Qualität sinkt, Favoriten sind leichter ausrechenbar – die Gründe für eine schwache Bundesligasaison!
Bundesliga 19.März.2012 Daniel Mandl 0
Auf den Rängen der heimischen Stadien sind die Meinungen derzeit kaum geteilt: „Diese Liga ist zum Vergessen“ lautet der Grundtenor der Anhänger. Aber wer oder was trägt die Schuld dafür, dass eine grundsätzlich aufstrebende Liga derzeit geschlossen Fußball zum Abgewöhnen bietet? Eine Spurensuche.
Biedere Teams gab’s in der heimischen Bundesliga schon immer. Die einen waren als „Schnalzer“ verschrien, die anderen als Betonmischmaschinen, andere wiederum als unprofessionell und aufgrund der provinziellen Vereinsstrukturen nicht bundesligatauglich. Aber dennoch hatte man stets das Gefühl, dass es auch Klubs gibt, die etwas für den heimischen Fußball bewegen können und dies schließlich auch meistens taten.
Rapid in der Meistersaison ebenfalls mit 39 Punkten aus 25 Spielen
Der SK Rapid wurde 2007/08 Meister unter Peter Pacult, erreichte zweimal die Gruppenphase der Europa League, feierte legendäre Siege über Aston Villa oder den Hamburger SV. Unglaublich aber wahr: In der letzten Meistersaison hielt Rapid nach 25 Runden bei 39 Punkten – genau so viele wie aktuell. Tabellenführer war damals der LASK mit 41 Zählern. In der Saison 2008/09 holte Rapid gar einen Punkt mehr als in der Meistersaison, erzielte 89 Tore, doch Red Bull Salzburg setzte sich mit vier Punkten Vorsprung durch und zerlegte in der darauffolgenden Saison die Europa-League-Gruppe mit Lazio, Villarreal und Levski Sofia, holte aus sechs Spielen 18 Punkte.
Die letzten Jahre: Starke Leistungen von Salzburg, Austria, Rapid und Sturm
Es folgte die spannende Saison 2009/10, die drei Vereine mit mindestens 73 Punkten sah. Rapid wurde mit dem Bestwert der Ära Pacult nur Dritter, eine groß aufspielende Wiener Austria verpasste den Titel mit unglaublichen 75 Punkten um nur einen Zähler. Meister wurde wieder Ligakrösus Salzburg. Erst ab 2010/11 lebte sich der Leitsatz „es war nie leichter, Meister zu werden“ ein. Sturm Graz krönte sich unerwartet zum Champion, Red Bull Salzburg und der FK Austria Wien ärgerten sich über zu viele liegen gelassene Punkte. In der laufenden Saison hält Red Bull Salzburg bei 41 Punkten und damit einem Wert, der in der Vorsaison nach 25 Runden den fünften Platz bedeutet hätte. Der SV Mattersburg stand zu diesem Zeitpunkt in der Saison 2010/11 ebenfalls auf dem neunten Tabellenrang, allerdings mit sieben Punkten weniger als heute. Irgendetwas ist passiert, das die Liga näher zusammenrücken ließ.
