Rapids erstes Tor: Eine Aktion, die Sturms gruppentaktische Probleme aufdeckte
Bundesliga 23.Februar.2016 Alexander Semeliker 1
Während der SK Rapid mit dem 2:0-Sieg am Sonntag in Graz weiterhin punktegleich mit Red Bull Salzburg an der Tabellenspitze der tipico Bundesliga steht, dürfte der SK Sturm nur bei einem günstigen Cupsieger noch in den Europacup kommen. Der Abstand zum Tabellendritten Austria ist genauso groß wie zum Letzten WAC.
Sturm-Coach Franco Foda hat seinen Kredit bei den Fans, den er mit dem Meistertitel 2011 erreicht hat, längst verspielt. Immer wieder wird dem Deutschen mangelnde taktische Finesse vorgeworfen. Ob dies tatsächlich der Hauptgrund für die zähen Spiele der Steirer ist, sei dahingestellt, die Abläufe innerhalb der Mannschaft wirken aber kaum abgestimmt und bergen somit viel Risiko in sich. Ein perfektes Beispiel dafür war das erste Gegentor im Spiel gegen Rapid.
Schlechte Offensivstaffelung als Ausgangspunkt
Der Ausgangspunkt für dieses Tor war ein Fehlpass von Daniel Offenbacher, in dessen Folge es so wirkte, als würde Sturm überhaupt keine Möglichkeit mehr haben, Rapids Konter zu stoppen. Eine scheinbar einfache Analyse: klarer Fehler von Offenbacher, oder? Wenn man sich die Ausgangsposition genauer ansieht, erkennt man jedoch, dass sich dahinter mehr verbirgt als ein simpler Fehlpass.
Fehlpässe sind quasi unausweichlich im Fußball. Entscheidend ist, dass der Gegner daraus kein Kapital schlagen kann. Anders gesagt: wenn ein einziger Fehlpass das gesamte System über den Haufen wirft, passt was am System nicht. Genau das ist bei Sturm in der Vergangenheit oft der Fall und führte auch gegen Rapid zur Niederlage. Wie man im nachstehenden Bild nämlich sieht, war die Staffelung der Grazer äußerst schlecht. Ein Fehlpass schien sogar die logischste aller Optionen zu sein.
Zunächst erkennt man hier, dass auch Rapid defensiv nicht einwandfrei steht. Wie gewohnt gibt es einen großen Abstand zwischen Verteidigung und Mittelfeld. Es wirkt so, als würde Offenbacher (rot) genau diese Schwachstelle bespielen wollen. Es gibt dort jedoch keine passende Anspielstation. Thorsten Schick (schwarz) steht äußerst ungünstig um eine direkte Anspielstation darzustellen, weil er im erweiterten Deckungsschatten des rechten Rapid-Sechsers ist. Würde er etwas einrücken, wäre für Offenbacher viel einfacher anzuspielen.
Ebenfalls unpassend positioniert ist Rechtsverteidiger Tanju Kayhan (blau). Es müssten schon ein, zwei passende Folgeaktionen seiner Mitspieler passieren, damit er einen direkten Einfluss auf den Angriff haben könnte. Seine hohe Position ist zudem insofern problematisch, weil er damit in seinem Rücken viel Raum hinterlässt – genau dorthin sollte der Ball später bekanntlich kommen. Nachdem die ballnahen Mitspieler von Rapids Doppelsechs zugestellt sind, hat Offenbacher nur mehr zwei Passmöglichkeiten.
Zum einen ist das Andreas Gruber am linken Flügel, der hier nicht im Bild ist. Alleine das zeigt, dass der 20-Jährige – selbst wenn er angespielt werden würde – von Rapid einfach isoliert werden könnte. Es kommt daher zum Pass auf den Mittelstürmer – und zwar nicht in den Lauf, sondern in den freien Zwischenlinienraum. An und für sich keine schlechte Entscheidung von Offenbacher, da die Schnelligkeit bekanntlich nicht die Stärke von Roman Kienast (weiß) ist und dieser auch noch zwei Innenverteidigern gegenübersteht.
Kienast antizipiert diesen Pass aber nicht, sondern orientiert sich – wie man anhand seiner Körperhaltung erkennen kann – nach vorne. Dies ist jedoch weder eine direkte Kritik an den 31-Jährigen, noch an jemanden seiner Kollegen, sondern zeigt schlicht und ergreifend nur, dass die einzelnen Bewegungen in keinster Weise aufeinander abgestimmt sind.
50:50-Zweikampf einzige Zugriffsmöglichkeit
Nach dem Ballverlust haben die Grazer praktisch kaum eine realistische Chance auf eine Rückeroberung, wie man in den nachstehenden Bildern erkennen kann.
Hier sieht man die einzige Zugriffsmöglichkeit – ein Zweikampf zwischen Rapids individualtaktisch cleveren Thanos Petsos und Sturms kleingewachsenen Sascha Horvath. Ein unfaires Duell, das der Grieche ohne Probleme für sich entscheidet. Hätte es Horvath geschafft, seinen Gegenspieler am Drehen zu hindern, hätten die Grazer hingegen eine gute Ausgangsposition gehabt. Alle umliegenden Rapid-Spieler könnten nämlich sofort attackiert werden.
Nachdem das jedoch nicht der Fall ist, wird die oben erwähnte Problematik mit Kayhans Positionierung tragend. Wie man sieht ist der Abstand zu seinem Gegenspieler bereits sehr groß. Wenn dieser auch noch Philipp Schobesberger heißt, ist diese Lücke nicht zu schließen.
In weiterer Folge steht Sturms Restverteidigung auf verlorenem Posten. Die drei verbliebenen Abwehrspieler müssen jeweils drei Optionen abdecken – ein Ding der Unmöglichkeit, vor allem weil sie vier Rapidlern gegenüberstehen. Lassen sie sich fallen, dann bekommen die ballnahen Gegenspieler die Möglichkeit mit Tempo auf die Restverteidigung zuzulaufen. Entscheiden sie sich herauszurücken, stellt sich ferner die Frage, wer sich wohin orientiert, oder ob man gar versucht, den Gegner ins Abseits zu stellen. Dass gerade die Grazer ein derartig komplexes Problem lösen könnten, war angesichts ihrer großen gruppentaktischen Probleme nicht zu erwarten.
Alexander Semeliker, abseits.at
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