Bälle erobern und wieder verlieren: Konrad Laimers unbekümmerter Spielstil
Bundesliga 23.April.2016 Alexander Semeliker 0
Red Bull Salzburg ist drauf und dran mit dem dritten Double in Folge einen weiteren Rekord aufzustellen. In der Bundesliga liegen sie fünf Runden vor Schluss sechs Punkte voran und am Mittwoch zogen sie mit einem 5:2-Sieg gegen die Wiener Austria ins Cupfinale ein. Ein wichtiger Mann war dabei Konrad Laimer.
Obwohl Laimer erst 18 Jahre alt ist hat er im Laufe seiner Profikarriere aktuell bei Red Bull Salzburg bereits den vierten Trainer. Im September 2014 feierte er unter Adi Hütter sein Bundesligadebüt. Der Meistertrainer der letzten Saison sah im Nachwuchsteamspieler den Prototyp des Salzburger Spielstils. Sein Nachfolger, Peter Zeidler, vertraute weniger auf den Teenager, sodass dieser im Herbst wieder häufiger beim FC Liefering eine Liga tiefer zum Zug kam. Die beiden Spiele unter Interimstrainer Thomas Letsch absolvierte er über die gesamte Distanz.
Gesetzt unter Garica
Unter dem aktuellen Cheftrainer, Oscar Garcia, bekam er hingegen im Frühjahr jedes Mal eine Chance in der Startelf, wenn er zur Verfügung stand. Dass dies der Fall ist, ist durchaus beachtenswert – nicht nur weil Laimer ein sehr junger Spieler ist. Unter Garcia agieren die Salzburger nämlich häufig mit einem Dreiermittelfeld. Mit Naby Keita und Valon Berisha hat der Spanier nominell zwei überaus starke und passende Spieler für die Halbpositionen, wo auch Laimer am besten zur Geltung kommt.
Obwohl die beiden heuer gemeinsam mit Laimer nur in fünf Spielen über längere Zeit gemeinsam am Feld standen, zeigt gerade der Halbfinaltriumph gegen die Austria, dass das Trio gemeinsam funktionieren kann. Berisha agierte im 4-3-3 als dominanter, spielmachender linker Flügelspieler, während Laimer halblinks weite Wege ging und viel vertikal pendelte. Beim 2:0-Sieg im Herbst gegen Rapid gab es eine ähnliche Rollenverteilung.
In den anderen beiden Spielen waren die Rollen anders verteilt. In der 28. Runde gegen den SV Mattersburg spielte Keita auf Zehnerposition, während Berisha und Laimer auf den Halbpositionen agierten. In der 19. Runde, ebenfalls gegen den SVM, war Laimer zentral der tiefste Mittelfeldspieler und wurde von Keita und Berisha flankiert. Dass dabei nicht nur ein torloses Remis herausschaute, sondern Salzburg aus dem Spiel heraus kaum Gefahr entwickeln konnte, ist ein Indiz dafür, dass Laimer auf der Sechserposition nicht optimal funktioniert.
Sehr dynamisch im Ballbesitzspiel
Garcia erkannte das offenbar und zog Berisha, obwohl dieser seine Vorzüge ebenfalls im Zentrum hat, wieder auf den Flügel, um Platz für Laimer auf der Achterposition zu schaffen. Als Sechser fehlt dem Youngster meist die nötige Ruhe. Seine Aktionen sind stark nach vorne gerichtet, was in auf dieser Position nicht nur nicht immer zwingend notwendig, sondern gruppentaktisch manchmal hemmend ist. Daher agierten unter Garcia mit Yasin Pehlivan und Bernardo in aller Regel eher zurückhaltende Spieler als tiefste Zentrumsspieler.
Laimer ist kein stoischer Ballverteiler, sondern ein exzellenter Pendler, der vor allem über ein gutes Raumgespür verfügt und gemessen an seinen Bewegungen ein sehr guter Kombinationsspieler ist. Diese intelligente Raumnutzung deutete er bereits unter Hütter an. Trotz seiner Jugend ist er am Ball überaus mutig und scheut trotz überschaubarer technischen Qualitäten keine Eins-gegen-Eins-Situationen, löst enge Situationen ab und an äußerst gut auf. Ein Beispiel konnte man im Vorbereitungsspiel gegen Bayer Leverkusen sehen, als er sich umblickte, den Ball durchlaufen ließ und zwischen zwei Gegner mit Tempo nach vorne marschierte.
Balleroberer und Ballverlierer
Abschließend wollen wir uns nun die Leistungsdaten von Laimer ansehen. Dabei greifen wir auf die jüngst eingeführte Vorlage für defensive Mittelfeldspieler zurück, denn besonders anhand dieser wird der unbekümmerte Spielstil des jungen Salzburgers erkennbar. Einerseits sieht man in der nachstehenden Grafik, dass das Netz äußerst unausgeglichen aufgespannt ist. Laimers Passquoten sind mehr als ausbaufähig. Insbesondere seine Fehlpassquote von 18,1% in der eigenen Hälfte zeigt, dass er durchaus ein Risiko für die defensive Stabilität sein kann. Auch die Anzahl an Fouls ist äußerst hoch.
Auf der anderen Seite kann Laimer mit einer beeindruckenden Balleroberungsstatistik auftrumpfen. Nicht nur in der Sky Go Erste Liga, sondern auch in der tipico Bundesliga ist er der Spieler, der die meisten Tackles verzeichnet. Zudem war er schon in der letzten Saison der drittbeste Balleroberer der gesamten Liga. Mittlerweile hängt er mit 9,4 Balleroberungen pro 90 Minuten sogar den Mattersburger Jano ab und ist unter allen Ligaspielern mit mindestens 20% der bisher maximal erreichbaren Spielzeit der beste.
Gerade der Vergleich mit dem routinierten Spanier ist besonders interessant. Einerseits zeigt sich die stürmische Spielweise von Laimer darin, dass jede siebente seiner Aktionen eine Balleroberung ist. Das ist selbstverständlich der niedrigste Wert aller Mittelfeldspieler. Bei Jano ist hingegen „nur“ jede neunte Ballaktion ein abgefangener Ball oder ein Tackle. Außerdem ist dieser ein äußerst ruhiger Ballverteiler ist, der gegebenenfalls in die Breite spielt (Passwinkel 16,6°), kennt Laimer nur eine Richtung: nach vorne. Das zeigt sein approximierter Passwinkel von 34,2°.
Zusammenfassend zeigt das obige Diagramm also Folgendes: Laimer sucht ständig den Weg nach vorne, verliert sehr viele Bälle, erobert sie aber extrem aggressiv und schnell wieder zurück. Dass er ausgerechnet von Hütter, dem Chaospressing-Trainer schlechthin (das ist übrigens keinesfalls abwertend gemeint), zum Prototyp des Salzburger Spielstils auserkoren wurde, sollte daher nicht verwundern.
Alexander Semeliker, abseits.at
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