Spielanalyse: Sturm verliert zum Auftakt in Mattersburg
Bundesliga 5.Februar.2018 Sebastian Ungerank 1
In der österreichischen Bundesliga rollt nach der Winterpause die Kugel wieder. 16 Runden bleiben im Frühjahr noch zu spielen, um Meister, Europacupstarter bzw. den Relegationsplatz zu ermitteln. Das Spitzenduo Sturm Graz und Red Bull Salzburg hatte dabei zum Auftakt gleich schwierig zu bespielende Gegner vor der Brust. Sturm musste mit Neo-Coach Heiko Vogel ins ungeliebte Pappelstadion nach Mattersburg, die mit ihrer kampf- und pressingbetonten Spielweise die neuen Akzente von Vogel im Grazer Aufbau- und Ballbesitzspiel nicht zur Geltung kommen ließen.
Grundordnungen und Personal
Mit Spannung erwartet, vor allem aus personeller Sicht, wurde natürlich die erste Aufstellung von Heiko Vogel. In der Vorbereitung hat sich bereits abgezeichnet, dass Vogel bezüglich der Grundordnung auf ein 4-1-4-1 / 4-3-3 setzen wird. Dies war gegen den SV Mattersburg dann auch tatsächlich der Fall, wobei wir im Laufe der Analyse noch sehen werden, dass ausgehend von dieser Grundordnung mehrere Systeme und Umformungen Anwendung gefunden haben.
Personell hielt Vogel dagegen schon einige Überraschungen parat. Vor Torhüter Siebenhandl setzte sich die Viererkette aus den beiden Innenverteidigern Schulz und Schoissengeyr zusammen. Die wichtigen Außenverteidigerpositionen im Konstrukt von Vogel bekleideten Koch auf der rechten Seite sowie Neuzugang Schrammel auf links, der den schmerzhaften Abgang von Lykogiannis kompensieren soll.
Die Aufgabe des alleinigen Sechsers vor der Abwehr wurde auf Dario Maresic übertragen, der unter Franco Foda im Herbst ausschließlich als zentraler Verteidiger der Fünferkette aufgeboten wurde und dabei konstant herausragende Leistungen bot. Maresic hatte unübersehbar gröbere Probleme auf der für ihn neuen Position. Allerdings werden wir noch sehen, dass sich diese, vor allem im eigenen Aufbauspiel, gar nicht so sehr von seiner angestammten Position unterschied.
Die Achterposition vor Maresic besetzten Linksfuß Peter Zulj auf halbrechts (zu Spielbeginn) und Marvin Potzmann auf der halblinken Seite. Potzmann hat bereits unter Foda nachgewiesen, dass er diese Position im Mittelfeld sehr gut ausfüllen kann.
Die breiten Außenspielerpositionen im 4-3-3 wurden von Huspek und Schmerböck eingenommen. Beide Akteure begannen dabei zunächst auf ihren jeweils „falschen“ Seiten (Rechtsfuß Huspek auf links und Linksfuß Schmerböck auf rechts), wurden dann aber mit Fortdauer des Spiels wieder getauscht.
Die alleinige Sturmposition besetzte wie gewohnt Deni Alar.
SVM-Trainer Gerald Baumgartner vertraute auch gegen den Tabellenführer aus Graz auf seine 4-2-3-1 Grundordnung. Personell musste er mit einer längeren Verletztenliste klarkommen, kurzfristig musste er auch noch auf Zweikampfmonster Alois Höller krankheitsbedingt verzichten.
Dadurch bildete Novak das Pendant zu Lercher auf der rechten Abwehrposition neben den beiden Innenverteidigern Mahrer und Malic.
Das Sechserduo setzte sich aus Spielgestalter Jano und den bis dato noch relativ unbekannten Grgic zusammen.
Die Außenpositionen in den Flügelzonen besetzten Pink auf links sowie Okugawa auf der rechten Außenbahn.
Die Angriffs- und damit erste Pressinglinie bestand aus den lauffreudigen und agilen Prevljak und Ertlthaler.
Ein Hauch von Guardiola im Pappelstadion
Der interessanteste Aspekt in diesem Spiel war mit Sicherheit das neu strukturierte Aufbau- und Ballbesitzspiel von Sturm Graz. Bereits während der Vorbereitung hat Heiko Vogel mehrmals anklingen lassen, dass er sehr viel Wert auf Ballbesitz legt und ausgehend von dieser Spielphase die durch die Bank technisch beschlagene Sturm-Mannschaft weiterentwickeln kann und will.
Einen ersten Eindruck hat man davon im Spiel gegen die Burgenländer gesehen, auch wenn dieser naturgemäß noch erheblich ausbaufähig ist.
