, dass Fink sein System adaptierte und den Routinier ab der achten Runde auf die Bank degradierte.
Passende Synergien zwischen Kehat und Grünwald
An die Stelle des einen Neuzugang, Vukojevic, trat ein anderer, Roi Kehat. Der israelische Nationalspieler kam mit vielen Vorschusslorbeeren im Sommer, musste sich zunächst mit Kurzeinsätzen zufrieden geben. Nun scheint er sich aber durchgesetzt zu haben und besetzt gemeinsam mit Alexander Grünwald die beiden Achterpositionen im 4-1-4-1 vor Holzhauer. Die Folge dieser Umstellung wird zum Beispiel durch die nachstehende Grafik – sie zeigt die Verteilung der Pässe auf die drei zentralen Mittelfeldspieler – verdeutlicht.
Holzhauser hat als alleiniger Sechser nun zwar noch mehr Passanteile, seine klare Rolle führt aber dazu, dass jene der anderen beiden gleichmäßiger verteilt sind. Vukojevic zog durch seine tiefe Position naturgemäß viele Bälle an, was wie erwähnt zur Folge hatte, dass das Aufbauspiel stark gebremst wurde. Grünwald als Zehner war ein Leidtragender davon. Durch die ungeduldigen langen Pässe wurde er oft überspielt.
Nun kann Grünwald in einer ähnlichen Rolle agieren wie er es unter Peter Stöger in der Meistersaison bereits getan hat. Dem 26-Jährigen, dem in den letzten Jahren vor allem seine magere Scorerausbeute vorgeworfen wurde, besticht nun wieder mit seinem strukturierten Passspiel, verteilt die Bälle aus dem Zehnerraum heraus bzw. um den Mittelkreis herum. Damit stellt er den Gegenpol zum kleinräumigen Kehat dar, der häufiger in Dribblings geht. Auf ein Tor wartet der Neuzugang noch. Möglich, dass es heute im Derby fällt.
Alexander Semeliker, abseits.at
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