Der Unkonventionelle: Schobesbergers positive Wende nach Problemen zu Saisonbeginn
Bundesliga 2.Dezember.2015 Daniel Mandl 0
Er ist zweifellos einer der unkonventionellsten Fußballer der heimischen Bundesliga. Rapids Philipp Schobesberger durchlebte im letzten Jahr ein Wechselbad der Gefühle – und wirkt so, als würde es ihn nur peripher tangieren. Der 21-Jährige verhalf Rapid zu großen Siegen, wurde ins Nationalteam einberufen, hatte Angebote aus England und steht dennoch erst am Anfang.
In Zeiten der immer größer werdenden Dynamik und Athletik sind klassische Außenmittelfeldspieler eine aussterbende Spezies bzw. „Special Interest“-Spieler. Der Flügelflitzer erlebt weltweit seine Blütephase. „Inverse Winger“ sind gefragt und häufig erzielen die Rechts- und Linksaußen mehr Tore als der Mittelstürmer.
Das Vollgas-Frühjahr 2015
Es war alles angerichtet für Philipp Schobesberger, als dieser im Sommer 2014 zu Rapid wechselte. Niemand erwartete sich etwas vom jungen Oberösterreicher, auch wenn Andreas Müller und Co. vorsichtig Rosen streuten und auf das große Potential des quirligen „Schobi“ hinwiesen. So richtig ging es für den 94er-Jahrgang aber erst im Frühjahr 2015 los: Erstes Bundesligator beim 4:0 über Grödig, kurz darauf acht Tore in acht aufeinanderfolgenden Pflichtspielen und das Einstellen eines alten Krankl-Rekords.
Manchmal geht’s schnell
Schobi war in Hütteldorf bzw. im Prater angekommen und wurde vor jede Kamera gezerrt. Er machte einen bodenständigen, entspannten Eindruck, wirkte wie einer, den man nicht leicht aus der Ruhe bringen kann. Teameinberufung, millionenschweres Interesse vom „Money Ball“-Klub Brentford FC – die Ereignisse überschlugen sich nicht mal ein Jahr nachdem Schobesberger die Regionalliga Mitte verließ, um sich an das Abenteuer Wien zu wagen.
Orschwackeln
Es sind Floskeln, die jeder kennt. Junge Spieler sollen sich erst in Österreich behaupten, bevor sie ins Ausland gehen. Peter Pacult prägte den Spruch mit dem „Orschwackeln“, das im Idealfall für eine Teameinberufung genüge. In Zeiten von David Alaba und Marko Arnautovic ist dies nicht mehr allgemein gültig und auch jüngere Legionäre zeigen, dass es durchaus gleich im Ausland geht. Wo und wann es ein Spieler „schafft“, ist einzig und allein vom Spieler und dessen Ehrgeiz abhängig. Die Ausbildung in Deutschland oder den Niederlanden zu absolvieren galt lange Zeit als Vorteil, obwohl der Weg in eine Kampfmannschaft steiniger ist.
Verbesserte Infrastruktur in Österreich
Heute ist das anders bzw. hält sich die Waage, denn im Glanz des Nationalteams erstrahlen auch die heimischen Vereine und ihre Akademien. Red Bull setzte neue Maßstäbe, was Ausbildungszentren angeht, stampfte nicht nur am Leipziger Cottaweg, sondern auch in der Lieferinger Au eine fast schon pervers moderne Ausbildungsstätte aus dem Boden. Die anderen Vereine ziehen mit bzw. müssen mitziehen. Rapid stellt nicht nur mit dem Stadionneubau in Wien-Hütteldorf die Weichen für die Zukunft, sondern macht auch im nicht immer sofort sichtbaren Umfeld sehr viel.