Großklubs bauen sukzessive ab
Die Gründe für die Taktikfreak-Saison 2011/12 sind einerseits taktischer Natur, andererseits eine Frage der individuellen Qualität. Während 2010/11 nach 25 gespielten Runden zwischen dem Tabellenführer und dem Vorletzten 25 Punkte lagen, sind es heuer nur 14. Allerdings haben die kleinen Klubs nicht aufgeholt, sondern die großen abgebaut. Und die Kleinen nutzen die Schwächen der Großen, indem sie den jeweiligen Favoriten taktisch zermürben. Die oberste Maxime ist die „Null“; wenn man defensiv über 90 Minuten konzentriert und gut steht, kann schon mal nicht viel passieren. Als Team, das nicht dafür „verantwortlich“ ist das Spiel zu machen, ist auch das Umschaltspiel von Defensive auf Offensive leichter zu bewerkstelligen. Die teils sehr defensive Staffelung von Teams wie Mattersburg oder Wiener Neustadt spart Kraft, die Mannschaft verteidigt als Ganzes, schaltet ebenso gemeinsam um. So kommt es nicht von ungefähr, dass es gerade diese beiden Teams sind, mit denen die aktuelle Top-3 bei den bisherigen Saisonduellen große Schwierigkeiten hatten. Die jüngsten Remis zwischen Rapid und Mattersburg und Wiener Neustadt und der Austria entstanden nicht zufällig oder aufgrund dessen, dass Rapid bei einem Sonnleitner-Kopfball (Doppelstange) Pech hatte, sondern aus Gründen der Taktik und mangelnder Qualität auf Seiten der Favoriten.
Schwächere Salzburg-Mannschaft, schwächere Liga
Aber auch auf der anderen Seite muss etwas passiert sein: Wieso können einst technisch starke und explosiv angreifende Teams wie Salzburg, Rapid oder die Austria das Spiel nicht mehr so gestalten, wie es vor zwei oder drei Jahren der Fall war? Die Antwort auf diese Frage ist einfach und offensichtlich: Jedes dieser Teams hatte große Qualitätseinbußen zu verkraften. Die Liga war zu dem Zeitpunkt am Stärksten, als Salzburg auf dem spielerischen Höhepunkt der Red-Bull-Ära spielte. Selbsternannte Titelkonkurrenten konnten entweder mitziehen oder sich der Überlegenheit der Mozartstädter ergeben.
Rapid besetzte Abgänge eine Klasse schwächer nach
Seit Rapid 2007/08 Meister wurde, verkaufte man zahlreiche Spitzenspieler gewinnbringend ins Ausland und sanierte so einen ehemals desolaten Klub. Hoffer, Korkmaz, Maierhofer, Boskovic, Jelavic – jeder Einzelne ein Spieler von eigenem Esprit – verließen den Klub und hinterließen große Löcher im Rapid-Kader. Diese Löcher wurden mit Spielern wie Alar, Salihi, Nuhiu, Prager oder Saurer gestopft. Vergleicht man die Umschichtungen auf zentralen Positionen im Rapid-Kader 1-zu-1 kommt man zu dem Schluss, dass man keinen der Abgänge gleichwertig ersetzen konnte. Klar ist es schwierig Spieler wie Jelavic oder Boskovic gleichwertig zu ersetzen, allerdings streckte man sich in Hütteldorf auch nicht nach der Decke, tätigte „logische“ Transfers, ging kein Risiko ein und gab sich mit dem viel zu schwachen Ersatzmaterial leichtfertig zufrieden. Die Zufriedenheit im Klub führte zur Unzufriedenheit der Fans, Misserfolgen, einer verschenkten Saison 2010/11 und einer lähmenden Saison 2011/12 – in der es weiterhin unglaublich ist, dass Rapid angesichts der bisher gezeigten Leistungen auf dem zweiten Tabellenplatz steht.
Austria kaufte keine „Fertigen“ nach
Ähnlich verhält es sich mit dem FK Austria Wien, der ebenfalls eine unterdurchschnittliche Saison spielt und dennoch weiterhin im Titelrennen ist. Binnen kurzer Zeit trennte man sich von Okotie, Dragovic, Baumgartlinger, Junuzovic und Barazite. Ersatzleute wie Kienast, Simkovic, Grünwald, Mader, Rogulj oder Holland sind zwar ausreichend stark für die heimische Liga, aber allesamt nicht derart unwiderstehlich wie die jüngsten Auslandsexporte der Veilchen. Im Gegensatz zu den Verkauften sind die Neuen kaum Spieler, die das Herz in die Hand nehmen und mehrere Partien im Alleingang entscheiden können – wie es früher etwa bei Junuzovic, Barazite oder Baumgartlinger der Fall war. Die Lücken wurden gestopft, allerdings nicht nachhaltig. Mit jedem prominenten Abgang verlor die Austria an Qualität, was eine Gemeinsamkeit mit dem SK Rapid darstellt.
