Für Rapid geht es heute gegen Dinamo Zagreb um die letzte realistische Chance auf einen Verbleib in der Gruppenphase der UEFA Europa League. Für die kriselnde Kühbauer-Elf zählt heute im nahezu ausverkauften Weststadion nur ein voller Erfolg.
Anders als Rapid konnte Dinamo Zagreb in der bisherigen Gruppenphase bereits überraschen: Auswärts beim KRC Genk gab es einen glatten 3:0-Erfolg, der die Kroaten auf den zweiten Rang der Tabelle schob. Mit einem Sieg könnte Rapid heute allerdings mit Dinamo gleichziehen. Bei einer gleichzeitigen Niederlage von Genk bei West Ham hätten drei Teams jeweils drei Punkte und alles wäre zur Halbzeit der Gruppenphase wieder offen.
Torgefährlich dank hoher Leistungsdichte
Die Mannschaft des 49-jährigen Trainers Damir Krznar ist allerdings ein harter Brocken. Gegen Rapid ist Dinamo in einer 4-2-3-1-Anordnung zu erwarten und die Spielanlage dürfte durchaus offensiv aussehen. In der Liga liegt Dinamo derzeit nur auf Rang 3, allerdings nur mit einem Punkt Rückstand auf Rijeka und Osijek, bei zwei Spielen weniger. Die kroatischen Hauptstädter erzielten allerdings in zehn Ligaspielen 28 Tore, kassierten nur neun. Damit hat man die deutlich beste Tordifferenz in der 1. HNL und seit dem ersten Spieltag ist Dinamo auf nationaler Ebene unbesiegt.
Im letzten Ligaspiel gegen den HNK Rijeka holte Dinamo einen 0:3-Pausenrückstand auf und remisierte schließlich noch mit einem spektakulären 3:3. Die Aufstellung in dieser Partie könnte auch ein gutes Indiz dafür sein, wie das Team in Wien auflaufen wird.
Kroatischer Teamtorhüter als Führungsspieler
Im Tor spielte mit dem 26-jährigen Dominik Livakovic der kroatische Teamtorhüter, der es bisher schon auf 28 Länderspiele brachte. Der 188cm große Keeper aus Zadar ist eine absolute Bank, Kapitän des Teams und einer der großen Führungsspieler in einer Mannschaft, die insgesamt nominell in der Vergangenheit spektakulärer aussah, aber durchaus gefestigt ist. Livakovic vertritt als Kapitän den weiterhin verletzten Sechser Arijan Ademi, einen der Stars des Teams. Er dürfte zumindest im ersten Spiel kein Thema bei den Kroaten sein.
Zwei Legionäre in der Innenverteidigung
Die Innenverteidigung bilden der Däne Rasmus Lauritsen und voraussichtlich der Franzose Kévin Théophile-Catherine. Der 25-jährige Lauritsen, der vor einem Jahr aus Norrköping kam, gilt als Abwehrchef bei den Kroaten und ist hauptverantwortlich für die Spieleröffnung. Genauso wie der aus Martinique stammende Théophile-Catherine ist er Rechtsfuß. Dieser wiederum ist mit seinen 31 Jahren schon ein recht routinierter Innenverteidiger, allerdings auch nicht der schnellste. Schmerzen könnte der mögliche Ausfall von Dino Peric, der aufgrund eines Muskelfaserrisses mehrere Wochen fehlte und seit Mitte August nicht mehr spielte. Der Linksfuß wäre anstelle von Théophile-Catherine eingeplant, ist aber noch nicht hundertprozentig fit. Mit Emir Dilaver ist ein Österreicher und Ex-Austrianer eine weitere Option für die Innenverteidigung.
