Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (61):  Lieber Nestor El Maestro!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag adressieren wir unseren an den aktuellen Sturm-Trainer …

Lieber Nestor El Maestro!

Es ist nicht einmal ein Jahr her, als du der Tageszeitung Der Standard ein Interview gegeben hast, das mit der Überschrift „Sturms El Maestro: „Habe gedacht, ich wäre ein geiler Trainer“ versehen war. Wenn ich mich daran zurückerinnere, dann denke ich, dass dieser Moment wieder so ein Augenblick war, in dem mir meine eigenen Vorurteile einen Face-Palm zeigten: Als ich nämlich die Überschrift las, verdrehte ich die Augen und schob dich in die Kategorie „Poser-Trainer“ ohne Erfolge dafür aber mit Rolex ab. Tja, selbst schuld, denn nach der Lektüre des Textes revidierte ich dieses Bild wieder: Das folgende Interview erwies sich nämlich als durchaus informativ und ich habe begonnen mich auf einen echten Typen, der Fachwissen und -können mitbringt, zu freuen. Doch, was ist aus dieser hoffnungsvollen Freude geworden?

Sie wurde enttäuscht und transformierte sich immer mehr in Richtung des ersten Vorurteiles, das ich von dir hatte: Wenig Substanz, mehr Show garniert mit einer Portion Ungehobeltheit, die als Charakter verkauft wird. Dabei ist die Situation nicht so apokalypsenartig wie sie manchmal dargestellt wird. Immerhin spielt Sturm in der Meistergruppe mit. Zwar sind die Grazer zwar dort aktuell Letzter, aber, hey, immerhin noch besser als die Austria, die ja ­ wie die „Schwoazn“ ‑ auch zu der Gruppe der Traditionsklubs, die wetteifern, wer näher an den übermächtigen Ligakrösus herankommt, gehören. Doch, lieber Nestor, so kann es nicht weitergehen. Ein bisschen habe ich schon das Gefühl, du genießt es regelmäßig auszurasten. Es scheint so, als wolltest du dein Profil schärfen und ein bisschen wie Diego Simeone rüberkommen ‑ als smarter aber hitzköpfiger Archetyp, der im Konzert der Großen mitfiedelt, als jemand, der ‑ ohne rechts und links zu schauen ‑ seinen „my way“ fährt. Bei dir entpuppt sich dieser Weg aktuell aber als „Highway to hell“. Schon vor mehr als einem halben Jahr hast du beispielsweise ‑ nachdem du versucht hast das Mattersburger Pappelstadium von innen zu zerlegen ‑ impliziert, dass Sturm Graz eh kein Traumjob für dich ist. In die Hand zu beißen, die einen füttert, ist wahrscheinlich keine gute Idee.

Zwar muss man zugeben, dass du damals (und auch nach deinem letzten Blackout im Interview danach) durchaus selbstkritische Töne angeschlagen hast, aber, lieber Nestor, irgendwann nützen diese nachträglichen Lippenbekenntnisse nichts mehr und es wird eine tatsächliche Weiterentwicklung erwartet. Deine regelmäßigen Aussetzer sind meiner Meinung nach auf eine grundsätzliche Despektierlichkeit gegenüber der heimischen Liga zurückzuführen. Sollte dies nicht der Fall sein, lass dir sagen, dass du zumindest den Anschein erweckst, es würde so sein. Denk darüber nach!

Das wünscht sich

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag