Dem SK Rapid droht am kommenden Samstag der mögliche Absturz auf den –schlimmstmöglich – achten Tabellenplatz. Das wäre die schwarzmalerische Herangehensweise. Die schier unglaubliche Seuchensaison des Rekordmeisters ist hausgemacht und ein einzelner Schuldiger ist nicht auszumachen. Alle tragen bzw. trugen ihren Teil dazu bei.
„Der Abstieg ist denkunmöglich“, hatte Rapid-Präsident Michael Krammer in einem Interview mit dem Kurier verlautbart. Eh klar – bevor das passiert zieht die Bundesliga die Ligaaufstockung auf zwölf Teams um ein Jahr vor. So witzelte man bereits im Frühling 2002, in dem Rapid nie besser als Siebenter war und die Saison auf Platz acht beendete.
Bei allen Marketing-Finessen, Infrastrukturverbesserungen, Kapitalerhöhungen und Zukunftsideen: Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Und wenn wir die Adamskis, Markus Hidens und Wallners von damals mit den Pavelics, Schaubs und Traustasons von heute vergleichen, fällt doch gleich auf: Die beiden Rapid-Mannschaften der letzten 25 Jahre, die den Zuschauer am meisten enttäuschten, haben nicht viel gemein.
Nach dem Abgang von Dejan Savicevic und aufgrund der fürchterlichen Form von René Wagner ruhte vieles auf den Schultern von Roman Wallner, der immerhin auf 18 Pflichtspieltore kam. Das waren damals 37,5% aller Rapid-Tore. Heute verfügt Rapid über eine Mannschaft, in der sich eine hohe Leistungsdichte einstellt. Der Kader ist groß, (fast) jedes der 30 Mitglieder kann mehr als ausreichend mit dem Ball umgehen. Mehrere Spieler bewiesen auch schon in Europa und im Nationalteam, dass sie mit dem Ball auf Du sind. Was läuft da also falsch?
Manchmal liegt die Wahrheit nicht exakt auf dem Platz, sondern schlummert tief drin, im Kopf der Spieler. Wenn Krammer den Abstieg für denkunmöglich hält, ist das nicht verwunderlich. Der Rapid-Boss ist ein Leader-Typ. Einer, der gewinnen muss. Einer, mit dem man sicherheitshalber wohl nicht mal UNO spielen sollte. Auf „seine“ Spieler trifft das aber weiterhin nicht zu. Kaum einer ruft tatsächlich die höchstmögliche Intensität ab. Was auch mit den Einflüssen des letzten Jahres zu tun hat – und für die die Vereinsführung weitgehend mitverantwortlich ist.
Da war zuerst Wohlfühloase Zoki. Es waren „seine Buam“, die er auf den Platz schickte und über die er nichts kommen ließ. Klar forderte auch Barisic seine Spieler und hinter den Kulissen ging es nicht immer kuschelig zu. Am Ende gab es durch eine klare Spielphilosophie – auch wenn sie so gar nicht zu Rapid passte – immer wieder Erfolge und dadurch gute Stimmung. Gleichzeitig brodelte es im weiten Umfeld, weil die Titel ausblieben und die Spielweise nach und nach ausgelutscht und nicht mehr schön anzusehen war.
Es folgte Büskens. Der Malocher. Der harte Knochen, wie ein Handlanger aus „Goodfellas“. Auf der Woge der ersten Wochen schwamm er stoisch mit, aber nachdem er auch im Rückspiel gegen Trencin (nach einem 4:0-Auswärtssieg im Hinspiel, Anm.) nicht rotierte und somit endgültig den performativen Gegenentwurf zu Barisic verkörperte, stiegen Erschöpfungsrate, Unsicherheit – und schließlich auch Misserfolge. Die Kehrtwende hatte begonnen, Büskens wirkte schnell hilf- und ratlos. Ebenso schnell wurde in dieser Situation klar, dass der Ur-Schalker kein potentieller Marketingleiter für den psychosozialen Notdienst ist.
Und schließlich (auch noch) Canadi. Nach außen hin gefasst, vor Fernsehmikros am fast schon notwendigen Phrasendreschen. Innen aber mit dem transdanubischen Pacult-Gen ausgestattet und weit weg von „Zokis Oase“, die sie alle so geliebt haben. Plötzlich ist man Sechster und das Kicken nicht mehr an jedem Tag ein Traumberuf, sondern bitterer Ernst. Das Damoklesschwert des großen Crashs in Grün-Weiß hängt stets über Rapids Riesenkader. Noch dazu muss man jetzt den Cup gewinnen, den Rapid in etwa so lieb hat wie Skorbut.
Sonntagnachmittag in Graz. Rapid verliert aufgrund eines fragwürdigen Elfers und eines Tausendguldenschusses aus Giovanni van Bronckhorsts feuchten Träumen. Als bessere Mannschaft. In einem schlechten Spiel. Danach gab’s wieder Schönfärberei, einen schwärmenden Franco Foda, wie hoch doch das (eigentlich überschaubare) Niveau war, einen fassungslosen Damir Canadi, der sich auf Statistiken berief (die er eigentlich so gar nicht mag). Rapids Spieler hadern mit der Niederlage, glauben aber alles reingeworfen zu haben, was möglich war.
Und schließlich sind wir beim Problem angekommen. Es geht nämlich immer mehr. Wenn man mehrmals hintereinander als bessere Mannschaft nicht gewinnt, dann muss man als Mannschaft eben noch besser sein und noch mehr reinhauen. Louis Schaub kann eben noch den einen Meter mehr laufen und Lykogiannis‘ Laufweg vor dem 0:2 blocken. Mario Pavelic kann eben noch den einen schnelleren Schritt machen und den Ausgleich zum 2:2 und damit sein Glück erzwingen. So viele andere können dieses kleine bisschen konzentrierter sein und damit ihre viel zu zahlreichen Fehler in den Basics hinfortzwingen.
Klar ist das auch der aktuellen Unsicherheit geschuldet, aber genau diese hochveranlagten Spieler können das „Eutzerl“ mehr, das momentan fehlt. Das ist womöglich der große Unterschied zur Saison 2001/02, als einfach qualitativ nicht mehr drin war. Das liegt nicht am System, nicht an der Spielausrichtung und gerade in der österreichischen Bundesliga nur bedingt am Gegner. Das liegt an jedem Einzelnen, der am Platz den Karren aus dem Dreck ziehen muss. Und auch wenn die Canadi-Elf plötzlich 120 Kilometer statt 103 Kilometer läuft – auf die letzten Meter kommt’s immer an. Dass man etwa mit dem äußersten Biss im Pressing und den kleinen, aber schmerzenden Schritten durchaus zwingend werden und Chancen von höherer Qualität bekommen kann, zeigte die Schlussphase in Graz.
Wohlfühloase spielt’s nur, wenn man vorne drin steht, nicht wenn man hinten drin sitzt. Darüber hätten sich die Spieler auch schon unter Büskens ins Klare kommen können. Maierhofer, Höller und Co. haben jetzt schon Schaum vorm Mund, wenn sie auch nur an die Möglichkeit denken, gegen Rapid überzeugen zu können. Bei all den guten kämpferischen Leistungen der letzten Wochen: Tollwütig wirkte kaum ein Rapidler. Aber erst wenn die dauernde Bereitschaft für diese letzten, schmerzhaften, letztlich entscheidenden Schritte gegeben ist, wird Rapid wieder gewinnen. Und nicht zu wenig, denn an den Möglichkeiten der Akteure hapert’s mit Sicherheit nicht.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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