Eine Berlinreise stand diesmal auf dem Programm. Deutschlands Hauptstadt ist nicht nur reich an Sehenswürdigkeiten und besitzt aufgrund ihrer Größe ein kosmopolitisches Flair, das... Groundhopping in Berlin – Ein Wochenende zwischen 3.Liga und Kreisliga C (3)

Eine Berlinreise stand diesmal auf dem Programm. Deutschlands Hauptstadt ist nicht nur reich an Sehenswürdigkeiten und besitzt aufgrund ihrer Größe ein kosmopolitisches Flair, das man in anderen Städten im deutschsprachigen Raum so nicht vorfindet. So hat man hier tatsächlich das Gefühl, sich in einer Weltstadt zu befinden. Aber auch der Fußball kommt in Berlin nicht zu kurz, gibt es hier rund 200 Anlagen, auf denen regelmäßig gespielt wird, und einige große Stadien, die logischerweise auch für einen Besuch lohnenswert sind.

SV Lichtenberg 47 – FC Carl Zeiss Jena 0:2 (0:1)

Trotz aufwendiger Einlasskontrollen erreichen wir noch rechtzeitig den Spielbeginn im Hans Zoschke-Stadion, das seit einigen Jahren in HOWOGE-Arena „Hans Zoschke“ umbenannt worden ist. Dass der Name Hans Zoschke hierbei nicht verschwunden ist, ist historisch sehr wichtig. War der aus Lichtenberg stammende Zoschke doch ein Teil einer Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime, der auch der bekannte Ringer und Olympiateilnehmer Werner Seelenbinder angehörte. Er wurde, wie Seelenbinder, von der Gestapo verhaftet, in Gefangenschaft gefoltert und schließlich hingerichtet. Zur Erinnerung an ihn trägt das Stadion hier seit seiner Eröffnung im Jahr 1952 seinen Namen.

Da dieses Stadion, das 1972 für die Erweiterung der angrenzenden Stasi-Zentrale abgerissen hätte werden sollen, seither nahezu unverändert blieb, ist es natürlich eine der Perlen im Berliner Fußball. Der SV Lichtenberg 47 und die Stasi waren wohl keine Freunde. Auch heute noch ist der Bezirksrivale und ehemalige Stasiclub BFC Dynamo verhasst und man bekennt sich hier, wenn es um den Profifußball und Ost-Berlin geht, zum 1.FC Union Berlin.

Mit seinem Fassungsvermögen von 9.900 Besuchern ist das Stadion übrigens das zweitgrößte, reine Fußballstadion Berlins. Zum heutigen Spiel der viertklassigen Regionalliga Nordost des SV Lichtenberg 47 und dem FC Carl Zeiss Jena kommen 1.612 Zuschauer. Die Heimfans halten sich in der Kurve im Norden auf und habe auch einen kleinen Fanblock, der mit Transparenten und Trommeln ausgestattet ist. In der Kurve gegenüber befindet sich der Gästeblock, der heute ganz gut gefüllt ist und ab der 15 Minute im Dauersupport das Team aus Thüringen unterstützt.

Spielerisch passiert in der Anfangsphase nicht allzu viel und genießen wir bei herrlichen Frühlingstemperaturen und einem Berliner Pilsener neben dem Spiel noch den Ausblich auf die in die Jahre gekommenen Tribünen und den Ausblick auf das direkt an der Nordseite des Stadions anschließende Hochhaus. Auf dem Rasen ist Jena, das in der Regionalliga auf dem zweiten Tabellenplatz steht, schon besser als die im Mittelfeld platzierten Lichtenberger und geht in der 37.Minute durch Slamar nicht unverdient in Führung.

Nach dem Seitenwechsel ändert sich wenig an der Charakteristik des Spiels. Der Verzehr eines weiteren Bieres scheitert daran, dass selbiges bei unserem Bierstand in der 50.Minute ausverkauft ist und ein Anstellen am Stand hinter der Haupttribüne wohl länger als der Rest des Spiels gedauert hätte. Spielerisch hält Lichtenberg nicht nur gut dagegen, sondern kann diese Partie auch offenhalten, doch Jena zeigt an diesem Nachmittag, dass man nicht grundlos weit oben in der Tabelle steht. Zwingende Torchancen der Berliner werden nicht zugelassen und man wartet geduldig, bis sich eine Chance ergibt, um dieses Spiel entscheiden zu können. Dies ist dann in der 75.Minute so weit, als Prokopenko aus kurzer Distanz das 2:0 für Jena erzielen kann.

Die Thüringer feiern nach dem Schlusspfiff noch ausgiebig mit den mitgereisten Fans und holen sich mit einer sehr abgeklärten Leistung drei Punkte aus Lichtenberg. Ein weiterer Verein aus dem Bezirk Lichtenberg, nämlich der BFC Dynamo, verstellt derzeit dem FC Carl Zeiss Jena noch den Platz an der Sonne, sodass eine Rückkehr in die 3.Liga für Jena nach dieser Saison eher unwahrscheinlich ist.

