Experiment: abseits.at stellt sein ultimatives Team auf! Teil 3: Der Außenverteidiger
Taktik & Theorie 14.Februar.2012 Archimedes 2
Genug von der grauen Theorie, brotlosen Diskussionen und Einschätzungen, wer was wieder einmal falsch gemacht hat. abseits.at schreitet selbst zur Tat und stellt seine ultimativ moderne Elf vor. Dabei erklären wir jedem einzelnen Spieler, worauf es uns ankommt. Und Sie sind live in der Kabine dabei! In Teil 3 unserer Serie entscheiden wir uns für zwei moderne Außenverteidiger.
Position
Beim Außenverteidiger sprechen wir zwar von einem Spieler, der oftmals auf einer Höhe mit den beiden Innenverteidigern steht, trotzdem sind für diese Position komplett andere Attribute entscheidend als bei Verteidigern im Zentrum. Während dort die Robustheit, Zweikampfstärke und das Stellungsspiel eine große Rolle spielen, muss ein Außenverteidiger viel schneller, dynamischer und trickreicher agieren. Dafür beschränken sich seine Aufgaben bei Weitem nicht nur auf die Defensive – auch offensiv kann der moderne Außenverteidiger immer wieder Akzente setzen. Eine Musterbeschreibung für den perfekten Spielertyp Außenverteidiger gibt es nicht – das kann Vorteile, aber auch etliche Nachteile haben.
Geschichte
Und wieder müssen wir über eine Position berichten, die es noch gar nicht allzu lange im europäischen Spitzenfußball gibt. Natürlich gab es immer schon rechts und links vom guten alten Libero Außenverteidiger, nur haben diese nur noch die Bezeichnung mit der heutigen Interpretation der Position gemeinsam. Damals wurden Spieler, die diese Position bekleideten, abfällig „Deckel“ oder „Außenpracker“ genannt – wie man sie beschreiben konnte? Tja, technisch limitiert, dafür mit reichlich Luft ausgestattet. Defensiv solide, offensiv nicht vorhanden. Auch in der Öffentlichkeit war die Position nie wirklich dankbar. Während Liberos für ihre hervorragenden Spieleröffnungen, klugen Pässe oder Rettungsaktionen als letzter Mann geadelt wurden, durften Außenverteidiger lediglich Pässe über wenige Meter spielen oder den Ball unkontrolliert die Linie entlang dreschen. Spielerische Elemente, Assists oder gar selbst erzielte Tore von Außendeckern gab es praktisch nicht. Höchstens, wenn ein Verteidiger außergewöhnlich kopfballstark war, bekam er die Erlaubnis, bei Standardsituationen hin und wieder mit nach vorne zu gehen und Torgefahr auszustrahlen. Legendär sind auch die Aussprüche so mancher Trainer vergangener Jahrzehnte. Da wurden Außenverteidigern Anweisungen mit auf den Weg gegeben, über die man heute nur noch schmunzeln kann. Dass man seinem Gegenspieler bis aufs WC in der Kabine nachlaufen solle, mussten sich die Spieler da anhören. Sollte der direkte Gegenspieler ein Tor erzielen, drohte dem Verteidiger Straftraining. Das Revier der Außenverteidiger war damals klar begrenzt. Es reichte vom eigenen Tor bis zur Mittellinie – Gerüchte, nach denen Trainer Verteidiger pro Schritt in die gegnerische Hälfte bestraften, konnten nicht bestätigt werden – vorstellbar wäre es allemal. Zum Glück erkannten kluge Strategen als Trainer aber bereits in den 70er-Jahren in Italien das offensive Potential der Position.
Der moderne Außenverteidiger
Genauer gesagt erlebte der offensive Außenverteidiger bei Inter Mailand seine Premiere. Ein gewisser Franz Beckenbauer hätte nach der Weltmeisterschaft 1966 zu Inter wechseln sollen, nachdem Italien bei dem Turnier aber früh scheiterte, verbot der Verband Transfers in die Serie A, womit ein Wechsel Beckenbauers vom Tisch war. Inspirieren ließ sich Beckenbauer trotzdem von Inter Mailand – insbesondere das taktische Konzept von Helenio Herrera imponierte dem Kaiser. Herrera nahm einen zentralen Mittelfeldspieler im Catenaccio-System aus der Mannschaft und stellte ihn als Ausputzer hinter die eigentliche Abwehr. Dadurch konnte er seinem linken Verteidiger die Freiheit geben, sich bei eigenem Ballbesitz in die Offensive einzuschalten. So wurde die Urform des modernen Außenverteidigers geboren. Giacinto Facchetti lief ab diesem Zeitpunkt wie aufgezogen die Linie auf und ab, schlug Flanken, gab Torvorlagen und traf selbst für Inter. Beckenbauer war hingerissen von dem, was er da sah: „Für mich war Facchetti der Ideengeber für mein eigenes Spiel, weil er als einer der wenigen aus der verteidigenden Rolle auch eine angreifende gemacht hat. Er ist als Linksverteidiger die Außenlinie rauf und runter und war dadurch unberechenbar. Er hat sogar Tore gemacht, obwohl seine Möglichkeiten als Linksverteidiger eher beschränkt waren, denn er konnte auf seiner Position nur geradeaus oder nach rechts. Ich hingegen hatte als zentraler Spieler sämtliche Möglichkeiten.“ Das Konzept setzte sich langsam aber sicher auch in anderen Ländern durch. Sogar auf die gesamte Defensive hatte das Einfluss. Es erfolgte der Wechsel von Mann- auf Raumdeckung, wodurch die Außenverteidiger noch mehr Freiheiten genossen, indem sie durch geschicktes Verschieben und Weitergeben der Gegenspieler aus besseren Positionen den Gegenangriff starten konnten. Heute gelten Außenverteidiger bei vielen Trainern als heimliche Spielmacher, viele von ihnen fallen offensiv weit mehr auf als defensiv. So ergab eine Analyse eines Sportmagazins, dass sich Dani Alves den Großteil der Spielzeit nicht in der eigenen, sondern in der gegnerischen Hälfte aufhält. Sein klassischer Laufweg führt dabei die Linie entlang bis hinter die Abwehr, wo er schräg in die Mitte zieht, um den Lochpass aus dem Mittelfeld zu bekommen.
Unsere Männer
Die Liste an Fähigkeiten, die ein moderner Außenverteidiger im modernen Fußball besitzen muss, ist fast endlos. Zweikampfstärke, Schnelligkeit sowohl physisch, als auch gedanklich, Ballsicherheit, makelloses Passspiel, die Fähigkeit, brauchbare Flanken in den Strafraum zu schlagen, technische Fertigkeiten, Torgefahr. Im modernen Fußball sind die offensiven Attribute für Außenverteidiger längst mindestens genauso wichtig wie defensive Qualitäten. Wir entschieden uns aufgrund seiner unglaublichen Präsenz am Platz für den bereits erwähnten Barcelona-Kicker Dani Alves auf der rechten und Phillip Lahm auf der linken Seite. Über Alves braucht man keine Worte mehr zu verlieren, im ohnehin nahezu perfekten Barcelona-Spiel, Lahm erzeugt über seine linke Seite bei Bayern permanent Druck und weist Jahr für Jahr beachtliche Scorer-Statistiken auf. Wie immer sollen zwei Videos unsere Wahl untermauern. Zum einen ein perfektes Beispiel für Lahms Offensivdrang, zum anderen eine Auswahl an gelungenen Aktionen von Dani Alves.
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Archimedes, www.abseits.at
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