Wieder hat es nicht ganz geklappt. Nach einer starken Rückrunde entschied letztlich das Topspiel den Kampf um die deutsche Meisterschaft. Das Tor von Joshua Kimmich führte dazu, dass wieder die Bayern und nicht der BVB die Meisterschaft gewinnen. Der BVB steht damit vor einem turbulenten Sommer. Was passiert mit Jadon Sancho? Wie kann man Hakimi ersetzten? Und ist Lucien Favre eigentlich noch der richtige Mann für den BVB?
Wieder scheiterte der BVB knapp am Gewinn der Meisterschaft. Bereits in der letzten Saison spielte die Mannschaft von Lucien Favre sehr lange oben mit, Meister wurden letztlich wieder die Bayern, obwohl sie unter Niko Kovac meist hinter ihren Ansprüchen zurückblieben. Mit einer Transferoffensive wollten die Verantwortlichen im Sommer das kleine Loch zu den Bayern schließen. Dabei wurde durchaus clever eingekauft. Mit Mats Hummels holte man sich Erfahrung und Spielstärke ins Boot, mit Julian Brandt wechselte einer der besten Spieler der letzten Saison für relativ wenig Geld zum BVB und auch die Verpflichtung von Thorgan Hazard stellte den Kader im Offensivbereich breiter auf.
Nach einer durchwachsenen Hinrunde erkannte man bei den Dortmundern darüber hinaus die fehlende Tiefe im Offensivspiel. Zu viele Spieler wollten lieber den Ball am Fuß, statt mit Läufen in die Tiefe für Gefahr zu sorgen. Dieses Manko wurde durch die Verpflichtung von Erling Haaland kompensiert. Das norwegische Ausnahmetalent machte einfach da weiter wo er bei Salzburg aufhörte. Er traf und traf und traf. Mit einer beängstigenden Sicherheit brachte Haaland fast jede Chance im Tor unter und gab dem Spiel eine völlig neue Dimension – Durchschlagskraft.
Darüber hinaus entpuppte sich die Umstellung von Favre auf ein 3-4-3 als passend. Mit Julian Brandt auf der Acht hatte man endlich eine bessere Mischung in der Schaltzentrale. Denn, bereits letzte Saison konnte man erkennen, dass die Doppelsechs, bestehend aus Witsel und Delaney, oft zu ähnlich agierte und sich folglich gegenseitig die Räume klaute. Der Belgier und der Däne sind beide Spielertypen, die sich lieber in tieferen Zonen aufhalten, mehr Raum benötigen und in der Folge selten in der Lage ist die Offensive effektiv zu unterstützen. Julian Brandt brachte hier mit seiner Dribbelstärke eine Möglichkeit der Anbindung zwischen Offensive und Defensive, die der BVB dringend benötigte, um offensiv gefährlicher zu werden.
Bevor man auf den FC Bayern traf, verlor man in der Rückrunde nur eine Partie – ein verrücktes Spiel gegen Bayer Leverkusen. Nachdem man sich allerdings in einem hochklassigen und engen Spiel den wiedererstarkten Bayern geschlagen geben musste, ist die Kritik an der Mannschaft und vor allem Trainer Lucien Favre wieder groß. Man merkte in Dortmund, die Bayern waren lange schlagbar, die Chancen auf die Meisterschaft in der letzten und diese Saison so groß wie seit dem Triumph 2012 nicht mehr.
So stellt sich nun mal wieder die Frage, ob der Trainer der richtige Mann für den Job in Dortmund ist? Schließlich haben die Bayern ihren Fehler eingesehen und mit Hansi Flick einen Glücksgriff getätigt. Doch ist die Kritik an Favre wirklich berechtigt?
Dortmund auf der Suche nach dem perfekten Klopp Nachfolger
Es scheint so als messe man beim BVB jeden Trainer an Jürgen Klopp. Auf der Suche nach dem perfekten Nachfolger ist man bis heute nicht fündig geworden. Eigentlich hatte man mit Thomas Tuchel bereits den perfekten Ersatz, der in seiner ersten Saison einen neuen Punkterekord aufstellte und Meister geworden wäre, wenn die Bayern unter Pep Guardiola nicht „noch unschlagbarer“ gewesen wären.
Allerdings schien es danach Unstimmigkeiten zwischen Trainer und Verantwortlichen gegeben zu haben, weswegen Tuchel den Verein bereits nach zwei Jahren wieder verließ. Das ist ärgerlich, hatte Tuchel doch endlich den Schlüssel gefunden, die Dortmunder wieder näher an die Bayern zu bringen. Man darf nämlich nicht vergessen, dass Jürgen Klopp zwar mit dem BVB zweimal sensationell die Meisterschaft gewann, jedoch ab der Saison 2012/13 vermehrt damit zu kämpfen hatte, dass sich viele Teams gegen die Schwarz-Gelben am eigenen Sechzehner verbarrikadierten und den Dortmundern die spielerischen Lösungen fehlten, um den Riegel zu knacken. Letztlich war dies auch ein Grund, wieso die Dortmunder in den letzten Jahren unter Klopp wieder weiter von den Bayern entfernt waren. Im Vergleich zum BVB ließ der FC Bayern damals nur selten gegen kleine Teams Punkte liegen. Ein Problem, das den BVB noch heute davon abhält die Meisterschaft zu gewinnen.
