Kommentar: Rapids unnötiges Stürmerproblem und die Chance dahinter
BundesligaKommentar 28.Juli.2017 Daniel Mandl 1
Rapid trifft am Samstag auf den SKN St.Pölten und steht vor einem Stürmerproblem. Joelinton ist gesperrt, darf zum Glück für die Grün-Weißen im Derby wieder mitmischen. Kvilitaia ist weiterhin im Aufbautraining – bleiben also noch Sobczyk und der bereits mehr oder weniger ausgemusterte Prosenik.
Goran Djuricin betonte bereits, dass Alex Sobczyk den Leih-Rückkehrer Philipp Prosenik im Zuge der Vorbereitung „überholt“ hat. Dennoch dürfte gegen St.Pölten der 24-Jährige beginnen, der bisher in 54 Pflichtspielen für Rapid neun Tore erzielte. Die größere Erfahrung wird als Argument genannt, Prosenik solle sich noch einmal beweisen – eine insgesamt seltsame Optik.
Setzen aufs falsche Pferd
Vor allem deshalb, weil die Verpflichtung eines neuen Angreifers vom Verbleib Proseniks bei Rapid abhängen dürfte. Die Vorgaben aus dem Rapid-Präsidium sind dahingehend klar, Fredy Bickel sind die Hände gebunden. Dabei bräuchte Rapid noch mindestens (!) einen neuen Offensivspieler, der den Einheitsbrei ein bisschen würziger machen könnte.
Erwachsenenfußball ist etwas anderes
Wenn man jetzt mit Prosenik die am wenigsten nachhaltige Lösung stärkt, könnte das auf längere Sicht zum Problem werden. Selbst wenn der Brecherstürmer gegen St.Pölten trifft, wäre das nur als Strohfeuer zu werten. Er hat schlichtweg nicht die Qualität, um Rapid helfen zu können. Viele Leute fragen mich, wieso er dann im Nachwuchs von Chelsea und Milan spielte. Das lag daran, dass Prosenik in jungen Jahren seinen Gegnern physisch häufig überlegen war. Je mehr er aber in den Erwachsenenfußball hineinwuchs, desto deutlicher wurde, dass der Sohn des einstigen Nationalspielers Christian Prosenik nur biederer Durchschnitt ist.
Kein fertiger Stürmer
Auch heute hat Prosenik noch körperliche Vorteile, allerdings mangelt es ihm an Spielverständnis und an gezielter Zweikampfführung. Man hat oft den Eindruck, dass er den Zweikampf nur um des Zweikampfes Willen sucht, aber keine frühe Idee der Weiterverarbeitung hat. Auch an der Schnelligkeit und Spritzigkeit gäbe es noch sehr viel zu schrauben, um aus ihm einen fertigen Stürmer zu machen. Einzig in einem 4-4-2 ist er eine passable Option, sofern ein schneller zweiter Angreifer die Löcher für ihn reißt. Seine sieben Saisontreffer für den WAC erzielte er ausschließlich in Zwei-Stürmer-Systemen.
Nicht vom Momentum blenden lassen
Wenn man Sobczyk dauerhaft viel zutraut, sollte man die Gunst die Stunde nutzen und ihn in St.Pölten von Beginn an bringen. Ganz unabhängig vom Druck, der sich durch das 2:2 gegen Mattersburg in der ersten Runde aufbaute. Rapid machte in den letzten fünf Jahren immer wieder den Fehler, nicht die nachhaltigste personelle Entscheidung zu treffen, sondern zu sehr auf das Momentum zu achten und sich dann auch noch von diesem blenden zu lassen.
