Am 19. Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing der FK Austria Wien den Tabellennachzügler TSV Hartberg und war dabei auf Wiedergutmachung aus. Zuletzt setzte es für die Violetten eine unglückliche 0:1-Niederlage in Lustenau, wo man trotz einer klaren Überlegenheit keine Punkte einfahren konnte und damit eine Chance verpasste, einen großen Sprung in Richtung Meistergruppe zu machen. Mit Hartberg kommt nun ein Gegner, der unter Rückkehrer Markus Schopp innerhalb kürzester Zeit im Frühjahr bislang ein gänzlich anderes Gesicht zeigt und die Gefährlichkeit in den letzten Wochen andeuten konnte. Das sollte sich auch in diesem Spiel bestätigen.
Austrias Problem mit dem 4-3-3 des Gegners
Personell blieb die Lage bei der Wiener Austria angespannt und nach wie vor fehlten zahlreiche arrivierte Kräfte, die es zu ersetzen galt. Zumindest kehrte Offensivspieler Gruber wieder in den Kader zurück, allerdings reichten dessen Kräfte nur für einen Kurzeinsatz aus. Daher mussten es de facto die gleichen Spieler richten, die zuletzt in Lustenau als Verlierer vom Platz gingen. Einzige Ausnahme war Kapitän Mühl, der nach langer Verletzungspause in die Mannschaft zurückkehrte.
Hier gab es schon in den vergangenen Tagen Spekulationen, wie Austria-Trainer Wimmer den Abwehrchef einbauen würde, überzeugten doch die beiden Innenverteidiger Handl und Martins mit starken Auftritten und besetzten somit die angestammte Position von Mühl. Daher musste der Innenverteidiger auf der halblinken Position ausweichen, was als Rechtsfuß unvorteilhaft sein kann. Ansonsten setzen die Violetten auf das mittlerweile übliche 3-4-3 System, wobei durch die flexible Rolle von Manfred Fischer dies auch durchaus als 3-5-2 betrachtet werden kann.
Interessanterweise entschied sich die Austria die Rollen im zentralen Mittelfeld zu tauschen, wo bisher Braunöder den tiefen Sechser spielte, während der immer stärker werdende Jukic den Box-to Box-Spieler gab. Das änderte sich gegen Hartberg zu Beginn und Jukic blieb tiefer, während Braunöder dafür offensiver agierte. Eine interessante Überlegung, die allerdings nicht wirklich aufgehen sollte.
Das lag in erster Linie an einer sehr gut eingestellten Hartberger Mannschaft, die bestens vorbereitet nach Wien-Favoriten angereist kam. Die Steirer formierten sich nämlich zu einem engmaschigen 4-3-3 System, welches im Mittelfeld und Angriff zwei engmaschige Dreierketten aufbot. Diese Formation ist vor allem vom FC Liverpool unter Jürgen Klopp bekannt, der dieses System perfektionierte.
Diese Taktik zielte natürlich genau auf die Formation der Austria ab und deren strategische Verhaltensweise, die man anbohren wollte. Mit den drei Angreifern ganz vorne wollten die Hartberger einen direkten Zugriff auf die drei Innenverteidiger der Violetten gewährleisten, um für eine klare Zuordnung zu sorgen und zusätzlich mit den beiden Dreierketten das Zentrum zu versperren.
Hier gab es auch einen kleinen Kniff, indem Rechtsaußen Frieser etwas weiter ins Zentrum einrückte, um den Passweg auf das zentrale Mittelfeld zu verschließen. Damit sollte die Austria auf die Außen gelenkt werden und im Speziellen in die Richtung von Rückkehrer Mühl, der etwas mehr Freiraum bekam und wie bekanntlich mit dem „falschen“ Fuß spielen musste – somit dessen Ballverarbeitung auch länger dauert, als es bei einem Linksfuß der Fall wäre.
Das kalkulierte Hartberg-Trainer geschickt ein und somit blieb Frieser genügend Zeit, aus dem Zentrum auf Mühl zu schieben und diesen anzulaufen, sobald der Ball zu ihm kam. Das war dann auch meist der Pressingauslöser für die Steirer, denn sobald der zentrale Innenverteidiger Martins auf die beiden Halbverteidiger spielte, war dies das Kommando für Hartberg nach vorne rauszuschieben und den Gegenspieler zu attackieren.
