Am 30. Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing der SK Austria Klagenfurt den FK Austria Wien zu einem wichtigen Duell um den Europacup. Dabei war... Analyse: Wiener Austria gibt spät den Sieg aus der Hand

Am 30. Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing der SK Austria Klagenfurt den FK Austria Wien zu einem wichtigen Duell um den Europacup. Dabei war es für die Kärntner eine der letzten Chancen, mit einem Sieg nochmal im Kampf um Platz 4 einzugreifen und mit der Konkurrenz gleichzuziehen. Das wollten die Wiener klarerweise verhindern, die ihrerseits die Möglichkeit hatten mit einem Sieg nicht nur den vierten Platz zu festigen, sondern auch die Kärntner aus der Verlosung zu nehmen und hinter sich zu lassen.

Wiener starten mit Elan

Nach dem wichtigen Derbysieg gegen Rapid, kamen die „Veilchen“ mit einer breiten Brust nach Kärnten angereist und wollten den nächsten Erfolg einfahren. Im Vergleich zum Duell gegen den Erzrivalen entschied sich Trainer Michael Wimmer auch keine Veränderungen vorzunehmen und auf die siegreiche Elf zu setzen. Das bedeutete auch, dass U21-Teamkapitän Matthias Braunöder auf der Bank platznehmen musste und der Routinier James Holland den Vorzug bekam. Hier setzte man den Fokus mehr auf das Thema Absicherung und Kontrolle, statt der jugendlichen Dynamik und Kreativität. Man wollte scheinbar auch nicht ein zu hohes Risiko gehen, tut man sich doch seit dem Aufstieg der Klagenfurter gegen die Truppe von Trainer Peter Pacult äußerst schwer.

Die Gründe dafür? Die Kärntner setzen auf einen massiven Defensivverbund, der untermalt wird von vielen Manndeckungen, mit denen man für eine klare Zuteilung sorgt. Das bedeutet für den Gegner, dass man ständig in Zweikämpfe verwickelt wird und sich jemand konstant an die eigenen Fersen heftet, weshalb hier Durchsetzungsvermögen und ein kluges Vorgehen gefragt ist, Die Klagenfurter sind darüber hinaus in der Meistergruppe nochmal eine Spur defensiver geworden, rückte man doch vom lange praktizierten 4-1-4-1 ab und setzt nun vermehrt auf ein massives 5-3-2 System. Das trieb man gegen die Wiener Violetten nun sogar auf die Spitze, indem man nicht nur mit einer Fünferkette agierte, sondern mit drei nominellen Sechsern vor der Abwehr, die alles aus dem Weg räumen sollten, was an ihnen vorbeiziehen wollte. Zwei reine Offensivspieler in der Aufstellung sprechen hier eine deutliche Sprache.

So startete auch das Spiel, wie es ein wenig zu erwarten war. Die Gastgeber setzten auf ein tieferes Mittelfeldpressing und formierten sich eben zu einem massiven 5-3-2, wo den Gästen der Ball übergeben wurde und man sich auf das Verteidigen konzentrierte. Die beiden ersten Verteidiger an vorderster Front positionierten sich zwischen den drei Innenverteidigern der Wiener, wobei man dabei versuchte, Pässe durch das Zentrum und in den Sechserraum zu unterbinden. Der Plan war es den Aufbau auf die Halbverteidiger zu lenken und sie auf die Außenbahn zu leiten, wo man dann zugreifen wollte. Hinter den beiden Stürmern bauten die Klagenfurter ein Netz aus Mannorientierungen auf. Man behielt die direkten Gegenspieler im Auge und verfolgte sie auch oftmals, oder übergab sie einem Mitspieler, wenn der Gegenspieler in eine andere Zone eindrang. Hier war viel Kommunikation und Laufarbeit gefragt, damit alles reibungslos von der Organisation her klappte. Dieses Defensivverhalten gegen den Ball kann man beim nächsten Bild recht gut erkennen:

Die Wiener im Ballbesitz und Spielaufbau, die beiden Stürmer der Klagenfurter positionieren sich zwischen dem zentralen Innenverteidiger Martins, während das Mittelfeld dahinter die Gegenspieler im Zentrum in eine klare Manndeckung nimmt.

Durch diese Vorgehensweise hatten die Kärntner zwar eine Drei gegen Zwei-Unterzahl in der ersten Pressinglinie und im Anlaufen, dafür allerdings in der Abwehr eine nummerische Überzahl, was folglich der Absicherung zugutekam.

Wie versuchten die Gäste aus Wien dagegen anzukommen? Prinzipiell sei dazu gesagt, gibt es einen Grund, warum die „Veilchen“ sich gegen die Klagenfurter so schwertun. Die eigene Spielweise und der Fokus auf positionelle Angriffe ist anfällig für Manndeckungen, da man einerseits über ein sauberes Positionsspiel nach vorne kommen möchte und andererseits in der Mannschaft auch nicht viele Spieler in den Reihen hat, die sich mittels Dribbling konstant aus solchen Eins gegen Eins-Situationen lösen können – um damit Unordnung beim Gegner zu stiften.

