Österreich hat nach dem Auswärtsspiel in Serbien nun auch das Heimspiel gegen Irland verloren und steht zurzeit mit vier Punkten in der Tabelle auf... Kommentar: Wie kommt das ÖFB-Team aus der Krise?

_Österreich FansÖsterreich hat nach dem Auswärtsspiel in Serbien nun auch das Heimspiel gegen Irland verloren und steht zurzeit mit vier Punkten in der Tabelle auf dem vierten Rang mit sechs Zählern Rückstand auf Gruppenersten Irland. Schon nach der EM wurde von einer kleinen Krise im Nationalteam geredet, diese kleine Krise hat nun definitiv Bestand und gefährdet die Qualifikation in einer sehr ausgeglichenen Gruppe. Warum das so sein könnte, was man dagegen tun kann und einige andere Ideen haben wir in diesem Kommentarartikel für euch zusammengefasst.

Vorab sei gesagt:

In diesem Artikel geht es nicht um die einzelnen Spiele, was falsch gemacht wurde oder „wer schuld war“, wobei der Fokus auf individuelle Fehler sowieso ein Denkfehler ist. Hier geht es vielmehr um Überlegungen, was man im Verband und Trainerteam prinzipiell besser machen könnte, um die Nationalmannschaft aus dieser kleinen Krise zu befreien. Der Autor dieses Artikels möchte auch noch klar stellen, dass ihm die Schwierigkeiten und die Herausforderungen eines Nationaltrainers durchaus bewusst sind und dieser Artikel nicht anmaßend, sondern einfach Meinungen und Ideen wiedergeben soll.

Eine zusätzliche Meinung wird benötigt

Koller und sein Trainerteam analysieren die eigenen Spiele und die des Gegners gemeinsam. Zwar gibt es einen Videoanalysten, dieser hat jedoch keine wirkliche Beratungsfunktion inne. So eine Rolle könnte jedoch vonnöten sein beim ÖFB. Zum wiederholten Male griffen die Trainer nun in Sachen Taktik entweder daneben oder konnten den vorgenommenen Spielplan nicht in gewünschtem Maße ausführen. Der Autor möchte Koller und seinem Trainerteam nicht einmal fehlende Kompetenz vorwerfen, vielmehr geht es um die Wichtigkeit einer beratenden Meinung eines Spielanalysten, der beim ÖFB direkt oder als Freelancer angestellt wäre.

Innovatoren, egal in welchem Feld, kommen nicht selten auch von „außen“, mit Ideen die nicht der Norm entsprechen. Deswegen sucht man auch immer wieder die Perspektive von jüngeren Personen, Jugend wird oft mit Innovation verbunden. Da Leute mit weniger Verbundenheit zum Thema, also unerfahren versus erfahren quasi, nicht in einem festen Denkschema feststecken wie Personen die in einem Feld schon Jahre bis Jahrzehnte verbringen, erkennen diese jungen, unerfahreneren bisher unbeachtete Dinge aufgrund ihrer anderen Perspektive.

Das Sprichwort „man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr“ kann man hier als Beispiel nehmen. Koller und sein Trainerteam haben, höchstwahrscheinlich, ähnliche Vorstellungen davon wie der ÖFB Fußball zu spielen hat. Dies lässt zu, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu ähnlichen Schlüssen nach Spielanalysen kommen, sich erhöht. Ein beratender Analyst, der kein komplett fremder, aber eben auch kein Teil des Trainerteams ist, könnte ebenfalls Spiele analysieren und seine Vorschläge und Erkenntnisse dem Trainerteam kommunizieren, ohne dass diese sie annehmen muss. Dies soll die Perspektive von Koller und Co. erweitern, denn auch sie können nicht alles sehen und registrieren.

Die österreichische Mentalität muss sich ändern

Eines der größten Hindernisse und gleichzeitig eines der am schwierigsten zu korrigierenden ist die österreichische Mentalität im Fußball. Es ist jedem hinlänglich bekannt, dass wir zu oft zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt keinen Mittelweg finden. Dies wird schon seit langem kritisiert, dennoch verfallen wir immer wieder in dieses Schema. Auch die Medien haben daran einen Anteil, die oftmals unreflektiert und ohne großen Fußballverstand Dinge beurteilen, von denen sie nur wenig bis keine Ahnung haben.

So wurde Koller bis vor wenigen Monaten noch in den österreichischen Fußball-Olymp gelobt, während jetzt die kritischen Stimmen ob jeder kleinsten Entscheidung immer lauter (und unreflektierter) werden. Statt konstruktiver Kritik und positivem Umgang mit Niederlagen gibt es das österreichische „Na super, immer des gleiche!“. Diese Mentalität ist natürlich auch in den Spielern implantiert, sie sind sie ja alle auch mit jener aufgewachsen.

Dass die Umkehr dieser Mentalität natürlich ein riesengroßer Akt ist steht außer Frage, dennoch ist vor allem eine Frage des Bewusstseins. Wie man im Stadion auf Rückschläge jeglicher Art reagiert, wie man in den Medien damit umgeht und wie Verantwortliche damit umgehen, haben dann nicht nur maßgeblichen Einfluss mittel- und langfristig auf die neuen Generationen, sondern auch kurzfristig aufgrund von emotionalen Synergien, die dabei entstehen. Wird ausreichender Anstoß gegeben Richtung einer positiven, erfolgsorientierten und konstruktiv kritischen Mentalität  kann sich dies katalysieren und zu einer neuen Identität werden.