Spektakuläre Tore und Aktionen
Schobesberger machte keinen Fehler, als er sich vor über einem Jahr für Rapid und gegen Sturm Graz entschied. Mittlerweile bestritt der eigenwillige Flügelspieler 56 Pflichtspiele für Rapid, erzielte 16 Tore und bereitete 15 weitere vor. Treffer wie sein freches Ferserl im Cupspiel gegen Austria Salzburg, oder sein um die Welt gehender Narkolepsie-Abschluss in Pilsen sorgen für Furore. Auch im Einleiten von Toren ist Schobesberger ein wichtiges Mosaik im Rapid-System.
Gegenentwurf zu Rapids allgemeiner Geduld
Und dennoch ist der Cupsieger von 2013 noch lange nicht am Plafond angekommen. Die Erwartungshaltung gegenüber dem Shooting Star des Frühjahrs 2015 stieg rasant an und der Start in die Saison 2015/16 missglückte – zumindest auf den ersten Blick. Schobesbergers direkte und spektakuläre Spielweise tut Rapids Offensivspiel grundsätzlich gut, auch wenn vieles nicht klappt. Seine häufigen Versuche in aussichtsreiche Positionen zu kommen, sind ein willkommener Gegenentwurf für das sonst oft zu geduldige Spiel der Wiener. Während beim Rest des Teams Passsicherheit und Kontrolle herrschen, sieht es schon mal blöd aus, wenn Schobesberger sich im gegnerischen Abwehrdschungel festdribbelt.
Lasches Defensivverhalten
Das wäre aber nicht das Hauptproblem des 176cm-Mannes. Es war die lasche Einstellung zum Defensivspiel, die Publikum und Trainerteam sauer aufstieß. Der zurücktrabende Schobesberger ließ Barisic auf der rechten Seite experimentieren, die Flügel immer wieder rochieren. Der Oberösterreicher nahm die Gesamtheit des Fußballspiels auf die leichte Schulter, stand nur für das offensive Wohl seines Teams auf dem Platz. Und selbst zu diesem trug er nicht bei, denn auch wenn seine Einzelaktionen explosiv ausgeführt wurden, fehlte Schobesberger zu oft der Fokus und die Konzentration.
„Schaun mer mal“
Der 21-Jährige baute zuletzt vieles auf Zufall auf. Nach dem kaiserlichen Motto „schaun mer mal“ stand „Schobi“ auf dem Platz und wartete darauf, was sich ergeben würde. Als würde er in einer Disco an der Bar lauern, anstatt mit klarem Ziel und selbstbewusst auf die Tanzfläche zu gehen. Die Kritik der Fans wurde lauter und lauter. Die Kehrtwende folgte in der letzten Oktoberwoche: Schobesberger traf beim 5:1 gegen Austria Salzburg doppelt, schoss Rapid acht Tage später mit einem weiteren Doppelpack zum wichtigen Sieg in Pilsen. Seit dieser enorm strukturierten Leistung, getragen von sensationellen Laufwegen, schien der beidbeinige Offensivspieler auch seinen Allgemeinfokus nach und nach wiederzufinden.
„Schobi“ findet seine Spielstruktur wieder
In den darauffolgenden Spielen blieben zwar die Scorerpunkte aus, aber Schobesberger arbeitete besser fürs Team, besann sich auch auf seine defensiven Aufgaben und wirkt in seinem Gesamtauftreten gefestigter. Die Gesamtheit seiner defensiven und offensiven Aufgaben zu beherzigen ist das Fundament dafür, dass sich der unkonventionelle Flügelspieler eines Tages auch im Ausland durchsetzen kann. Um einem Drazan’schen Schicksal zu entgehen, sollte Schobesberger einen Rückfall in die Muster des Saisonbeginns vermeiden und eher das vergangene Frühjahr auch im Jahr 2016 wiederholen – noch besseres Defensivverhalten inklusive. Die Anlagen und die wohl nötige Prise Verrücktheit bringt er mit. Nun gilt es, die Konstanz auf Schiene zu bringen.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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