Der Trainer der Wiener versuchte sich klarerweise auch Gedanken zu machen, wie man diese Manndeckungen aushebeln könnte. Man versuchte es hier erneut eher über ein 3-4-3 wie im Derby, als im 3-4-1-2, um mehr Breite ins Spiel zu bekommen und die Klagenfurter über den Flügel zu knacken. Hier passte man nur einige Rollen etwas an, zum Beispiel, dass Fischer sich höher positionierte oder Fitz sich etwas freier bewegen durfte, um Unordnung beim Gegner zu stiften. Die Gäste zielten aber hier speziell die Halbräume neben dem zentralen Mittelfeld des Gegners an, wo man Möglichkeiten sah, im Übergangsspiel nach vorne zu kommen. Hier wich Angreifer Gruber immer wieder im richtigen Moment aus der Spitze ins Mittelfeld zurück und ließ sich in den rechten Halbraum fallen, um anspielbar für die Innenverteidiger zu sein – und dann Tempo nach vorne aufzunehmen. Dieses Muster kann man beim nächsten Bild recht gut erkennen:

Die Gäste im Spielaufbau, das Zentrum der Klagenfurter orientiert sich mit ihrer Manndeckung ans Zentrum der Wiener, wodurch Gruber sich in deren Rücken freilaufen kann und aus der Sturmspitze ins Mittelfeld zurückfällt. Die Übergabe des Gegenspielers bei den Klagenfurtern funktioniert hier nicht, weshalb Gruber hier völlig freisteht und den Ball nach vorne treiben kann.

Durch diesen taktischen Kniff kam man in der Anfangsphase über die rechte Seite einige Male gut in die gegnerische Hälfte und das letzte Drittel hinein, wo man sich auch interessante Situationen erspielen konnte. Die beste fand Torjäger Tabakovic vor, als er nach einem tollen Holland-Pass einen halben Schritt zu kurz kam und an Torhüter Menzel scheiterte (die Situation wurde fälschlicherweis auf Abseits entschieden). So schien man eigentlich auf Kurs zu sein und die Kontrolle in diesem Spiel zu übernehmen.

Bruch des Rhythmus und pomadiges Offensivspiel

Doch nach gut einer Viertelstunde war es plötzlich vorbei mit diesen guten Ansätzen und schlich sich immer mehr der Schlendrian im Spiel der „Veilchen“ ein. Man wurde im Ballbesitzspiel zunehmend ungeduldig, versuchte immer wieder mit langen Pässen hinter die Abwehr zu kommen und konnte hier keine richtige Intensität in das eigene Spiel bringen. Das hing sicherlich auch damit zusammen, dass Klagenfurt sich auf keine Spielerein einließ und den Ball humorlos klärte, bevor das Pressing der Wiener überhaupt ein Thema werden konnte. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit, denn das eigene Positionsspiel wurde immer fahriger und man versuchte sich mehr vom Gegner zu lösen und auszuweichen, statt Geduld zu haben, die Räume zu besetzen und im richtigen Moment sich anzubieten. Auch erwischten einige Spieler nicht ihren besten Tag, wodurch das Spiel der Wiener eben zunehmend abflachte und man keinen Rhythmus fand. So waren auch Chancen Mangelware, da auch von den Klagenfurter kaum etwas nennenswertes nach vorne kam. Einige Male konnte man zumindest den aktiven Flügelverteidiger Blauensteiner freispielen, allerdings mit nur zwei nominellen Offensivspieler war es hier schwer, in Unterzahl gegen die drei Innenverteidiger zu Torchancen zu kommen. Somit ging es mit einem 0:0 in die Halbzeitpause.

Realtaktische Formation der beiden Teams (Alle Daten von Wyscout S.p.a.) Die beiden Anordnungen sind nahezu deckungsgleich, was das Muster der Mannorientierungen der Klagenfurter nochmal unterstreicht und wunderbar aufzeigt.

Wiener schrauben Intensität hoch

Austria-Trainer Wimmer konnte mit dem zweiten Abschnitt im ersten Durchgang seines Teams überhaupt nicht zufrieden sein und war nun gefragt, nicht nur die richtigen Worte an seine Spieler zu richten, sondern ihnen auch das nötige Rüstzeug mitzugeben, um das Spiel zu verbessern. Man versuchte es dann auch mit einigen Adaptionen, um wieder in den anfänglichen Rhythmus zurückzufinden und die mannorientierten Klagenfurter zu knacken.

Zunächst wurde die Positionierung der Halbverteidiger der Gäste noch eine Spur offensiver und man rückte mit der gesamten Mannschaft eine Spur weiter nach vorne. Sie sollten die Drei gegen Zwei-Überzahlsituation gegen die beiden gegnerischen Stürmer ausnutzen und ins Mittelfeld gehen, um hier für Unordnung zu sorgen. Allerdings sind dafür die Halbverteidiger Mühl und Meisl nicht wirklich prädestiniert und vor allem letzterer ist für so eine Rolle spielerisch zu limitiert. Hier hätte man wohl mit Martins in dieser Rolle noch mehr Schaden verursachen können.