Ehrgeiz wird zum treibenden Faktor

Marcel Koller ist ein guter Trainer, das steht außer Frage. Er ist eine besondere Führungspersönlichkeit mit ausreichend taktischen Kenntnissen und hat der Nationalmannschaft neues Leben eingehaucht. Die zu Beginn so starken Effekte seiner Arbeit sind nun jedoch verflogen, und es muss Entwicklung her. Allen voran muss diese bei ihm beginnen, dem Trainer und Hauptverantwortlichen. Der Teamchef muss handeln, muss neue Wege finden. Die richtige Einstellung ist jedoch Grundvoraussetzung für den Erfolg im Finden dieser neuen Wege.

„Das ist eine Herausforderung. Um diese zu bewältigen, muss Ich besser werden.“ Mit dieser Denkweise kann sich Koller, der ein ehrgeiziger Mann zu sein scheint, neu und zusätzlich motivieren, alles zu tun um aus dieser Krise heraus zu kommen. Alleiniger Fokus auf das Resultat kann täuschen, da Siege ebenso glücklich daher kommen wie Niederlagen unglücklich sein können. Ist die Motivation Kollers sich selbst und seine Mannschaft zu verbessern jedoch intrinsisch, wird er alles daran setzen um dies zu bewerkstelligen, und dann früher oder später die passenden Wege finden.

Dieser Ehrgeiz und diese intrinsische Motivation sich um jeden Preis zu verbessern, sich auf den Prozess und nicht auf die Resultate zu konzentrieren, wird sich auch auf die Spieler übertragen. Verbesserte Arbeitsethik, mehr Kreativität beim Suchen von Lösungen würden dann die Folge dieses Mentalitätsumschwunges sein. Als Beispiel möchte der Autor die Diskussion um die Position David Alabas nehmen: Koller und Alaba scheinen beide dafür zu sein, dass der Bayern-Legionär weiterhin im Mittelfeld agiert. Jedoch einer müsste zumindest den Vorschlag gemacht haben, dass Alaba es zumindest einmal probieren würde auf der Linksverteidigerposition zu spielen. Denn wenn das Gewinnen und der Entwicklungsprozess der Mannschaft über persönliche Präferenzen ständen, dann hätte man es zumindest einmal probiert.

Taktische Flexibilität

All die vorher genannten Punkte nähren dann auch das, was dem ÖFB-Team so bitterlich fehlt: Taktische Flexibilität. Der Fokus im Team, von Spielern und Betreuern, muss jener der unermüdlichen Arbeitsethik bezüglich neu zu gewinnender Taktiken sein. Dass im Nationalteam das Einarbeiten von Taktiken aufgrund der geringen Aufenthaltszeit der Spieler und der geringintensiven Trainingseinheiten eine große Herausforderung darstellt ist klar. Vielleicht werden folgende Vorschläge schon realisiert, aber es gibt eine unendliche Auswahl an Möglichkeiten um neue Verhaltensmuster einzustudieren. Der ÖFB hat die Möglichkeiten Amateur-Teams zum Trainingsmatch einzuladen, um zum Beispiel den Aufbau ein ums andere Mal zu üben und vorher erarbeitete Passmuster nachzustellen. Hierbei kann man mit langen Pausen zwischen den Durchgängen agieren und so die ausreichende Regeneration gewährleisten.

Thomas Tuchel hob in einem Interview den Unterschied heraus, dass die Spieler beim BVB deutlich aufnahmefähiger bezüglich expliziter Anweisungen wie zum Beispiel Videos oder taktische Pläne waren als bei Mainz. Das österreichische Nationalteam ist die Ansammlung der wahrscheinlich besten Spieler des Landes, vielleicht unterschätzt man die eigene Aufnahmefähigkeit und könnte durch Videostudium und gemeinsames Erarbeiten in Kleingruppen oder individuellen Gesprächen noch mehr aus den Spielern herausholen.

Bei der taktischen Flexibilität geht es auch nicht unbedingt um das ständige Wechseln von Formationen, sondern vielleicht auch einfach um die Quantität der Anpassungen sowie dem Ausprobieren von anderem Spielermaterial. Der Satz von Josef Hickersberger, dass er nicht „die besten, sondern die richtigen Spieler“ brauche, ist hier ein bemerkenswert passender. Janko mag vielleicht allgemein höher Qualität als Lukas Hinterseer besitzen, dennoch ist Hinterseer in Sachen hohem Pressing unter Hasenhüttl perfekt geschult worden und könnte dem Team andere Impulse geben. Es scheint an Experimentierfreudigkeit zu mangeln. Dass Kontinuität äußerst wichtig ist hat Koller selbst mit Erfolgen bewiesen. Ist man jedoch mal in einer unangenehmen Situation und möchte diese ändern, dann muss man schlicht und einfach Dinge anders machen. Ändert man nichts, so ändert sich nichts.

Fazit

Ein Einbruch musste kommen. Das System, die Spieler, der Trainer scheinen das größtmögliche Potential aus dem bisher Durchgeführten ausgeschöpft zu haben. Nun gilt es einen angepassten Weg einzuschlagen, an dem alle sich beteiligen können und müssen. Dazu gehören Medien und Zuschauer dazu, die Fußballöffentlichkeit hat ja ohne Zweifel Einfluss auf das was auf dem Feld passiert. Das typisch österreichische Raunzen mal bei Seite zu legen und sich voll auf die Aufgabe zu konzentrieren wirkt als die beste Lösung, ansonsten könnte man immer tiefer in den Negativstrudel geraten und viel der erfolgreichen Arbeit wieder zunichtemachen.

David Goigitzer, abseits.at

David Goigitzer

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