Falsche Neun oder „wie mache ich aus der Not eine Tugend?“
Und wenn man die qualitativ hochwertigste Option für das St.Pölten-Spiel wählen möchte, dürfte eigentlich keiner der beiden spielen. Auch Louis Schaub spielte schon als falsche Neun, könnte durch seine clevereren Laufwege gegen die eher physisch starke St.Pölten-Innenverteidigung mit Diallo und Huber für Unruhe sorgen und auch Räume für die Flügelspieler öffnen. Selbiges gilt für Murg, der sich in letzter Zeit im rechten Mittelfeld ohnehin eher unwohl fühlte.
Dynamisch-situatives Zwei-Stürmer-System bei Flügel-Ballbesitz
Noch dazu würde eine solche Variante erlauben, eine neue formative Facette eines dynamischen Zwei-Stürmer-Systems auszutesten. Bei Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte könnte der ballferne Flügel weit einrücken und auf einer Höhe mit dem nominellen Stürmer spielen. Dies würde beidseitig funktionieren, sowohl mit Keles auf links, als auch mit Schaub oder Murg auf rechts bzw. in der Mitte.
Die Rapid-Grundformation könnte demnach so aussehen:
Gehen wir nun davon aus, dass Rapid auf der rechten Seite in Ballbesitz ist:
Das zentrale Mittelfeld kann den ballnahen Flügel überladen, praktisch jeder der Spieler als Anspielstation fungieren. Die Breite gibt Schrammel, der nicht einrückt, sondern auf Spielverlagerungen lauert. Gleichzeitig rückt allerdings Keles weit ein und bildet mit dem nominellen Stürmer ein Zweiergespann. Situativ kann er jedoch jederzeit wieder nach außen rücken, was die Ordnung der St.Pöltner stören würde. Die Abwehrkette der Niederösterreicher müsste immer wieder Spieler übergeben und Rapid wäre offensiv flexibler.
Spielschwache, unflexible Speerspitze bremst Offensivabteilung
Anders würde sich dies darstellen, wenn mit Prosenik eine klassische Speerspitze spielt. Er würde zwischen Huber und Diallo pendeln, ließe sich praktisch manndecken. Rapid verliert einen Kombinationsspieler, wird phasenweise so wirken, als würde man in Unterzahl spielen. Wenn er sich fallenlässt, um Bälle aus der Etappe zu sichern, ist er alleine dafür verantwortlich, als Zielspieler in die Gefahrenzone zu kommen. Und somit hätte Rapid wieder das alte Problem, dass eben diese Zone nicht überladen wird und es deutlich zu wenige Abnehmer gibt.
Mit falscher Neun: Mehr Kontrolle im Kombinationsspiel
Ein weiterer Vorteil, den das Experiment der falschen Neun bzw. der flexiblen Dreierreihe mit sich bringt: Der offensivste Rapid-Spieler drückt sich nicht automatisch in die vorderste Spitze, sondern wird im Aufbau bzw. im Ballbesitzspiel als Kombinationsspieler verwendet. Die Innenverteidiger der St.Pöltner müssen somit zwangsläufig weiter aufrücken und werden Räume hinter der Kette offenbaren. In ebendiese Räume müssen dann die Flügel hineinstechen.
Plädoyer für ein offenes Börsl
Viel taktisches Geplänkel auf Basis eines Grundproblems, das es zu lösen gilt: Rapid muss im Sommer noch einmal investieren bzw. muss Sportchef Fredy Bickel investieren dürfen! Im vergangenen Transfersommer ging das genommene Risiko nach hinten los – kein Grund, im Transfersommer 2017 nicht noch einmal Risiko zu nehmen. Rapid braucht noch einen Angreifer und das weiß im Verein jeder. Worauf man mit der Freigabe für den längst fälligen Transfer wartet, wurde bisher nicht überliefert. Die Egomanie eines Ersatzspielers, mit dem man langfristig ohnehin nicht mehr plant, kann’s hoffentlich nicht sein. Nur nicht zu lange mit dem Öffnen des Geldbörsls warten – das hat in den letzten Jahren nie gut getan. Wer nicht investiert, wird nicht reich (an Erfolgen).
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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