Meistersaison vorbei – Sturm auf dem (Qualitäts)Boden der Realität
Ähnliche Probleme waren auch beim SK Sturm zu erkennen, der in den letzten Jahren Kienast, Schildenfeld, Beichler und Jantscher verlor. Vor allem die beiden zuletzt Genannten sind Spielertypen, die Sturm aktuell fehlen. Beim gestrigen 0:2 gegen die Admira ließ die Offensivabteilung des Meisters jegliche Kreativität und Dynamik vermissen. Sturm hat finanziell eine schwierige Ausgangsposition als die beiden großen Wiener Klubs, hätte dennoch etwas mehr Risiko bei der Bestellung von Ersatzleuten ehemaliger Stars und Sternchen nehmen können.
Auch Red Bull Salzburg baut ab
Die Verfolger von Red Bull Salzburg spielen eine schwache Saison, weil sie zu wenig Qualität in ihren Mannschaften haben. Aber wie kommt es überhaupt dazu, dass die Qualität plötzlich abnimmt? Die Antwort darauf gibt Red Bull Salzburg selbst, denn auch der reichste Klub der Liga hat abgebaut. Das Transferkonzept der Roten Bullen veränderte sich in den letzten Jahren, man wählte auch mal den billigeren Weg, der sich jedoch zugleich als kurzfristig holprigerer Weg entpuppte. Während früher noch gestandene Spieler wie Bodnar, Tchoyi, Carboni, Afolabi oder Pokrivac geholt wurden, sind es jetzt Spieler wie Lindgren, Pasanen oder Cristiano da Silva. Ebenfalls keine schlechten Fußballer, aber keine Granaten der Marke Tchoyi, die eine ganze Liga beherrschen können. Natürlich wechselten auch in der jüngeren Vergangenheit starke Spieler nach Salzburg, die Ratio zwischen Top- und Flopkäufen verschoben sich jedoch in den letzten Jahren zugunsten der Flops. Hinzu kommt, dass in Salzburg ein Generationswechsel stattfindet und Stützen von einst (Gustafsson, Sekagya, Cziommer) heute keine große Rolle mehr spielen.
Red Bull will starke Leipziger, die Verfolger wollen nur ausreichend gut sein
Es gilt also auch in Salzburg: Man ist „gut genug“ für die tipp3 Bundesliga powered by T-Mobile. Aber man hat kein unersättliches Team, das dazu im Stande ist, einen lockeren Durchmarsch durch Österreichs höchste Spielklasse zu machen. Bevor man in Österreichs Spitzenvereinen jedoch gezielt daran arbeiten kann Qualität aufzubauen, muss man sich erst darüber ins Klare kommen, wohin man dann mit dieser Qualität möchte. In Salzburg bzw. bei der Red Bull GmbH möchte man, dass RB Leipzig möglichst bald den Profifußball erreicht hat. In Wien und Graz möchte man gut genug für die Liga sein, wonach als klassisches Saisonziel immer der Europacupplatz aufgegeben wird. Aber niemand streckt sich zum Plafond und sagt beispielsweise „wir wollen das werden, was der FC Basel in der Schweiz schon ist“. Das typische Saisonziel der Salzburg-Verfolger ist „Europacup und dann schau mer mal“ – und solange diese Tiefstapelei, langfristige Planlosigkeit und bewusste Zufriedenheit bei offenkundig sinkender Qualität anhält, braucht sich kein Zuschauer über ein 1:1 des SV Mattersburg im Hanappi-Stadion oder das dritte Unentschieden der Wiener Austria gegen Wiener Neustadt in der laufenden Saison wundern…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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