Transfers erklärt: Darum wechselt Felipe Pires zur Wiener Austria
Bundesliga 28.Juni.2016 Alexander Semeliker 0
Während die Konkurrenz bereits einige interessante Transfers tätigte hielt sich die Wiener Austria bis jetzt eher zurück. Vergangene Woche präsentierte man jedoch gleich zwei neue Spieler: Petar Filipovic und Felipe Pires. abseits.at beleuchtet die möglichen Hintergründe dieser Transfers. In diesem Artikel sehen wir uns den Wechsel von Pires genauer an.
Ebenso wie Filipovic kennt auch Pires bereits den österreichischen Fußball, denn 2014/2015 schoss er im Herbst zunächst für den FC Liefering Tore am Fließband und bekam im Frühjahr dann regelmäßige Einsätze bei Red Bull Salzburg. Eines seiner beiden Tore für die Mozartstädter erzielte er pikanterweise im Cupfinale 2015 gegen seinen neuen Arbeitgeber.
Keine Gute Zeit in Frankfurt
Im vergangenen Sommer unterschieb Pires schließlich in Hoffenheim einen langfristigen Vertrag bis 2020, wurde aber umgehend an den FSV Frankfurt ausgeliehen. Für den Abstiegskandidat aus Hessen schien das ein sensationell guter Transfer zu sein, doch der Brasilianer konnte rückwirkend betrachtet die in ihn gesetzten Erwartungen nicht mal ansatzweise erfüllt. Im Herbst war er zwar noch Stammkraft, seine magere Ausbeute und wechselhaften Leistungen sorgten aber dafür, dass er im Frühjahr nur mehr sporadisch zum Einsatz kam. Die magere Bilanz beim Zweitliga-Absteiger: ein Tor, zwei Assists. Gerade deshalb hinterfragt man diesen Transfer im violetten Fanlager.
Das schwere Gorgon-Erbe
Für Thorsten Fink ist Pires hingegen ebenso wie Filipovic ein Wunschspieler und könnte Alexander Gorgon ersetzen. Erneut eine große Last, die dem 21-Jährigen aufgebürdet wird. Einerseits aufgrund des Standings im Verein, das sich Gorgon im Laufe der Zeit aufgebaut hat; andererseits aufgrund seiner Leistungen und Fähigkeiten auf dem Platz. Dass mit ihm 27 Torbeteiligungen aus der vergangenen Saisonen aus dem Kader fallen, ist hierbei noch das geringste Problem, da der 27-Jährige viele Tore per Elfmeter bzw. Freistoß erzielte.
Schwerwiegender ist Gorgons Abgang aufgrund seiner Vielseitigkeit – individuell und taktisch. Er bekleidete nominell in den letzten Jahren zwar zumeist die Position am rechten Flügel, nahm aber unterschiedliche Rollen ein. Unter Peter Stöger wurde er oft als Unterstützer im Kombinationsspiel eingebunden, während Tomas Jun links sehr tororientiert agiert. Unter Nenad Bjelica und vor allem Gerald Baumgartner bzw. Andreas Ogris lag sein Schwerpunkt weiter vorne. Phasenweise wurde er sogar als Stürmer eingesetzt. In der letzten Saison schien Gorgon nochmal einen Entwicklungssprung gemacht zu haben. Er vereinte die erwähnten Aufgaben mehr oder weniger, war gewissermaßen ein Balancespieler am Flügel.
Es waren keine überaus spektakulären Aktionen, die ihm zu einem derart wichtigen, um nicht zu sagen unersetzbaren Baustein machten. Bewegungen in die Mitte oder diagonal nach vorne bzw. hinten, die den Raum für seinen Hintermann öffnete. Ein kurzes Zeitfenster für einen Vertikalpass, das er durch schnelles Loslösen von seinem Gegenspieler bereitstellte. Ein paar Schritte nach hinten oder aus dem gegnerischen Deckungsschatten heraus, um auch in einer Drucksituation anspielbar zu sein. Und nicht zuletzt seine außerordentlich guten Läufe aus dem Rückraum in die Gefahrenzone, die in zahlreichen Tormöglichkeiten mündeten.