Routinierter Nordmazedonier als Rechtsverteidiger
Als Rechtsverteidiger startet der 29-jährige Nordmazedonier Stefan Ristovski, der defensiv als eine der angehenden Stützen der Mannschaft gilt. Er kam vor einem Jahr von Sporting Lissabon, wo er ebenfalls Stammspieler war. Zudem verbrachte der 73-fache Nationalspieler einige Jahre in Italien, unter anderem bei Parma und Bari. Ristovski gilt als defensiv stabiler Außenverteidiger, der auf seiner Seite nur wenig anbrennen lässt.
Ex-Austrianer auf links
Links spielt mit Marin Leovac ein bosnisch-stämmiger Österreicher, der in jüngeren Jahren vier Jahre in der Kampfmannschaft der Austria verbrachte und später für Rijeka, PAOK und schließlich Dinamo spielte. Auch der 33-Jährige gilt als weitgehend verlässlich, spielte sogar fünfmal für das kroatische Nationalteam, vollbringt spielerisch aber keine Wunderdinge. Derzeit dürfte sich Leovac dennoch gegen den 11 Jahre jüngeren Daniel Stefulj und auch den Schweizer Francois Moubandje durchsetzen. Letzterer ist allerdings genauso wie der fünfte Innenverteidiger Stefan Milic nicht für die Europa League spielberechtigt.
Ademi-Ausfall verändert zentrales Mittelfeld
Auf der Doppelsechs muss Dinamo Zagreb aufgrund des Ausfalls von Arijan Ademi ein wenig umstellen. Hier ist zu erwarten, dass der 21-jährige Eigenbauspieler Bartol Franjic den Sechser gibt und der 27-jährige Josip Misic auf der Acht spielt. Misic kam vergangene Saison von Sporting Lissabon nach Zagreb und etablierte sich sofort als ball- und passsichere Stütze. Der talentierte Franjic wiederum war in den vergangenen Saisonen eher Ergänzungsspieler, rutschte aber durch Ademis Verletzung ins Team und machte bisher ebenfalls eine gute Figur. In absoluter Top-Besetzung kann Dinamo-Coach Krznar seine Doppelsechs/Doppelacht allerdings nicht aufs Feld schicken. Die Ersatzleute Marko Bulat (20) und Martin Baturina (18) sind ebenfalls hochtalentiert, aber noch nicht besonders nahe an der ersten Mannschaft.
„Mittelstürmer aus der Etappe“ als Schlüsselfigur
Aktuell ist wohl der Zehner der Kroaten der größte Star im Team. Der 27-jährige Bruno Petkovic ist eigentlich Mittelstürmer, spielt unter Krznar seit dem Abgang von Lovro Majer aber eher im offensiven Mittelfeld und stößt von dort in die Gefahrenzone. Wie er bereits in Genk bewies, ist Petkovic einer der abgebrühtesten Elfmeterschützen Europas und auch aus direkten Freistößen kann der 19-fache und aktuelle Nationalspieler stets gefährlich werden. Mit seinen 192cm Körpergröße sorgt er zudem im Übergang vom zweiten ins letzte Drittel für reichlich körperliche Präsenz. Ihn außer Gefecht zu setzen, wird wohl eine der dringlichen Hauptaufgaben für die Rapid-Defensive sein. Mit Amer Gojak (24) und Marko Tolic (25) verfügt Dinamo noch über zwei weitere Top-Leute auf der Zehn. Sollte man Petkovic im Laufe des Spiels nach vorne schieben wollen, könnten die beiden als Zehner einspringen. Tolic kann zudem auch auf beiden Flügeln spielen.
Spektakulärer Orsic als Linksaußen
Auch die Flügelspieler von Dinamo sind durchaus spektakulär, allen voran der Linksaußen Mislav Orsic. Der 28-jährige Nationalspieler ist der Mann für die richtig besonderen Tore, ein perfekter Distanz- und Freistoßschütze und auch Dribbler. Er orientiert sich eher invers und versucht schnell abzuschließen. Allerdings hatte er in den letzten Wochen kleinere Muskelprobleme und könnte nicht hundertprozentig fit sein. Sein Einsatz ist dennoch zu erwarten und so dürften mit Luka Menalo (25) und Dario Spikic (22) seine beiden Ersatzleute auf der Bank bleiben.
