Jährlich grüßt das Murmeltier, ist man als Verantwortlicher von Red Bull Salzburg geneigt zu sagen. Denn auch in diesem Sommer müssen die Bullen zahlreiche zum Teil sehr schmerzhafte Abgänge hinnehmen und eine Menge Qualität ersetzen. Als wäre diese Tatsache an sich nicht bereits eine Herausforderung, steht mit Jesse Marsch auch ein neuer Trainer an der Seitenlinie, nachdem Erfolgstrainer Marco Rose nach Mönchengladbach abgewandert ist. Dadurch stellt sich nun die berechtigte Frage, wie die Salzburger diesen Verlust an Spielern und Qualität kompensieren werden können und ob sich die Konkurrenz Chancen ausrechnen kann, die Bullen endlich vom Thron zu stoßen.
Sind die Youngsters bereit für die Nachfolge?
Der Aderlass auf dem Spielersektor fällt bei den Salzburgern im Sommer ja traditionell recht üppig aus, doch in diesem Jahr wirkt es selbst für Red Bull-Verhältnisse noch ein Stück extremer, als man es bereits gewohnt ist. Mit Stefan Lainer, Xaver Schlager, Hannes Wolf, Fredrik Gulbrandsen und Munas Dabbur, verließen nicht nur fünf wichtige Spieler die Mozartstädter, sondern verlor Salzburg quasi auf einen Schlag die halbe Startelf. Es könnten sogar noch weitere Abgänge folgen, denn u.a. sind Ankersechser Diadie Samassekou und Dominik Szoboszlai auf dem Transfermarkt heiß begehrt und ziehen einiges an Interesse auf sich. Für Szoboszlai haben die Bullen ein sehr großes, womöglich derzeit noch zu großes Preisschild ausgehängt, doch bei Samassekou ist ein Abgang wahrscheinlich, möchte der Sechser doch den nächsten Schritt in seiner Karriere vornehmen und in eine Topliga wechseln.
Dadurch stellt sich natürlich die berechtige Frage – wie schlagkräftig werden die Salzburger in der kommenden Saison sein? Wenn man auf einen Schlag so viele Schlüsselspieler und Qualität abgeben muss, ist es für jeden Verein auf der Welt kaum zu kompensieren. Was man mit Sicherheit prophezeien kann ist, dass die Bullen in der neuen Saison nicht auf dem Niveau der letzten beiden Jahre agieren werden. Das liegt nicht nur am Abgang am Spielersektor, sondern hängt vor allem mit dem Verlust von Marco Rose und dessen Trainerteam zusammen, die sensationelle Arbeit verrichteten und in Österreich in vielen Aspekten neue Maßstäbe setzen konnten. Dazu kommt, dass mit dem neuen Trainer Jesse Marsch eine unbekannte Variable an die Salzach kommt. Der US-Amerikaner war bislang nur in der MLS als Cheftrainer aktiv und sammelte zuletzt ein Jahr Erfahrung als Co-Trainer von Ralf Rangnick in Leipzig, wo er an seinen Deutschkenntnissen arbeiten konnte.
Fest steht jedenfalls, dass man in Salzburg zukünftig mit einem neuen Spielsystem auflaufen wird. Neo-Trainer Marsch setzt in der Vorbereitung bislang nämlich auf eine 4-2-2-2 Grundordnung und verabschiedet sich damit von der so erfolgreichen „Raute“, die den Gegner Angst und Bange einflößte. Wie groß die Umstellung für die Spieler ausfallen wird, bleibt abzuwarten. Von der Spielanlage wird man nicht viel Neues zu sehen bekommen, wobei Marsch noch mehr das Spiel gegen den Ball und das aggressive Pressing in den Fokus rücken möchte.
Positiv für die Salzburger ist jedenfalls, dass sich zumindest im hinteren Mannschaftsteil nicht so viel gravierendes verändert hat. Auf der Torhüterposition gab es bislang keine Veränderung (wobei die Verpflichtung eines neuen Torhüters kolportiert wird) und auch in der Viererkette gab es zumindest quantitativ keine großen Abgänge. Klar ist, dass Stefan Lainer mit seinen unwiderstehlichen und druckvollen Vorstößen auf der rechten Seite fehlen und nur schwer zu ersetzen sein wird. Doch mit Patrick Farkas und dem bosnischen Nationalspieler Darko Todorovic hat man zwei recht passable Alternativen als Ersatz zur Verfügung, die für österreichische Verhältnisse sehr gute Außenverteidiger abgeben können. Abgesehen davon blieb der Abwehrverbund zusammen und Andre Ramalho, Marin Pongracic und Kapitän Andreas Ulmer geben ein eingespieltes Trio ab.
Das gesamte Mittelfeld zieht von dannen
Anders sieht es dagegen im Mittelfeld aus, wo man in dieser Transferperiode zwei schwerwiegende Abgänge hinnehmen musste – nachdem Mittelfeldmotor Xaver Schlager und Kreativspieler Hannes Wolf den Weg nach Deutschland einschlugen. Damit ist den Bullen de facto das halbe Mittelfeld abhandengekommen, wobei es für die Mozartstädter noch schlimmer kommen könnte, sofern auch noch Ankersechser Samassekou den Verein verlassen würde. Wenn man Haidara auch noch dazuzählt, würde das nämlich bedeuten, dass Salzburg innerhalb eines halben Jahres das gesamte (!) Mittelfeld verloren hätte. Auf dieser so wichtigen Region ist das besonders verheerend und nur schwerlich zu kompensieren. Doch das Leben muss klarerweise weitergehen und die Bullen haben auch einige interessante Spieler in der Hinterhand, die in Zukunft in die Bresche springen können.