SV Sparta Lichtenberg III – Hertha BSC IV 3:2 (1:1)

Nach dem Spiel im Zoschke-Stadion sollte es am Stasimuseum, breiten Ausfallstraßen und Plattenbauten vorbei zu unserem letzten Programmpunkt an diesem Berlinwochenende gehen. Wir bleiben im Bezirk Lichtenberg, der einem auch noch mehr als 30 Jahre nach der Wende das Gefühl vermittelt, dass man sich hier in Sofia oder Bukarest befindet, sodass man feststellen muss, dass in Lichtenberg jedenfalls der Charme Ostberlins erhalten geblieben ist. Nach einen rund 30-minütigen Fußmarsch sollten wir den Sportplatz Hauffstraße, die Heimstätte vom SV Sparta Lichtenberg III erreichen. Die Mannschaft spiel in der Kreisliga C und somit in der letzten Spielklasse des Berliner Fußballverbandes.

Dass wir uns hier ein Spiel anschauen liegt einerseits am Platz, der zwischen Bahndamm und Wohnhäusern eingebettet liegt und über einen Ausbau mit einer kleinen zweireihigen Tribüne verfügt, andererseits auch am heutigen Gegner, der vierten Mannschaft von Hertha BSC. Wie wir schon beim Spiel im Zoschke-Stadion erfuhren, ist Lichtenberg ein Uniongebiet und so ist Spiel gegen eine Mannschaft von Hertha immer mit viel Brisanz verbunden.

Neben einigen bekannten Gesichter, die heute ebenfalls unsere Spiele abgehoppt haben, finden sich auch einige Union-Fans unter den rund 60 Zuschauern ein. Aktive Hertha-Fans kommen heute nicht nach Lichtenberg, wodurch eine mögliche Eskalation auf der Tribüne heute wohl ausbleiben wird.

Während Schiedsrichter Alkhodor vor dem Anpfiff von mir noch einfordert, dass ich schöne Bilder von ihm machen solle, kommt auch Andi auf den Sportplatz. Er ist vor sechs Jahren aus beruflichen Gründen von der Steiermark nach Berlin gezogen. Da er von unserer Anwesenheit auf dem Platz in Kenntnis ist und ihm dieser Platz noch fehlt, gibt auch er sich ein Stelldichein. Er bezeichnet sich zwar nicht als Hopper, jedoch kann man ihm eine gewisse Affinität zum Groundhopping nicht absprechen, hat er doch bereits rund 100 Plätze in Berlin und somit bereits die Hälfte aller Plätze der Hauptstadt gesehen. Natürlich hat er auch das Wissen bei welchen Berliner Vereinen in der Kreisliga immer etwas los ist und wo es immer kracht.

Wir gehen gleich auf ein Getränk zum Bierstand. Während wir ein Berliner Pilsner bestellen, hat Mozart Verständigungsschwierigkeiten mit dem Platzwart hinter der Theke, der ein echter „Ostler“ ist und Mozart ein Heineken kredenzt. Wir unterhalten uns über das Leben in Berlin, die Berliner an sich und die sozialen Brennpunkte der Stadt, wobei uns Andi hierbei einen wirklich tiefen Einblick in die Berliner Seele gibt. So gerat es fast zur Nebensache, dass Gedikli in der 17.Minute die Hertha in Führung bringt und Omolade in der 23.Minute ausgleichen kann.

Nach einer Fotorunde begeben wir uns erneut zum Bierstand, wo Mozart nun endlich auch ein Berliner Pilsner bekommt. Die Zeit vergeht auch nach der Pause wie im Fluge. Durch die unterhaltsamen Gespräche mit Andi werden wir durstig und suchen noch einmal den Bierstand auf. Andi hat jedoch nur noch einen 50 Euroschein mit, den ihm der Platzwart zuerst klein macht, um ihm dann die € 2,30 für das Krügerl abzuziehen. An der Ehrlichkeit eines Ostberliners braucht man nach dieser Aktion wohl nicht mehr zweifeln.

Wenige Augenblicke später streift mit ein ins Seitenaus gegangener Ball am Unterarm, was zur Folge hat, dass sich mein halbes Bier auf der Tribüne verteilt. Durch dieses Missgeschick beginnen wir aber eine Unterhaltung mit einem Unionhardcorefan, der Mitgefühl zeigt und uns anfangs für Holländer hält. Jedenfalls lässt diese nette Unterhaltung das verschüttete Bier gleich wieder vergessen machen.

Der Union-Fan hat in der 74. Minute einen ordentlichen Grund zu jubeln, denn Omolade bringt Sparta Lichtenberg III erstmals in Führung. Seine Gefühlslage sollte sich jedoch sechs Minuten später wieder ändern, als Karadeghi in der 80.Minute den Ausgleich für die Hertha erzielt. Doch die Schlussphase sollte hitzig bleiben und Kinold in der 90.Minute aus kurzer Distanz doch noch der Siegestreffer gelingen. Neben den Spielern sind alle Lichtenberger und Union-Fans nun völlig aus dem Häuschen.

Auch wir genießen den Freudentaumel am Sportplatz und sind sehr zufrieden, dass dieses Spiel unsere Erwartungen übertroffen hat und somit ein würdiger Abschluss unseres Berlinwochenendes war. Andi begleitet uns danach noch ein paar Stationen mit der S-Bahn, ehe er sich wieder von uns verabschiedet. Er vermeint, dass es in Berlin noch einige Schmankerl geben würde und wir auch Plätze im benachbarten Brandenburg anfahren könnten. Dies ist natürlich ganz in unserem Interesse, denn nach diesem tollen Wochenende werden wir mit Sicherheit wieder in diese Gegend kommen.

Hier einige Impressionen, die sich per Klick vergrößern lassen:

Heffridge

Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.