Ivanusec „zweckentfremdet“ als Rechtsaußen
Rechts spielt der 22-jährige Luka Ivanusec, der ebenfalls bereits zehn Länderspiele auf dem Buckel hat und etatmäßiger Zentrumsspieler ist. Bei Dinamo agiert er allerdings aus der Position des Rechtsaußen heraus und verhält sich ähnlich wie Orsic invers. Auffällig ist dabei, dass Ivanusec als Rechtsaußen speziell als Vorbereiter in Erscheinung tritt, während er im offensiven Mittelfeld selbst deutlich torgefährlicher ist. Natürlich ist auch er hochveranlagt, allerdings könnte die Sonderrolle von Petkovic auf der Zehn ein kleiner Vorteil für Rapid sein, zumal man Ivanusec damit nicht ins Zentrum stellen kann, wo er wohl noch um einen Deut besser aufgehoben wäre.
Personelle Probleme im Sturmzentrum
Die Position des Mittelstürmers ist aufgrund dessen, dass Petkovic aus der Etappe kommt, eine der Schwächen des kroatischen Meisters. Der 24-jährige Australier Deni Juric dürfte aufgrund einer Knöchelverletzung gegen Rapid noch ausfallen und auch der etatmäßige Neuner Duje Cop hatte zuletzt muskuläre Probleme und zeigte keine besonders guten Leistungen. Der 31-jährige Cop kam vor der Saison nach 6 ½ Jahren in Italien, Spanien und Belgien zurück zu Dinamo, überzeugte aber bisher bei weitem nicht so, wie in seiner ersten Dinamo-Zeit zwischen 2012 und 2014. Somit könnte auch der 26-jährige Serbe Komnen Andric eine Chance auf seinen ersten Startelfeinsatz in der neuen Saison haben. Zu erwarten ist zwar, dass der routinierte Cop wieder beginnen darf, aber Andric’ Einsatz ist zumindest nicht unmöglich.
Zu wenige Stürmertore
So oder so war Dinamo im Angriff deutlich besser aufgestellt, als Lovro Majer – der Ende August zu Stade Rennes wechselte – im Mittelfeldzentrum spielte, Arijan Ademi fit war und Bruno Petkovic den Mittelstürmer gab. Hier ist also definitiv eine Achillesferse bei den Kroaten zu orten. Als Beispiel: Im letzten Heimspiel in der Liga wurde Hrvatski Dragovoljac mit 8:0 abgeschossen. Sieben Treffer erzielten dabei Mittelfeld- oder Flügelspieler – mit Andric traf nur ein Mittelstürmer zum zwischenzeitlichen 6:0.
Starke Mannschaft mit einigen Mankos
Dinamo verfügt also über eine sehr spielstarke offensive Dreierreihe, leidet aber unter dem Abgang von Majer und der Verletzung von Ademi. Die Doppelsechs ist dennoch gut besetzt, wenngleich nicht so stark, wie sie sein könnte. Auch in der Defensive ist man nicht außergewöhnlich besetzt, wenngleich man mit Livakovic über einen ausgezeichneten Keeper verfügt. Die klare Schwachstelle ist die Position des Mittelstürmers – zumindest dann, wenn Petkovic nicht nach vorne geschoben wird, sondern weiterhin als Zehner spielt.
Schwer, aber machbar
Rapid muss punkten und das wird gegen die durchaus physische Zagreb-Elf nur über den Kampf gehen. Gerade auf den offensiven Mittelfeldpositionen ist Dinamo qualitativ deutlich stärker und auch das defensive Mittelfeld sollte gefestigter sein. In der Viererkette dürfte es zwischen den beiden Teams aber keinen markanten Qualitätsunterschied geben. Eine Mission Impossible ist das Heimspiel gegen Dinamo für die Kühbauer-Elf definitiv nicht.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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