Auf der Position des Sechsers, würden im Falle eines Abganges von Samassekou zwei interessante Optionen in die großen Fußstapfen des Mittelfeldspielers treten können. Enock Mwepu zum einen, der bereits in der letzten Saison zu vielen Einsätzen kam und gewissermaßen eine Allzweckwaffe darstellt, dürfte aktuell die Nase vorne haben. Aber auch der vom französischen Meister gekommene Franzose Antoine Bernede könnte diese Position ohne weiteres ausfüllen und der Sechser zeigte bei seinen Auftritten auch sofort, warum er es in Paris in den Matchkader schaffte. Neben den beiden Sechsern, scheint als Achter der Routinier Zlatko Junuzovic gesetzt zu sein und soll der Mittelfeldzentrale mit seiner Erfahrung Stabilität verleihen. Durch das veränderte System gibt es nun folglich keinen echten „Zehner“ mehr, sondern stattdessen zwei „Halbspieler“ im Mittelfeld. Diese Rollen dürften nach aktuellem Stand der Dinge Takumi Minamino und Dominik Szoboszlai ausfüllen. Die beiden spielten schon in der letzten Saison keine unwichtigen Rollen und zeigten ihre Qualitäten, auch wenn sie keine unumstrittenen Stammspieler waren. Nun steht für sie der nächste Entwicklungssprung an, denn sie müssen sich nun als Leistungsträger und Stützen entwickeln und die Abgänge kompensieren.
Im Angriff schmerzt vor allem der Abgang von Stürmerstar Munas Dabbur unheimlich. Der treffsichere Israeli war die Torgarantie der Salzburger und schnappte sich nicht von ungefähr zwei Mal infolge die begehrte Torjägerkanone der heimischen Bundesliga. Dabei ist dieser Verlust wohl der härteste für die Bullen, denn es gibt nicht viele Stürmer in Europa, die konstant für 20 Tore pro Ligasaison sorgen und mit ihrer Abschlussstärke eine Mannschaft prägen können. In dieser Hinsicht, sind die Fans der Salzburger in der Vergangenheit durchaus verwöhnt gewesen, denn mit Marc Janko, Jonatan Soriano und eben Munas Dabbur verfügte man kontinuierlich über die Jahre hinweg über Torjäger, die der Mannschaft mit ihren Toren halfen bzw. den Unterschied ausmachten.
Ob jemand in die großen Fußstapfen dieser treffsicheren Riege hineintreten kann, bleibt dabei noch abzuwarten. Der aussichtsreichste Kandidat hierfür dürfte Smail Prevljak sein, der seinen Torriecher in der Liga bereits unter Beweis gestellt hat und in den vergangenen beiden Saisonen jeweils auf eine zweistellige Anzahl an Toren kam. Die talentierteste Option für die Nachfolge ist der Norweger Erling Braut Haland, der zuletzt Torschützenkönig bei der U20-Weltmeisterschaft wurde und sein Potenzial auch in der Liga bereits unter Beweis stellen konnte.
Ein ebenfalls nicht zu vernachlässigender Abgang stellt jener von Fredrik Gulbrandsen dar, denn der Norweger brachte mit seiner umtriebigen Spielweise viel Leben ins Offensivspiel der Bullen. Doch auf dieser Position und in dieser Rolle müssen sich die Salzburger die geringsten Sorgen machen, denn man verfügt hier über sehr gute Alternativen. Hee-chan Hwang etwa hat im Trikot der Bullen bereits starke Leistungen gebracht und konnte sich nicht umsonst unter Marco Rose als Stammkraft etablieren. Doch auch der pfeilschnelle Patson Daka könnte sich problemlos als Stammspieler etablieren und hat ebenfalls bereits mehrmals sein großes Potenzial und seine unheimliche Geschwindigkeit angedeutet. Das gilt ebenso für Rückkehrer Sekou Koita, der nach einem starken Halbjahr in Wolfsberg zurückbeordert wurde und ebenfalls erst kürzlich bei der U20-Weltmeisterschaft mit starken Leistungen aufzeigen konnte. Bei der Besetzung des Sturmzentrums hat Neo-Trainer Jesse Marsch also die Qual der Wahl und für österreichische Verhältnisse hört sich dieser Mannschaftsteil immer noch sehr stark an.
Wenn man sich aktuelle Mannschaft von Salzburg ansieht, verfügt der österreichische Serienmeister noch immer über einen sehr guten Kader und auch mit der aktuellen Startelf, steht man was die Qualität anbelangt, mit großem Abstand an der Spitze in Österreich. Die einzige Hoffnung für die Konkurrenz bleibt wohl die unbekannte Variable Jesse Marsch und wie schnell der Amerikaner seine Spielidee und Prinzipien bei den Spielern verinnerlichen kann. Glücklicherweise bleibt den Salzburgern heuer die Qualifikation für die Champions League erspart, weshalb selbst ein lahmender Saisonstart kein großartiges Dilemma darstellen würde, solange man am Ende der Saison erneut an der Spitze der österreichischen Bundesliga thront.
Dalibor Babic, abseits.at
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