Der Ball klatscht an die Stange, Petr Cech und seine Teamkollegen jubeln – Bastian Schweinsteiger hat dem FC Chelsea mit seinem verschossenen Elfmeter soeben... Schweinsteigers verschossener Elfer: Wie soll man treffen, wenn man nicht mal Robben zusehen kann?

Der Ball klatscht an die Stange, Petr Cech und seine Teamkollegen jubeln – Bastian Schweinsteiger hat dem FC Chelsea mit seinem verschossenen Elfmeter soeben einen Matchball um die Champions League verschafft. Aber der Bayern-Mittelfeldspieler hätte diesen Elfmeter niemals schießen dürfen –eine psychologische Spurensuche nach dem Grund für den verschossenen Schlüsselelfer.

Mit 113 Ballkontakten war Bastian Schweinsteiger der Spieler, der den Ball im Champions-League-Finale am Häufigsten berührte. Das 27-jährige Bayern-Urgestein spielte keine schlechte Partie, glänzte allerdings auch nicht. Von allen Bayern-Spielern fabrizierte er die meisten Fehlpässe und war statistisch gesehen der ineffizienteste Spieler des Bayern-Mittelfelds. Betrachtet man die Anzahl der Torversuche und Vorlagen für Torchancen war Schweinsteiger nur gleichauf mit Innenverteidiger Anatoli Tymoshchuk.

Schweinsteiger sieht Robbens Elfer nicht

Die Partie verlief für Schweinsteiger also wechselhaft – und eine seltsame, für den weiteren Verlauf des Spiels bezeichnende Szene, gab es schließlich in der 95.Minute. Arjen Robben tritt zum Elfmeter an, nachdem Didier Drogba Franck Ribery im Strafraum legte. Schweinsteiger hockte sich mit dem Gesicht zu Torhüter Neuer an den eigenen Sechzehnmeterraum und sah sich den Elfmeter des Niederländers nicht an.

Diese Szene wirft einige Fragen auf: Einerseits muss festgehalten werden, dass das Spiel definitiv zu den wichtigsten in der Karriere des Bastian Schweinsteiger zählte. Dass die Anspannung greifbar war, ist nicht zu leugnen – aber was bringt einen Profifußballer dazu, einen der wichtigsten Momente seines Lebens nicht sehen zu wollen? Schlimmer noch: Schweinsteiger entschied sich für einen reißerischen Moment für die TV-Kameras, anstatt im gegnerischen Sechzehnmeterraum zu antizipieren. Schließlich kam es nicht erst einmal vor, dass ein Elfer erst nach dem Abpraller zu einem anderen Spieler drin war.

Selbstdarstellung

Das Handeln Schweinsteigers in dieser Situation war nicht nur unverständlich, sondern auch selbstdarstellerisch. Darüber hinaus hatte es vorentscheidenden Charakter, was Schweinsteigers entscheidenden Elfmeter im Shoot-Out betrifft. Wenn der 90-fache deutsche Teamspieler schon Arjen Robben nicht bei der Ausführung seines Strafstoßes zusehen kann, wie soll er dann – Profi hin oder her – seinen eigenen Elfmeter sicher verwandeln? Schweinsteiger  entschied sich in der Elfmetersituation in Minute 95 dafür, einen Mythos zu schaffen. Hätte Robben getroffen, hätte man sich in München noch viele Jahre die Geschichte vom Elfmeter erzählt, den das Bayern-Urgestein auf dem Platz nicht mal mit ansehen konnte.

Schweinsteiger dürfte nicht schießen

Das Resultat war jedoch ein anderes und Schweinsteiger machte sich unnötig selbst nervös, was auch in der restlichen Verlängerung sichtbar war. Als er in der 112.Minute in einen seiner vielen Zweikämpfe ging und diesen unter großem Einsatz knapp für sich entschied, war sein Gesicht schmerzverzerrt. Die letzten fast zwei Stunden nagten am Führungsspieler, sein Gesichtsausdruck verriet seine grenzwertige körperliche Konstitution. Im Elfmeterschießen lagen schließlich die Nerven blank und niemand schien antreten zu wollen, sodass sogar Manuel Neuer einen Elfmeter schießen musste (bzw. höchstwahrscheinlich auch wollte). Schweinsteiger erlebte zuvor ein Wechselbad der Gefühle und muss gewusst haben, dass die Gefahr, den entscheidenden Elfmeter zu verschießen, in dieser Lage überdurchschnittlich ist. Dass er doch zu Elfmeter Nummer 5 spazierte und diesen nicht im Tor unterbrachte, zeugte von falscher Selbsteinschätzung in einer enorm wichtigen Situation. Und der psychologische Hintergrund des verschossenen Elfers findet sich in Minute 95 wieder…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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