Das „Mühl-Problem“ und die Lösung Namens Aco Jukic
Dieser Matchplan der Hartberger ging in der Anfangsphase auch nahezu perfekt auf. Austria-Kapitän Mühl merkte man die fehlende Spielpraxis an und noch dazu hatte er die undankbare Aufgabe, auf einer ungewohnten Position agieren zu müssen. Auch in der Abstimmung mit seinem Nebenmann Martins gab es einige Schwierigkeiten und mehrmals kam es vor, das Martins Bälle ins Out beförderte, da er Mühl in den Raum schicken wollte, während der Kapitän den Ball auf den Fuß bevorzugte. So taten sich die Austrianer unheimlich schwer, sich an die erste Pressinglinie der Hartberger vorbei zu kombinieren und der Motor stotterte gehörig.
Die rechte Seite wurde durch eine klare Manndeckung auf Handl und Flügelverteidiger Ranftl versperrt und hier schob Hartbergs Linksverteidiger Pfeifer sehr weit nach vorne und ging ein hohes Risiko ein, um Ranftl im Pressing zu stören. Das konnte er allerdings machen, da ja Fischer bekanntlich selten seine Position am rechten Flügel hält. Wie man sieht, alles was sich Hartberg zurechtlegte, hatte Hand und Fuß und hier muss man Trainer Schopp ein Kompliment aussprechen. Die Folge war, dass die Wiener kaum in einen Spielfluss kamen und immer wieder Ballverluste die Folge waren.
Doch dass auch Austria-Trainer Wimmer etwas von seinem Fach versteht, bewies dieser bereits nach zehn Spielminuten. Die Probleme im Spielaufbau entgingen auch dem Deutschen nicht und rasch erkannte er, dass der „Rollentausch“ von Braunöder und Jukic nicht funktionierte, weshalb er von einem Kernpunkt seines Matchplanes recht früh abrückte, was sehr ungewöhnlich für Trainer ist. Diese Umstellung zielte auch darauf ab, den linken Halbverteidiger Mühl zu unterstützen und im Spielaufbau zu entlasten. So sah diese Adaption vor, dass Braunöder wieder den „Sechser“ gab, Polster weit nach vorne schieben und sich Jukic hinter Polster und seitlich vor Mühl fallenlassen sollte – in diesen von Polster kreierten Raum. Das hatte folgenden Vorteil, dass Mühl nach dem Ballerhalt direkt auf den freien Jukic spielen konnte und dieser viel Platz vor sich hatte, da Frieser ja bekanntlich zuerst auf das Zentrum achtete und dann erst nach außen schob. Bei Jukic kam er dadurch zu spät und musste den dynamischen Mittelfeldspieler ziehen lassen, der mit seinem Tempo den Ball nach vorne ins Mittelfeld führte.
Dadurch wurde der Spielaufbau der Violetten prompt etwas besser, auch wenn es nach wie vor viel Geduld erforderte, um gegen die gut organisierte Defensive der Steirer Lösungen zu finden. Doch mit diesem Kniff fand die Austria zunehmend in ihren Rhythmus hinein und waren längere Ballstafetten die Folge. Doch das beherrschten auch die Hartberger, die das Pressing der violetten Gastgeber einige Male gut aushebeln konnten.
Der Schlüssel war hier Torhüter Sallinger, der den zurückgetretenen Swete spielerisch gut ersetzt und mit seinen präzisen Pässen und Verlagerungen die Pressinglinie der Austria durcheinanderbrachte. So entstand auch die erste Topchance der Hartberger nach einem tollen Diagonalball von Sallinger, den Frieser direkt auf Prokop weiterleitete, ehe dieser an Austria-Keeper Früchtl scheiterte.
Doch es war nicht so, dass das Pressing der Violetten völlig ins Leere lief, die erste Topchance der Violetten leitete Polster durch einen Ballgewinn im Gegenpressing ein und setzte den Ball anschließend nur knapp am Tor vorbei. Wie man erahnen kann, es war ein abwechslungsreiches Spiel und beide Teams agierten auf Augenhöhe und hatten ihre Momente.
Der entscheidende Vorteil sollte letztlich die individuelle Qualität sein und dass die Hartberger fehleranfälliger agierten, als die Wiener. So auch beim 1:0 Führungstreffer der Austria, als Hartberg eigentlich den Ball bereits eroberte, um ihn dann leichtfertig zu verschenken, weshalb Polster den einlaufenden Tabakovic fand und dieser zum 1:0 traf. In so einer ausgeglichenen Partie ist es immens wichtig, in Führung zu gehen und dem eigenen Spiel noch mehr Sicherheit zu geben. So gingen die Wiener auch mit einem knappen Vorsprung in die Halbzeitpause.