Am auffälligsten waren dabei die Bewegungen und Strukturen bei eigenem Aufbauspiel. Ziel all dieser Bewegungen sollte vermutlich sein, den Ball stabil in der ersten Aufbaulinie zu sichern, um in weiterer Folge durch Überzahlsituationen im Zentrum den Gegner dort zu binden und Passwege auf die breiten Außenspieler zu öffnen, die im dritten Drittel mit ihrer Schnelligkeit Eins-gegen-Eins-Situationen lösen und Folgekationen herstellen sollen.
Wie bereits in der Einleitung angekündigt, kippte dafür Sechser Maresic in die erste Aufbaulinie ab und positionierte sich wie im Herbst als zentraler Punkt der Dreierkette zwischen Schoissengeyr und Schulz.
Den verwaisten Sechserraum (bzw. dessen Halbräume) nahmen aber nicht die beiden Achter ein, sondern die eingerückten Außenverteidiger Koch und Schrammel. Beiden zogen nämlich in den klaren Aufbausituationen nach innen und positionierten sich in den defensiven Halbräumen vor den gegnerischen Sechsern. Die einzigen Breitengeber im Spiel der Blackies waren deshalb die Außenspieler Huspek und Schmerböck, die sich dafür konstant an der Seitenlinie bewegten und sich für Zuspiele der beiden Halbverteidiger Schulz und Schoissengeyr anboten.
Die beiden Achter Potzmann und Zulj bewegten sich in diesem Konstrukt ebenfalls recht untypisch. Beide positionierten sich im Aufbau sehr hoch und waren meist auf einer Linie mit Stürmer Alar zu finden. Dadurch sollte die Überzahl im Mittefeld gegen die beiden Sechser des SV Mattersburg forciert werden und gleichzeitig die Durchschlagskraft im dritten Drittel erhöht werden. Allerdings spielten da die Mattersburger mit ihrem hohen und aggressiven Pressing nicht ganz mit und isolierten dadurch gewissermaßen die Achter, weil die Zuspiele in diese Zonen nicht erfolgsstabil möglich waren.
Grafisch aufbereitet sah die Aufbaustruktur von Sturm folgendermaßen aus:
In dieser Szene sieht man überblicksmäßig die Struktur von Sturm Graz bei eigenem Aufbauspiel sowie das Pressing vom SV Mattersburg. Auffallend natürlich die eingerückten Positionen der beiden Außenverteidiger Koch und Schrammel sowie die maximal breit gehaltenen Positionen von Huspek und Schmerböck. Dadurch entstand im Aufbau recht häufig eine Art 3-2-4-1 Ordnung.
Die Strukturen und Umformungen derselben sind das eine, das andere die daraus entwickelte Angriffspower und Durchschlagskraft. Bei diesem Punkt haperte es bei den Grazern noch ganz beträchtlich. Die Zahlen sprechen dabei für sich. Am Ende hatte die Mannschaft von Heiko Vogel zwar knapp 70 % Ballbesitz, brachten daraus aber nur einen Schuss auf das Tor von Kuster zustande. Im Grunde gab es dafür drei entscheidende Gründe, die sich gegenseitig bedingen.
Als erstes gibt es natürlich in jedem Spiel einen Gegner, der versucht, seine eigenen Stärken einzubringen und den individuell überlegenen Gegner dank eines intakten Kollektivs auf das eigene Niveau herunterzuziehen. Und der SV Mattersburg unter Gerald Baumgartner ist definitiv ein äußerst schwierig zu bespielender Gegner. Die Burgenländer haben schon mehrmals bewiesen, dass sie dank ihres guten und aggressiven Angriffspressings vor allem Spitzenmannschaften den Rhythmus und Spielfluss nehmen können und sie dadurch mit ihren vertrauten Mitteln, die sich primär über den Zweikampf definieren, das Spiel in die gewünschte Richtung lenken können. Das hat auch gegen Sturm Graz sehr gut funktioniert. Vor allem die erste Pressinglinie rund um Prevljak und Ertlthaler wusste dabei zu überzeugen. Beide betrieben einen extrem hohen Laufaufwand und kippten immer wieder sehr gut die Verbindungen zwischen den drei Aufbauspielern der Grazer sowie die Verbindungen in die vorderen Spielfelddritteln. Gemeinsam mit den beiden Sechsern konnte das Zentrum und die nominelle Unterzahl in diesen Räumen gut kontrolliert werden und das Spiel in die Flügelzonen gelenkt werden, wo die beiden Außenverteidiger Novak und Lercher im direkten Duell gegen ihre Gegenspieler viele Zweikämpfe für sich entscheiden konnten. So wurden Schwachstellen kaschiert und die eigenen Stärken im Zweikampf akzentuiert. SV Mattersburg eben.
