G’schichterln ums runde Leder (2) – Die Physik des Freistoßes
Sonstiges 4.November.2018 Marie Samstag 0
Ferdinand Weinwurms Geschichte ist ungewöhnlich. Nicht etwa, weil der Fußballer denselben Nachnamen wie der berüchtigte Opernmörder trägt, sondern weil sich der Quereinsteiger dank eines Juxkicks für höhere Fußballweihen vorstellig machte.
Der gebürtige Weinviertler spielte als Kind bei seinem Heimatverein Obritz im Pulkautal. Als 19-jähriger wechselte er zum SC Retz. Der Traum von einer Zukunft im Profisport war für den damaligen Maturanten längst ausgeträumt und er überlegte, wie es mit seiner Lebensplanung weitergehen werde. Zwei Jahre später sollten alle geschmiedeten Pläne jedoch über den Haufen geworfen werden: War es Fügung, war es Zufall? Fakt ist, dass die Retzer Fußballer zu ihrem neunzigjährigen Vereinsjubiliäum den ehrwürdigen SK Rapid ins nördliche Niederösterreich einluden. In der Kleinstadt herrschte Volksfeststimmung als Ferdinand Weinwurms große Stunde schlug: Der 21-jährige machte das Spiel seines Lebens und erzielte einen Doppelpack. Retz verlor 7:2, doch ihr Stürmer gewann einen Vertrag bei den Amateuren der Hütteldorfer. „Mir hat man vorher gesagt, dass Rapid ein Auge auf mich geworfen hat, das beflügelte mich.“, rekapituliert der heute 28-Jährige jenen denkwürdigen Sommertag. Bei den „kleinen“ Grün-Weißen mutierte der Offensivspieler zum Allrounder. Weinwurm schnupperte in die Kampfmannschaft hinein, war einige Male Kaderspieler und stand einmal als Verteidiger gegen die Admira auf dem Platz, durchsetzen konnte er sich jedoch nicht. 2015 verließ er Wien und versuchte sein Glück in Horn. Vor über einem Jahr kehrte der „verlorene Sohn“ – wie die Bezirkszeitung titelte – nachhause zurück: Landesliga statt erste Liga, Arbeit statt Uni. Weinwurm hatte während seiner Zeit in Wien auch sein Lehramtsstudium in Sport und Physik beendet. Als angehender Gymnasialprofessor stellte der Amateurspieler seine Kenntnisse in der TV-Sendung „Rapid-Viertelstunde“ unter Beweis und erklärte die naturwissenschaftlichen Voraussetzungen der Bananenflanke.
Bernoulli und Banane
„Wir müssen den Ball mit Effet spielen, das heißt, wir treffen ihn seitlich.“, begann Weinwurm seinen Mini-Vortrag. Das Geheimnis eines richtig guten Freistoßes wurde 1852 von Heinrich Gustav Magnus entschlüsselt. Der nach dem deutschen Physiker benannte „Magnus-Effekt“ bezeichnet die Quereinwirkung auf eine rotierende Kugel. Magnus benutzte die Gleichung des Schweizer Mathematikers Bernoulli um diesen Vorgang zu erklären: Da wo die Strömung schneller ist, ist der Druck kleiner. Der Trick ist dem Fetzenlaberl mit dem Rist genügend Spin mitzugeben, denn ein sich drehender Ball verlässt seine gerade Flugbahn. Welche Kurve der Ball in der Luft zeichnet, hängt davon ab, wie weit außen und wie stark er getreten wird. Trifft der Spieler also den Fußball rechts von der Mitte erhöht sich der Luftdruck des fliegenden Balles auf der rechten Seite und er fliegt eine Linkskurve. Höhere Luftgeschwindigkeit bedeutet niedrigeren Luftdruck. Der Luftdruck auf der nicht vom Fuß getroffenen Seite ist also geringer. Der Unterdruck der schnelleren Luft zieht den Ball in diese Richtung. Hinter dem Ball entsteht zusätzlich ein Wirbel, der das Flugobjekt beschleunigt. Da bei einem bestimmten Winkel der Rotationsachse die Flugbahn des Gegenstandes sogar wieder zurückführen kann, kann so auch die Besonderheit des Bumerangschießens erklärt werden. Entdeckt wurde dieser eindrucksvolle Effekt schon sehr früh: Das Staunen historischer Artilleriesoldaten war groß, als von ihnen abgefeuerte Kanonenkugeln umkehrten, anstatt im Ziel einzuschlagen. Später, in den 1920ern, wurde der Magnus-Effekt sogar beim Schiffsantrieb eingesetzt.
Der Fußballer Weinwurm kennt also Theorie und Praxis, weiß aber „Im Fußball basieren die Entscheidungen auf Erfahrungen und nicht auf Theorien.“. Trotzdem sollte der Herr Magister folgende einfache Lebensweisheit beherzigen: „Was man hat, hat man.“ Und was man weiß, weiß man.
Marie Samstag, abseits.at
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