Violetter Doppelschlag sorgt für die Entscheidung
Eine weitere Hiobsbotschaft mussten die Austrianer in der Halbzeitpause verkraften, denn der Stammtorhüter wurde nach einem Zusammenprall mit Verdacht auf Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gebracht und konnte somit das Spiel nicht fortsetzen. Für ihn kam sein Ersatzmann Mirko Kos in das Spiel und musste bereits nach wenigen Sekunden seine ganze Klasse aufbieten. Nach genau zehn Sekunden in der zweiten Halbzeit, kombinierten sich die Hartberger schnörkellos ins letzte Drittel und Ex-Veilchen Prokop feuerte einen Volleyschuss aufs Tor ab, welchen Kos mit einer starken Parade parieren konnte. Das hätte ein Schlüsselmoment in der Partie sein und diese sicherlich zum Kippen bringen können, doch die Austrianer hatten auch mit Kos einen sicheren Rückhalt im Tor.
Harberg versuchte nun die Schlagzahl weiter zu erhöhen und mit den Einwechslungen noch mehr Intensität aufs Feld zu bringen, während die Austria mehr auf die Umschaltmomente lauerte und mit noch mehr Tempo den Rücken der Hartberger-Defensive attackieren wollte. Das sollte auch letztlich aufgehen, als nach einem mustergültigen Umschaltangriff der aufgerückte Ranflt regelwidrig von Hartberg-Kapitän Heil zu Fall gebracht wurde und der Schiedsrichter folgerichtig auf Elfmeter entschied. Diesen verwandelte Stürmer Tabakovic eiskalt und markierte damit das wichtige 2:0. Es sollte nicht der letzte Treffer gewesen sein, denn wenige Minuten später leistete sich der Innenverteidiger der Gäste Karamoko einen groben Schnitzer und spielte unter Druck einen schlechten Pass zum Torhüter zurück, den Dovedan abfing und anschließend den mitgelaufenen Fischer bediente, der zum 3:0 traf.
Auch in dieser Szene zeigte sich letztlich der Unterschied an diesem Tag, denn von der Spielanlage und der taktischen Ausrichtung, nahmen sich beide Teams nicht wirklich viel, nur machten die Austrianer wesentlich weniger und vor allem keine solch gravierenden Fehler, wie es die Hartberger taten. Damit war nach gut 60 Minuten die Partie quasi gegessen und die Violetten verwalteten anschließend das Spiel und versuchten das Tempo herauszunehmen, was auch weitestgehend gelang, weshalb es letztlich beim 3:0 Endergebnis blieb.
Fazit
Blickt man auf das Resultat, würde man meinen, dass das eine klare Angelegenheit für die Wiener Austria war. Doch der Spielfilm gab dies nicht wirklich her und im Gegenteil, bislang wurden die Violetten weder von Klagenfurt, noch von Lustenau so gefordert, wie es den Steirern gelang. Die Hartberger kamen mit einem sehr guten Matchplan nach Wien angereist und setzten diesen auch weitestgehend gut um, weshalb man den Austrianern einiges an Problemen bereiten konnte. Sei es gegen den Ball mit dem engmaschingen 4-3-3 und den guten Pressingwellen, oder mit dem Ball, wo man ein gutes Positonsspiel demonstrierte. Die Gäste bewiesen eindrucksvoll, dass man nicht mehr die gleiche Mannschaft aus dem Herbst ist und unter Trainer Schopp nun ein völlig anderes Gesicht zeigt.
Letztlich hilft es allerdings wenig, wenn man sich durch schwere individuelle Fehler um den Lohn der Arbeit bringt. Die Austria auf der anderen Seite zeigte sich in der Hinsicht abgebrühter und spielte ihre qualitativen Vorteile aus, weshalb es letztlich ein glatter Sieg wurde. Phasenweise zeigte man auch einen ordentlichen Kombinationsfußball und war auch defensiv gut organisiert, allerdings wurde man vom Gegner auch vor einigen Aufgaben gestellt. Hier muss man Austria-Trainer Wimmer ein Kompliment aussprechen, der nicht stur seinen Matchplan durchdrücken wollte, sondern bereits früh merkte, dass er seinem Kapitän Mühl entlasten und Lösungen für den Spielaufbau finden musste. Das war ein Schlüssel dafür, dass die Austrianer in ihren Rhythmus fanden und Lösungen gegen den gut organisierten Gegner kreierten, um letztlich auch den Weg für den klaren Erfolg zu ebnen.
Dalibor Babic
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