Wer kennt sie nicht, die Messis, Schweinsteigers, Iniestas oder Ronaldos? Die besten Kicker der Welt weisen in Umfragen höhere Bekanntheitswerte als führende Politiker auf.... Kommentar „abseitsverdächtig“ | Die Doppelagenten in neuer Funktion

Wer kennt sie nicht, die Messis, Schweinsteigers, Iniestas oder Ronaldos? Die besten Kicker der Welt weisen in Umfragen höhere Bekanntheitswerte als führende Politiker auf. Warum das so ist? An den zweifellos beeindruckenden Leistungen der Spieler liegt es nicht alleine.

Der Werbewahnsinn

Heutzutage ist ein Weltklasseakteur nicht einfach nur ein Sportler. Natürlich, sein täglich Brot liegt am Trainingsplatz, sein primärer Arbeitgeber ist sein Klub. Doch wer glaubt, Spieler trainieren, regenerieren, bestreiten Matches und fahren wieder nach Hause, irrt gewaltig. Fußball ist längst nicht mehr ein Spiel mit 22 Teilnehmern, die versuchen, Tore zu schießen bzw. zu verhindern. Sponsoren, Broadcaster, Partner, Fernsehsender, Gönner, Mäzene, Fans – die Liste der involvierten Darsteller im immer skurriler werdenden Theaterstück namens „Fußball“ – sie wird immer länger. Lionel Messi versucht uns derzeit aktuell im Fernsehen vom Pay-TV-Sender sky zu überzeugen – der kleine Argentinier wird natürlich auf Deutsch synchronisiert. Doch selbst wenn der beste Spieler auf diesem Planeten der deutschen Sprache mächtig wäre, würde nicht Lionel Messi mit den Zusehern vor den Bildschirmen sprechen. Im Wahnsinn der Werbeindustrie werden künstliche Figuren erschaffen. Der Superstar, der sich nur mit dem Shampoo XY wäscht, der Nationalheld, dessen Kehle nur Bier der Brauerei X hinunterfließt, der Kicker, der nur das Ketchup der Firma YZ zu seinen Pommes Frites genießt.

Luftschlösser, wohin man sieht

Dabei, dachte man immer, müssen sich Profisportler, die ernsthaft etwas erreichen möchten, doch gesund ernähren – und dann sieht man die großen Vorbilder der Nachwuchskicker in Minutenabständen bei diversen Fernsehsendern Bier trinken, und Fast Food & Süßigkeiten mampfen. Dass Kinder ihren großen Idolen gerne nacheifern, ist dabei nichts Neues. Umso schwerer wiegt es, wenn in einer Gesellschaft, in der Übergewicht vor allem bei Kindern und Jugendlichen zum immer größeren Problem wird, Ikonen Dinge dieser Art bewerben. Doch nicht nur die internationalen Superstars – man erinnere sich nur an David Beckhams Pepsi-Spots in den USA – lassen sich fürstlich dafür entlohnen, gesundheitsschädigende Produkte zu bewerben. Auch wenn die rot-weiß-roten Kicker in ihrem eigentlichen Betätigungsfeld der internationalen Klasse noch sehr weit hinterher hinken – im Werbegeschäft sind auch sie dick drin. Und auch hierzulande achtet man nicht darauf, welche adipositasfördernden Produkte mithilfe prominenter Kicker als Starkmacher präsentiert werden. Es werden Luftschlösser gebaut – mit Nutella wirst du zum Nationalspieler, mit Pepsi schießt du Freistöße wie David Beckham, mit Red Bull bist du sowieso unsterblich.

Der Nutella-Fluch

So warben in Deutschland Arne Friedrich, Marcell Jansen, Kevin Kuranyi und Tim Borowski für den Süßwarenhersteller Ferrero – genauer gesagt für den süßen Aufstrich „Nutella“. Vier Nationalspieler, deren Trikots landesweit von Kindern und Jugendlichen gekauft und getragen wurden, warben also für ein Produkt, das auf der Liste der dickmachenden Nahrungsmittel ganz oben zu finden ist. Kurz darauf gerieten die Laufbahnen der (angeblichen) Schoko-Liebhaber ausnahmslos ins Stocken. Nachdem auch die später folgenden Nutella-Testimonials einen Karriereknick nach dem fiktiven Frühstück erlitten, sprachen deutsche Medien vom „Nutella-Fluch“. Neben den bereits angesprochenen Spielern standen Andreas Hinkel, Tobias Weis und Jermaine Jones auf der Liste der Spieler, die zwar zu aufstrebenden Schauspielern, aber leider auch mäßig erfolgreichen Kickern mutiert sind. In Österreich liest sich die Bilanz nicht ganz so schlimm: Ivica Vastic beendete kurz nach seinem Auftritt am Frühstückstisch seine Karriere, Marc Janko verkraftete die „Doppelbelastung“ gut. Andere wie Knasmüllner oder Andi Dober konzentrierten sich möglicherweise etwas zu sehr auf Gestik und Mimik und verloren ihre wahre Berufung etwas aus den Augen. Der „Nutella-Fluch“ mag eine von Medien vom Zufall zum Mysterium gepushten Erfindung sein, in seiner Kernaussage spricht er aber einen wichtigen Aspekt des modernen Geschäfts Fußball an. Die Superstars werden immer jünger, die Spieler immer besser, die Begeisterung immer größer. Dass allein der sportliche Aufstieg schwer genug zu verkraften ist, zeigten bereits viele große Talente, die nach hoffnungsvollen Anfängen tief fielen. Im komplexen Prozess der Reifung vom Jungstar zum gestandenen Spieler, der ohnehin schwer genug zu bewältigen ist, stellen derartige Ablenkungen unnötige Stolpersteine dar. Ein junger Spieler soll sich auf das Wesentliche, seinen Job, konzentrieren (können) und nicht von einem Frühstückstisch aus Kindern und Jugendlichen vorgaukeln, dass man immer direkt ins Kreuzeck trifft, wenn man nur genug Nutella in sich hineinstopft. Im schlechtesten Fall gibt es dabei nur Verlierer. Der werbende Youngster verliert den Fokus auf seine Ziele, Kinder und Jugendliche werden immer dicker und fallen irgendwann der gesamten Gesellschaft zur Last. Ob Süßigkeiten wie Nutella, Softdrinks oder Burger beworben werden, spielt dabei keine Rolle.

Prominente „Kollegen“

Dabei ist dies kein Problem, das explizit dem Fußball zuzuschreiben ist. In Österreich sind die Skispringer Thomas Morgenstern und Gregor Schlierenzauer das Aushängeschild von Red Bull, Andreas Kofler wirbt für die allseits beliebten Mannerschnitten. Fast schon surreal mutet es an, wenn das Leichtgewicht Kofler herzhaft und genüsslich in die Schnitten beißt und uns erklärt, dass der Aufriss „immer funktioniert“, bevor er, um Haaresbreite die Body-Mass-Index-Grenze der FIS überschreitend, mit seinen langen Latten auf Weitenjagd geht. Doch der Umstand, dass auch Vertreter anderer Sportarten Werbung dieser Art betreiben, ist keinerlei Entschuldigung für die Kicker. Ganz im Gegenteil: Es wäre eine Chance, mit gutem Beispiel voran zu gehen.

Archimedes, abseits.at

Archimedes

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