Der zweite entscheidende Aspekt war, dass die Passqualität beim Winterkönig für ein derartiges Ballbesitzspiel schlichtweg unterentwickelt war, zumindest in diesem Spiel. Denn im Herbst hat man unter Franco Foda ja bereits erkennen können, dass die Grazer mit ihren technisch gut bestückten Spielern enge und unübersichtliche Situationen spielerisch lösen können. Gegen Mattersburg waren die Druckkomponenten gar nicht so groß, stattdessen streuten sie viel zu viele „unforced errors“ in ihr Aufbauspiel ein. Dies nahm den Grazern die Durchschlagskraft (Überspielen von Linien des Gegners) und auch etwas das Vertrauen in das eigene Spiel, den Mattersburgern eröffneten sich dadurch einige aussichtsreiche Umschaltmomente, ohne wirklich dafür etwas unternommen zu haben. Dadurch waren die Burgenländer unterm Strich die gefährlichere Mannschaft.
Der letzte Punkt ist, dass die Sturm-Spieler mit diesen für sie (noch) unorthodoxen Bewegungen etwas überfordert wirkten. Sie konzentrierten sich vielleicht so auf die richtige Entscheidung bezüglich Positionsfindung, dass ihnen dadurch der gedankliche Vorsprung für die Folgeaktion (in Form eines Passes) fehlte. Dazu kam, dass sich viele Spieler auf für sie ungewohnten Positionen auf dem Feld aufhielten (Koch und Schrammel im defensiven Mittelfeld, Zulj als hoher Achter bzw. in der zweiten Hälfte oft als linker Außenverteidiger, Maresic als Sechser). Das alles führte dazu, dass das Gesamtkonstrukt noch äußerst hölzern und mechanisch gewirkt hat. Tempo und Timing dieser Bewegungen waren häufig noch nicht passend, vor allem auch in Bezug auf die Bewegungen des Gegners, die gegen den SV Mattersburg meist noch völlig außer Acht gelassen wurden.
Aber das sind Aspekte innerhalb einer Fußballmannschaft, die etwas Zeit und viele Wiederholungen (auch im Wettkampf) benötigen, um geschmeidig und ineinander abgestimmt abrufbar sein zu können.
Erste Pressingansätze ebenfalls erkennbar
Auch im Spiel gegen den Ball waren erste Ansätze erkennbar, wobei die Aufbausituationen von Mattersburg zu kurz und selten waren, um wirklich seriöse Rückschlüsse auf die Grazer Herangehensweise schließen zu können. Vielmehr waren sie damit beschäftigt, lange Bälle zu verteidigen und die anschließenden chaotischen Situationen im Kampf um den zweiten Ball zu kontrollieren und aufzulösen.
Während Vorgänger Foda im Spiel gegen den Ball überwiegend auf ein recht tiefes und abwartendes Mittelfeldpressing im 5-4-1 setzte, ging es Heiko Vogel zunächst wesentlich forscher und agiler an.
Aus der 4-1-4-1 Grundordnung scherte vor allem der halbrechte Achter Peter Zulj immer wieder aus und attackierte den ballführenden Mattersburger Innenverteidiger. Deni Alar blieb derweil recht passiv und konzentrierte sich hauptsächlich darauf, den Passweg auf den zweiten Innenverteidiger zuzustellen. Die Außenspieler Huspek und Schmerböck orientierten sich recht mannorientiert an den SVM-Außenverteidigern, während der zweite Achter Potzmann hinter Zulj horizontal einen recht großen Raum abzudecken hatte und versuchte, die nominelle Unterzahl gegen den Sechser von Mattersburg zu balancieren.
Fazit und Ausblick
Den Blackies rund um Neo-Trainer Heiko Vogel muss man tatsächlich etwas Zeit geben, dafür waren die vorgenommenen Veränderungen im Ballbesitzspiel einfach zu wesentlich. Das große Problem der Steirer dabei ist, dass sie im Kampf um den Titel eigentlich keine Zeit haben. Brauchen sie auch nur drei, vier Spiele mit mäßiger Punkteausbeute, könnte die Meisterschaft tatsächlich schon vor dem letzten Viertel zugunsten der Salzburger vorentscheiden sein, dafür treten die zu konstant auf und punkten dabei zu zuverlässig. Deshalb ist es ein schwieriger Spagat, den Heiko Vogel in den nächsten Wochen gehen muss. Aus taktischer Sicht ist es jedenfalls hochinteressant zu beobachten, wie er die Mannschaft in allen Spielphasen weiterentwickeln wird. Spannende Ansätze wären auf jeden Fall schon mal zu sehen. Bleibt nur zu hoffen, dass er sich von diesem Weg aufgrund gewisser Startprobleme nicht allzu schnell abbringen lässt.
Sebastian Ungerank, abseits.at
Sebastian Ungerank
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