Thomas Tuchels Implementierung des Positionsspiels schien die Lösung zu sein. Gepaart mit dem aggressiven Pressing und Gegenpressing aus der Klopp-Zeit, schaffte Tuchel ein beängstigend starkes Team, das ähnlich wie die Bayern unter Guardiola schwächere Teams müde spielte und gnadenlos zuschlug. Auch wenn das Experiment Tuchel am Ende wenig erfolgreich endete, entschieden sich Watzke und Zorc mit der Verpflichtung von Peter Bosz den Weg der spielerischen Dominanz mit mehr Ballbesitz weiter zu gehen.
Nachdem auch Peter Bosz scheiterte, schien man in Dortmund einen weniger radikalen Ansatz zu bevorzugen. Mit Lucien Favre kam dann ein Mann, der die Bundesliga bereits kannte. In Gladbach gelang es Favre aus einem Fast-Absteiger eine Mannschaft zu entwickeln, die nicht nur im Konterspiel, sondern auch aus dem geordneten Ballbesitz heraus gefährlich sein konnte. Gepaart mit einer soliden Defensive, gelang es den Fohlen wieder an frühere Erfolge anzuknüpfen.
Nicht ohne Grund gilt Favre als kluger, wenn auch etwas konservativer Stratege. Unter dem Schweizer wurde alles etwas weniger radikal wie unter Bosz oder Tuchel. Man wechselte zwischen Ballbesitz und schnellem Vertikalspiel und versuchte vor allem die individuelle Klasse der Offensivspieler zur Geltung zu bringen.
Gegen die mittlerweile perfekt organisierten Defensiven in der Bundesliga ist dies aber einfach zu wenig. Letztlich schaffte es Favre einfach immer noch nicht die Probleme im Ballbesitzspiel zu lösen. So sieht man neben Hurra-Fußball in Dortmund auch mal unkreatives Ballgeschiebe. Da ist es keine Überraschung, dass man gegen schwache Teams Punkte liegen lässt.
Der BVB steht in diesem Sommer wieder vor der Frage, wie man eigentlich spielen will? Aggressives Pressing und schnelles Umschalten oder doch ein dominanteres Ballbesitzspiel? Denn eins haben Favre und Kovac gemeinsam: Sie schafften es beide nicht, ihren Topteams eine klare, spielerische Identität zu geben. Anders als Hansi Flick aktuell bei den Bayern, die nun wieder für dominantes Positionsspiel stehen.
Es kommt darauf an, ob die Verantwortlichen daran glauben, dass Lucien Favre es in seinem dritten Jahr gelingt die spielerischen Probleme zu beseitigen. Doch nicht nur der Trainer, sondern auch die richtige Kaderplanung werden darüber entscheiden, ob der Meister 2021 nicht Bayern München heißen wird.
Was fehlt, ist ein Ersatz für Ilkay Gündogan
Während man im Winter auf der Position des Stürmers bereits die Probleme identifizierte und mit Erling Haaland beheben konnte, sollten die Verantwortlichen im Sommer eine längst überfällige Baustelle schließen. Denn, seit Ilkay Gündogan 2016 Pep Guardiola zu den Citizens folgte, sind die Dortmunder auf der Suche nach einem geeigneten Ersatz für den deutschen Nationalspieler.
Zwar hat man mit Axel Witsel und Thomas Delaney erst vor zwei Jahren zwei Sechser/Achter verpflichtet, jedoch konnte bisher keiner der beiden die spielerischen Schwächen des Dortmunder Mittelfelds lösen. Weder Witsel noch Delaney sind die geeigneten Übergangsspieler, die im zweiten Drittel die Fäden ziehen. Zu allem Überfluss ließ man Julian Weigl im Winter nach Lissabon ziehen, bringt er doch die passenden spielerischen Fähigkeiten für einen zentralen, tiefen Sechser mit.
Nun steht man vor der Herausforderung im Zentrum spielerisch aufzustocken. Denn Julian Brandt alleine als Achter ist zwar der erste richtige Schritt, allerdings wird es längst nicht ausreichen, um den BVB spielerisch auf die nächste Ebene zu hieven.
Darüber hinaus wird man wohl auch einen Ersatz für den in der Rückrunde starken Hakimi finden müssen. Die Leihgabe von Real Madrid ermöglichte es Lucien Favre erst auf ein 3-4-3 umzustellen. Was aus Jadon Sancho wird, ist auch noch nicht sicher. Abgänge wie Mario Götze oder Mo Dahoud werden hingegen verkraftbar sein.
Abschließend lässt sich sagen, dass es beim BVB darauf ankommen wird, ob man endlich die Baustelle in der Schaltzentrale lösen kann und ob man Lucien Favre vertraut, dass er den BVB in der nächsten Saison wieder ein Stückchen näher an die Bayern bringen kann. Es bleibt also spannend in Dortmund. Denn eines ist sicher, nächste Saison werden auch die Gladbacher, Leverkusen und Nagelsmanns Leipzig um eine weitere Nuance besser sein und dem BVB seine Vormachtstellung als zweite deutsche Kraft streitig machen.
Tobias Hahn, abseits.at
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Tobias Hahn
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