Im August 1894 setzten sich in New York die geschäftstüchtigen Bosse einiger National League Baseballclubs zusammen um einen genialen Plan auszuarbeiten. Es ging um... Die Baseballclubs machten’s möglich: Die erste professionelle Fußball-Liga der Vereinigten Staaten!

Im August 1894 setzten sich in New York die geschäftstüchtigen Bosse einiger National League Baseballclubs zusammen um einen genialen Plan auszuarbeiten. Es ging um die Gründung einer professionellen Fußballliga an der amerikanischen Ostküste.

Die einzige professionelle Fußballliga existiert bis dato seit 1888 in England. Die erste kontinentaleuropäische Fußballiga sollte erst 1924 in Österreich ihren Spielbetrieb aufnehmen.

Arthur A. Irwing, der Field Manager der Philadelphia Phillies wurde bei der Gründung zum ersten Ligapräsidenten gewählt. Neben den Philadelphia Phillies waren mit den Baltimore Orioles, den Boston Beaneaters, den Brooklyn Bridgerooms, den New York Giants und den Washington Senators fünf weitere Clubs in der neuen Liga vertreten.

Die Gründer der ALPF waren im Gegensatz zu kommerziellen Erfolgen nicht unbedingt an einer Weiterentwicklung des Fußballsports interessiert. Es ging darum, während der spielfreien Baseballzeit die Arenen zu füllen und ganz nebenbei auch noch die Vereinskassen.

Die Verfassung der ALPF war identisch mit der National League. Die Clubbesitzer haben dank der Reserve Clause ein Recht an den Spielern, was die Spieler verbandsrechtlich zu Leibeigenen bestimmte. Spieler konnten beliebig im Kartell der Baseballclubs transferiert werden, jedoch nicht selbst entscheiden, wohin sie wechseln wollten. Diese Reserve Clause bestand auch oft nach der Spielkarriere weiter und wurde erst 1973 durch den gewerkschaftlich engagierten Andy Messersmith, ähnlich wie im belgischen Fall John-Marc Bosman aufgelöst. Profisport war sowieso im Gegensatz zu Branchen der freien Wirtschaft vom amerikanischen Kartellrecht ausgenommen. Die Clubbesitzer hatten sich ihre Lizenz zum Gelddrucken geschaffen. Bei den Fußballern wurde die Reserve Clause etwas lockerer gesehen, da schon alleine durch die Herkunft der Spieler ein anderer Sportsgeist herrschte.

Die englischen Fußballregeln wurden übernommen. Hinzu bestand anhand verschiedener Quellen bereits die Möglichkeit des Spielerwechsels während des Spiels, den die FIFA erst 1967 einführte.

Zur Spielkleidung. Die Heimmannschaft tritt in weißen Jerseys, weißen Shorts und schwarzen Strümpfen an, die Gastmannschaft läuft in schwarzen Jerseys, schwarzen Shorts und weißen Socken auf. Festgelegt wurde ein zehn Spieltage umfassender Plan, mit je fünf Heim- und fünf Auswärtsspielen pro Mannschaft. Am 01. Oktober 1894 ging es mit dem ersten Spieltag los, der letzte wurde auf den 01. Januar 1895 terminiert.

Man war sehr optimistisch neue Fans zu bekommen und durch die neue Liga im Allgemeinen Sportbewusstsein an der Ostküste zu etablieren.

Die Trainer der Baseballmannschaften übernahmen in den meisten Clubs das Coaching der Fußballmannschaften. Sie verpflichteten und trainierten die Spieler. In einigen Mannschaften traten auch die Baseballspieler gegen den Ball.

Die American Football Association AFA, eine Vereinigung der Amateure, sperrte jegliche ALPF-Spieler für AFA-Veranstaltungen. Man hatte schlicht Angst, dass die ALPF die besten Spieler abwerben wollte. Den Verboten zum Trotz kamen Spieler aus den lokalen Ligen, meist schottischer, englischer und irischer Abstammung und nahmen die neue Möglichkeit gerne an, mit Fußball ehrliches Geld zu verdienen.

Unter anderem David Gould, ein schottisch/amerikanischer Fußballer, Coach und Schiedsrichter. Er schnürte seine Fußballschuhe für die Philadelphia Phillies und sollte 1934 bei der WM in Italien die US Nationalmannschaft coachen. Er war der linke Flügelspieler, andere Quellen sprechen vom Center in der Angriffsreihe der Phillies und scorte am 20.Oktober 1894 im Ligaspiel gegen Boston.

Im Baseball hatte man zwischen 6.000 und 8.000 Zuschauer im Durchschnitt. Fußball als Arbeitersport zieht naturgemäß Supporter aus der Arbeiterklasse an und so wurde der Eintrittspreis auf einen bezahlbaren Kurs von einem Vierteldollar festgelegt. Die Spiele wurden unglücklicherweise Werktags nachmittags ausgetragen, während die meisten potentiellen Zuschauer noch bei der Arbeit waren. Die Funktionäre meinten später, man wolle nicht mit dem College Football in Konflikt geraten, was jedoch an den Haaren herbeigezogen klingt, da es sich um eine andere Zielgruppe handelte.

