Anekdote zum Sonntag (78) – Warum Herbert Prohaska kein Rapidler geworden ist?
Sonstiges 28.Mai.2017 Marie Samstag 0
Herbert Prohaskas zweite Klubstation nach Vorwärt XI war Ostbahn XI. Dort trainierte Rudolf „Cäsar“ Sabetzer die Kampfmannschaft. Mehrmals überwarf sich Prohaska mit dem als Quäler verschrienen Coach. Sabetzer sprach intern jedoch nur in höchsten Tönen von diesem Talent der Sonderklasse und lockte so zahlreiche Vereinsverantwortliche an die Simmeringer Trainingsplätze. Innsbruck, Austria, Rapid und Salzburg streckten die Fühler nach dem quirligen Mittelfeldakteur aus.
Für Prohaska, der damals zarte 16 Lenze zählte, kam es nicht in Frage nach Westösterreich umzuziehen. Er hatte in Wien schließlich nicht nur seine Automechanikerlehre begonnen, sondern wollte auch auf seinen langjährigen Freundeskreis in der Hasenleiten nicht verzichten. Den Eltern Prohaska war ebenfalls nicht gerade wohl bei dem Gedanken ihr einziges Kind so weit weg zu wissen. Der größte Faktor, der den späteren Italien-Legionär in Wien hielt, war aber die Beziehung zu seiner damaligen Freundin und heutigen Frau. Für Salzburg oder Innsbruck aufzulaufen, stand für Herbert also von Anfang an nicht wirklich zur Debatte.
Rapid-Präsident Draxler und Trainer Hlozek unterbreiteten dem Jungstar ein Vertragsangebot. Sie lotsten den Lehrling in eine Simmeringer Konditorei, doch die Verhandlungen gerieten zur Farce. Ernst Hlozek, der später beim Jahrhundertrapidler und Prohaska-Pendant alles richtig machte, indem er ihn vom WAC zurück nach Hütteldorf holte, machte bei Schneckerl so ziemlich alles falsch, was man nur falsch machen kann: Er sprach den Spieler anfangs mehrmals mit „Pauli“ an und offenbarte so, dass er sich auf das Treffen mit dem lokalen Wunderkind nicht wirklich vorbereitet hatte. Draxler und Hlozek modifizierten das Verhörkonzept „Good Cop – Bad Cop“ in einen Einsatz von Dumm-Dumm-Geschossen, indem sie einen Blödsinn nach dem anderen in Worte kleideten und diese auf das spindeldürre Bürscherl niederregnen ließen.
So knallten sie dem Buben im Blaumann Folgendes vor den Latz: „Wir verkaufen den Flögel und du wirst sein Nachfolger!“ Flögel war damals nicht nur bei Rapid sondern auch in der Nationalmannschaft fixgesetzt und eine Koryphäe. Klar, dass ein 16-jähriger ohne Bundesligaerfahrung baff war zu hören, dass er diesen Star von jetzt auf gleich ersetzen sollte. Detail am Rande: Hlozek servierte Flögel kurz darauf tatsächlich auf nicht gerade feine Art ab. Rapid sollte in Folge 14 Jahre ohne Meistertitel bleiben. Prohaska blieb der Mund offen stehen. Die beiden Grün-Weißen überrissen jedoch nicht, dass sie einen unbedarften Jugendlichen vor sich sitzen hatten und gaben weiter Vollgas (in die falsche Richtung). „Rapid zahlt dir keinen Schilling mehr als die Austria!“, musste sich der Offensivspieler anhören, nachdem ihm die beiden Herren zu verstehen gaben, sie wissen von dem Interesse aus Favoriten.
Die ultimative Kränkung folgte jedoch am Ende des Gespräches: Draxler bedankte sich für die Zeit und meinte salopp, wenn Prohaska Lust hätte für Rapid aufzulaufen, solle er doch einfach auf der Pfarrwiese vorbeischauen und Bescheid geben. Bumm! Diese konfuse Mischung aus Unprofessionalität und falscher Einschätzung saß. Spätestens beim Abschied war Herbert klar, dass er das grüne-weiße Trikot in nächster Zeit nicht überstreifen würde. Dabei hatte er sich anfangs viel von dem Gespräch erwartet: Er, der wie sein Vater der abstiegsgebeutelten Vienna die Daumen drückte, hegte durchaus Sympathien für die Hütteldorfer. Die halbe Stunde mit den beiden Verantwortlichen zwischen Pariser Spitz und kleinem Braunen machten jedoch alle Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit zunichte.
Rapids Stadtrivale stellte sich deutlich besser an: Klubsekretär Norbert Lopper und Trainer Stotz sondierten die Lage vorsichtig in Schneckerls Lehrwerkstätte. Die anschließenden Zusammentreffen verliefen positiv. Mit Bedenkovits und Krieger kannte Prohaska schon zwei Kicker der aktuellen Veilchen-Kampfmannschaft und freute sich darauf an der Seite bekannter Gesichter seine Profilaufbahn zu beginnen. Nach einem halben Jahr Leihe zahlte die Austria für ihren späteren Jahrhundertspieler 500.000 Schilling Ablöse, die Ostbahn XI sogleich in die Modernisierung ihrer Duschen steckte. Später schnitten die Simmeringer sogar bei Prohaskas Transfer nach Italien mit: Mit den Millionen wurden Tennisplätze finanziert, von deren Betrieb der Verein heute noch lebt. Ende gut, alles gut.
Marie Samstag, abseits.at
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