Dazu passte man das System etwas an und lief in einer Art 3-1-4-2 auf, da Holland nun den klaren „Sechser“ vor der Abwehr gab, während Fischer und Fitz die Halbpositionen im Mittelfeld besetzen. Dadurch tauchte Fitz nun im zweiten Durchgang auch vermehrt auf der rechten (Flügel)Zone auf und wechselte damit die Seite. Das Positionsspiel wurde hier nun auch wieder wesentlich sauberer und man versuchte geduldig die Ketten des Gegners in Bewegung zu bringen und im richtigen Moment dann Zielspieler Tabakovic zu suchen, der entweder für die nachrückenden Spieler ablegen oder mittels Flanken in den Strafraum gesucht werden sollte.

Durch diese Anpassungen von Trainer Michael Wimmer wurde das Spiel der „Veilchen“ auch besser und griffiger, weshalb man sich in der Hälfte des Gegners festsetzen konnte und Druck aufbaute. Die Klagenfurter verteidigten allerdings die Angriffe recht gut und die beiden Innenverteidiger Mahrer und Wimmer konnten die Physis von Tabakovic egalisieren, wodurch die meisten Flanken auch entsprechend verteidigt werden konnten.

Problematisch war hier dann eher, dass Offensivspieler wie Gruber oder Fitz einen ganz schwachen Tag erwischten und mit der Physis und harten Gangart der Klagenfurter nicht wirklich zurechtkamen. Das erkannte auch der Trainer der Wiener und wechselte die beiden folgerichtig aus, um frischen Wind hineinzubringen. Das gelang ihm dann auch, denn mit Jukic kam wesentlich mehr Ballsicherheit in die Offensive hinein und brachte er mit seinen klugen Läufen mehr Bewegung in den Angriff, während Braunöder ebenfalls sofort im Spiel war und mit seiner Präsenz die Bälle anzog und damit noch mehr Struktur ins Mittelfeld brachte. Dieses Duo hatte es dann auch zu verantworten, dass die Gäste in Führung gingen. Nach einem tollen Braunöder-Pass konnte Jukic auf der rechten Seite durchbrechen und mit einem platzierten Schuss ins kurze Eck das erlösende 1:0 für die Wiener erzielen.

Der Bann schien endlich gebrochen zu sein und aufgrund der absoluten Harmlosigkeit der Klagenfurter, wirkte es auch wie die Vorentscheidung. Klagenfurt-Trainer Pacult brachte zwar nochmal frische Kräfte ins Spiel hinein, doch eine richtige Druckphase entwickelte sich dadurch nicht. Eher konnten die Gäste mit längeren Ballstafetten das Spiel beruhigen und damit die Gastgeber vom Tor fernhalten. Die Kärntner sollten im gesamten Spiel auch nur ganze vier (!) Mal eine Aktion im Strafraum verbuchen, eine davon sollte jedoch letztlich ausreichen, um den Ausgleich zu erzielen. Nach einer falschen Out-Einwurf Entscheidung inklusive meterweiter Vorverlegung des Einwurfs vor den Augen des Schiedsrichterteams, wurden die Gäste aus der Bundeshauptstadt überrumpelt und kam der Ball zum eingewechselten Jaritz, der via Innenstange für den umjubelten Ausgleich in der Nachspielzeit und letztlich auch Endstand in dieser Begegnung sorgen sollte.

Fazit

Mal wieder erlitt die Wiener Austria einen kräftigen Dämpfer kurz vor Schluss und gab man eine Führung und einen potenziellen Sieg aus der Hand. Diesmal wurde man zwar vom Schiedsrichterteam benachteiligt, allerdings hätte man sich in der Situation auch klüger verhalten können. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Meistergruppe der Wiener, die mit etwas mehr Abgeklärtheit um den dritten Tabellenplatz spielen könnten, stattdessen nun nach wie vor um den Einzug in den Europacup zittern müssen. Dabei hätte man schon in der Anfangsphase bei etwas mehr Konsequenz für die Führung sorgen können, verlor jedoch stattdessen den Faden und wirkte fahrig und pomadig. Dank einiger Anpassungen gelang es dann zwar Trainer Wimmer das Spiel wiederzubeleben und auch durch die klugen Einwechslungen in Führung zu gehen, doch man brachte es wieder einmal nicht über die Zeit und somit muss man sich mit einem Punkt begnügen.

Und die Klagenfurter? Hier gibt es nicht viel zu sagen. Ein Expected-Goals Wert von 0,2 und nur vier Strafraumaktionen sprechen Bände und im Rahmen der Möglichkeiten kämpfte man zwar leidenschaftlich und verteidigte das eigene Tor gut, jedoch ist der Punktegewinn dennoch sehr schmeichelhaft und wird man mit so einem Auftreten nicht mehr viele Punkte in den verbleibenden beiden Runden machen.

Dalibor Babic