Taktisch wurde im damals modernen 2-3-5 System gespielt. Es gab Spiele mit hohem Unterhaltungswert, vielen Toren und die Presse war begeistert. Enttäuschende Zuschauerzahlen standen der Euphorie gegenüber. Die Philadelphia Phillies zogen im Topspiel gegen die New York Giants nur 500 Zuschauer an. Nicht mit den New York Giants der NFL zu verwechseln, hier handelt es sich um die heutigen San Francisco Giants. Sam Thompson spielte für die Phillies hauptberuflich Baseball und schaffte es sogar in die ewige Hall of Fame aufgenommen zu werden.

Zum erfolgreichsten Team wurden die Baltimore Orioles. Sie stellten mit A.W. Stewart einen echten Fußballtrainer ein. Er verpflichtete Calvey, Ferguson und Alec Wallace von Manchester United. Fred Davies wechselte von Sheffield United. Stewart selbst steht als Spielertrainer im Tor.

Die Mannschaft der Orioles spielt überragenden Fußball. Gegen Boston gelingt ein 8:1-Erfolg. Sie demütigen Washington mit 10:1 und der Trainer Art Schmelz beschwerte sich bei der Presse über den Einsatz der englischen Profis. Auf Nachfrage verweisen die Funktionäre Baltimores darauf, dass die Spieler aus Detroit kommen. Aus dem Baseballclub der Baltimore Orioles entstanden die legendären New York Yankees.

Inmitten der ALPF Spielzeit platzt das Gerücht der Schaffung einer zweiten professionellen Baseball-Liga. Plötzlich liegt der Focus der Clubbosse wieder beim Baseball und man wollte sich den Luxus eines Fußballbetriebes nicht mehr leisten. Aufgrund der mageren Zuschauerzahlen konnte man nicht sehr kosteneffektiv arbeiten. Für die Franchiseinhaber bestand die Gefahr im schlimmsten Falle gegen die neuen Proficlubs nicht mehr konkurrenzfähig zu sein und ihre etablierten Clubs zu verlieren.

Die US-Regierung leitete parallel Untersuchungen gegen die Baltimore Orioles, wegen der verpflichteten britischen Fußballer ein und man entschied sich im ALPF Gremium einstimmig, den Stecker des Ligaspielbetriebes zu ziehen.

Am 20. Oktober war also schon Schluss. Am New Yorker Polo Ground hängte man am Spieltag einfach Schilder auf, auf denen geschrieben stand: “The proposed professional game between the New Yorks and Brooklyns, at the Polo Grounds today, has been declared off.“

Nicht alle Vereine und Zuschauer wurden informiert. So kam es am 23. Oktober zu dem Endspiel der Baltimore Orioles gegen die Philadelphia Phillies. Die Phillies wurden mit 6:1 deklassiert. Zu diesem Wochenendspiel fanden sich statt der erwarteten 4.000 Zuschauer über 8.000 ein. In einem typischen Dienstagsspiel verloren sich 500 Zuschauer im Stadion.

Es stellte sich heraus, dass die Funktionäre nicht verstanden, wie sehr der Fußball durch das Publikum lebt. Franchiseinhaber der Baseballvereine sahen den Fußballbetrieb als Werbung für den Baseball. Es sollten europäische Einwanderer durch spektakulären Fußball in die Stadien gelockt werden, um später in der fußballfreien Zeit den Baseballspielen beizuwohnen. Von der Grundidee her ein kluger Schachzug, wobei die Spielzeiten unglücklich gelegt wurden, denn wer sich für den Besuch der Baseballspiele regelmäßig Zeit nehmen kann, der könnte sich, wenn die Zeiten des Spielbeginns genauso liegen würden auch für die Fußballspiele die Zeit nehmen.

Die Absage der 1894er-Saison sollte nicht der Tod der Liga sein, man wollte im Frühjahr 1895 neu beginnen. Baltimores Besitzer H.R. Vonderhorst und Washingtons Besitzer J. Earl Wagner wollten weitermachen, sie wurden von den anderen überstimmt. Die Fußballabteilung der Philadelphia Phillies lebte in der University of Princeton weiter.

Wäre die Liga von professionellen Fußballern gegründet worden, könnte sie heute noch bestehen und hätte möglicherweise einen der europäischen Topligen ähnlichen Status. Es wurde eine große Chance vertan…

Endgültige Tabelle einer abgebrochenen Spielzeit

GPWLTTPGFGA
Brooklyn Bräutigame651010206
Baltimore Orioles44008243
Boston Beaneaters541081512
New York Giants624041613
Philadelphia Phillies927041537
Washington Senators61502726

 

Die besten Torschützen

GPG
Bannister (Brooklyn)6
Connelly (New York)6
Pemberton (Brooklyn)6
James Mckendrick (Baltimore)24

 

Markus Welters, abseits.at

Markus Welters

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