In den letzten Tagen gerieten der VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim 1899 massiv in die Kritik, da sie sich die Dienste zweier 13-jähriger Nachwuchsspieler sicherten. Zahlreiche Medien sprachen von dreisten Kindertransfers und auch der DFB verurteilte die beiden Verpflichtungen scharf.
Stuttgart-Manager Fredi Bobic meldete sich gegenüber der deutschen Bild-Zeitung zu Wort und sagte, dass er es nicht nachvollziehen kann, wenn man einen 13-Jährigen aus 600 Kilometer Entfernung verpflichtet. Hannover-Sportdirektor Jörg Schmadtke blies ins gleiche Horn: „Ich bin kein Freund davon, zu junge Menschen aus ihrem sozialen Umfeld zu reißen.“ Wolfsburg-Trainer Felix Magath und Manager Ernst Tanner wiesen wiederum die scharfen Vorwürfe zurück, da diese Praxis national, als auch international gang und gäbe sei.
Der bekannteste Kindertransfer in Deutschland
Es ist tatsächlich so, dass zahlreiche prominente deutsche Bundesligisten ihre Fühler nach jungen Talenten ausstrecken. Der bekannteste und wahrscheinlich auch umstrittenste Kindertransfer in Deutschland fand im Jahr 2008 statt, als der FC Bayern München ein „Wunderkind aus Peru“ verpflichtete. Der damals 13-jährige Pierre Larrauri Corroy zog mit seinem Vater nach Deutschland, bekam aber erstens schon bald Heimweh und war zweitens entgegen den Erwartungen doch zu schwach und trat deshalb schon bald die Heimreise an. Der heute 16-Jährige spielt momentan in der U19-Mannschaft des 15-fachen peruanischen Meisters Club Sporting Cristal und wird zwar vermutlich kein Weltstar, aber vielleicht doch noch Fußballprofi werden.
Kinderarbeit?
Kinderarbeit ist ein ernstes Thema und umso ärgerlicher ist es, wenn dieser Begriff im Zusammenhang mit solchen Transfers verwendet wird – insbesonders wenn sie innerhalb Deutschlands stattfinden. Während weltweit knapp zweihundert Millionen Kinder in der Landwirtschaft, in Steinbrüchen und Werkstätten arbeiten, werden Nico Franke in Hoffenheim und Alexander Laukart in Wolfsburg eine gute Schulausbildung genießen und nebenbei perfekt auf ihren Traumberuf vorbereitet werden. Tanner betont, dass die Spieler bei Heimweh jederzeit aus ihrem Vertrag aussteigen können. Es ist immer wieder zu lesen, dass die Eltern und die Jugendlichen bei Angeboten von Bundeligisten überfordert wären. Die Eltern und insbesondere ihre Schützlinge sind aber bei weitem nicht so unmündig, wie es manche Medien ihren Lesern glaubhaft machen wollen. Man kann im Regelfall mit 13-Jährigen schon sehr gut über die Chancen und Gefahren eines solchen Unterfangens sprechen.
Österreich eine Insel der Seligen?
In einem Standard-Artikel sprach Fußball-Gewerkschafter Rudolf Novotny davon, dass Österreich eine Insel der Seligen sei, was dieses Thema angeht. Vielleicht im Fußballsport, aber wenn man sich aber das Schigymnasium Stams ansieht, dann sieht man, dass auch in Österreich Jugendliche bereit sind, für ihre beruflichen Träume das gewohnte Familienumfeld zu verlassen und von ganz Österreich aus nach Tirol zu ziehen. Auf die Jugendlichen wartet dort ein wahrscheinlich noch höherer Leistungsdruck als in den meisten Fußballakademien, da die Anforderungen in Stams extrem hoch sind. Ein Leser schrieb unter dem Standard-Artikel einen Kommentar, in dem er richtig feststellte, dass sich auch außerhalb des Profisports Beispiele finden lassen: Die Wiener Sängerknaben verkünden auf ihrer Homepage:
„Im Chor der Wiener Sängerknaben singen Kinder aus vielen Ländern. Die meisten Knaben sind aus Österreich; andere kamen und kommen aus Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Irland, Kroatien, Luxemburg, Polen, Russland, der Schweiz, aus Serbien, der Slowakei, aus Tschechien und aus Ungarn. Wieder andere kommen aus Japan, Kanada, Korea oder den Vereinigten Staaten. Der Sängerknabe mit dem weitesten Heimweg kommt derzeit aus Brisbane, Queensland, Australien. Die Internationalität hat historische Wurzeln: Schon im 15. und 16. Jahrhundert kamen Kinder aus den Niederlanden, aus Frankreich oder Italien zum Singen an den Wiener Hof.“
Diese Kinder sind alle zwischen neun und vierzehn Jahre alt.
Dubiose Spielermanager – das ist ein anderes Thema
Im Zuge des Abseits-Artikels über Bassirou Dembélé, kamen wir auf dubiose Spielermanager zu sprechen, die oftmals ihre Schützlinge aus Afrika nach Europa schleusen und dann die Reisepässe wegnehmen, bis sie einen Profit aus ihrem Klienten geschlagen haben. Sollte der Spieler beim Probetraining nicht überzeugen ist oft nicht einmal das Flugticket retour drinnen. In diesen Fällen ist es glasklar, dass die FIFA Sanktionen setzen und notfalls auch die Vereine bestrafen muss, die mit diesen Agenten zusammenarbeiten. Diese Fälle betreffen jedoch zumeist nicht Kinder oder Jugendliche, sondern junge Erwachsene.
Diese Beispiele haben allerdings nicht das Geringste mit den Transfers von Nico Franke und Alexander Laukart gemein. Die beiden Talente werden zwar in ein fremdes Umfeld kommen, dort aber bestmöglich betreut werden und eventuell in einigen Jahren das 50-fache von Otto Normalverbraucher verdienen und nebenbei ihren Traumjob ausüben. Sollten das Heimweh zu groß werden, dann kehren sie ohnehin nach Hause zurück. Sollten sie nach Ende der Ausbildung fußballerisch doch kein Bundesliga-Niveau haben, dann haben sie immerhin eine gute Schulausbildung genossen. Die Stams-Absolventen, die anschließend nicht vom Spitzensport leben können, verfügen über überdurchschnittlich hohe Karrierechancen, da sie im Schnitt reifer und zielorientierter als ihre Altersgenossen sind. Der Psychologe Christoph Müller, der ebenfalls in Stams zur Schule ging, sagte gegenübet der FAZ: „Ohne Stams wäre ich zurückhaltend, sensibel und ein Hosenscheißer. Mit der Ausbildung in Stams bin ich zurückhaltend, sensibel und ein Hosenscheißer – aber auf anderem Niveau. Ich habe hier gelernt, meine eigenen Grenzen zu verschieben.“
Stefan Karger, www.abseits.at
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Stefan Karger
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