Mit all seinen Bewegungen und Aktionen sorgte Gorgon dafür, dass die mannschaftstaktische Struktur gehalten oder besser wurde. Gerade im monotonen und risikoarmen Ballbesitzspiel, das die Veilchen unter Fink meistens zeigten, waren das belebende Elemente, die für Dynamik und Zug zum Tor sorgten. Neben seiner hohen Einsatzbereitschaft brachte er zudem ein breites individuelles Fähigkeitsprofil mit: gute Technik, gute Athletik, gutes Zweikampfverhalten.
Mehr Geschwindigkeit und Athletik
Das Loch, das für Pires hinterlassen wird, ist also extrem groß und wird von ihm alleine wohl nicht gefüllt werden können. Es ist durchaus möglich, dass Fink die Spielweise anpassen wird und seinem Rechtsaußen weniger und den anderen Spielern neue Aufgaben zulassen kommen wird. In einzelnen Punkten bringt Pires nämlich ohne Weiteres das Potenzial mit, Gorgon nicht nur kurzfristig zu ersetzen sondern seinem Team sogar mehr Möglichkeiten anzubieten.
Ein markanter Punkt ist dabei die Athletik, von der bereits Ralf Rangnick enorm begeistert war. Mit seiner Antrittsstärke war Pires weder in der Sky Go Erste Liga noch in der Bundesliga zu halten. Gerade in einem umschaltfokussierten Team ist das ein sehr entscheidender Faktor. Pires bewegte sich zudem nicht nur eindimensional und eigensinnig in Richtung Tor, sondern öffnete durch Läufe in die Breite auch Räume für nachstoßende Mitspieler.
Noch höherer Fokus auf lange Bälle?
Nun ist nicht davon auszugehen, dass die Austria unter Trainer Fink den hohen Ballbesitzfokus fallen lässt. Pires könnte daher öfter in die Situation kommen, dass der Gegner geschlossen tief steht und das Spiel sehr statisch ist. Hier könnte das Profil des Brasilianers durchaus zum Problem werden. Im Gegensatz zu seinem Landsmann und jetzt wieder Teamkollegen Lucas Venuto ist er nämlich kein kleinräumiger Dribbler, der oft mit Einzelaktionen durchbricht. Technisch und individuell sind Pires‘ Aktionen zwar hochspektakulär, gruppentaktisch sind sie allerdings selten effizient.
Dass Fink Pires trotzdem als Wunschspieler bezeichnete, ist deshalb interessant. Einerseits kann dies so gedeutet werden, dass Pires gemeinsam mit den ebenfalls sehr wendigen und schnellen Venuto und Larry Kayode im letzten Drittel für viel Dynamik und Unordnung beim Gegner sorgen könnten. Um dies auch ausnutzen zu können, müssen die Bewegungen jedoch aufeinander abgestimmt sein. Gerade weil man mit Gorgon ein Spieler verliert, der das Kombinationsspiel (mit-)strukturierte wird das eine große Aufgabe.
Angesichts der letzten Saison ist es auch möglich, dass die Austria mit diesem Transfer noch mehr Durchschlagskraft des Plan B wittert. Funktionierte das Herausspielen nämlich nicht, griffen die Veilchen oft zu langen Bällen in den Lauf der Offensivspieler. Obwohl dies im modernen Fußball ein eher verpöntes Mittel ist, funktionierte es vergleichsweise gut. Mit dem neuen Personal könnte diese Variante intensiviert werden. Pires bringt einerseits eine enorme Athletik und Geschwindigkeit mit um seinen Gegenspieler auf und davon zu laufen, ist zudem überaus kompetent im Gegenpressing. Andererseits holte man mit Filipovic einen Abwehrspieler, zu dessen Markenzeichen eben jene vertikalen Pässe gehören.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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