Am dritten Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing der FC Red Bull Salzburg den FK Austria Wien zum Topspiel der Runde. Dabei wollten die Bullen unter Neo-Trainer Struber nach dem Auftaktsieg gegen die WSG Tirol direkt den nächsten Erfolg folgen lassen und damit weiterhin makellos bleiben. Auf der anderen Seite stehen die Wiener inmitten einer höchst intensiven Phase, spulte man doch in den letzten zehn Tagen sowohl in Liga als auch Europacup über 4000 Kilometer ab, da die Auslosung den Violetten vier Auswärtsspiele in Serie bescherte. Daher war man gespannt, wie die Austrianer diese Strapazen verkraften würden und ob man den Liga-Krösus fordern wird können.
Austrianer verzichten auf große Rotation
Die Wiener kamen dabei mit einer breiten Brust nach Salzburg angereist, gewann man doch fünf der sechs Pflichtspiele der Saison und erwischte damit einen guten Start. Vor allem im Auswärtsspiel gegen Legia Warschau gelang zuletzt ein Coup und man bezwang den polnischen Vizemeister dank einer starken Leistung mit 2:1. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser internationalen Spiele und des dichten Programms, erwartete man ein kräftigeres Rotieren, gehen die „Veilchen“ doch in die mittlerweile vierte englische Woche.
Doch Austria-Trainer Wimmer hatte andere Pläne und vertraute zu weiten Teilen der gleichen Mannschaft, weshalb er mit Meisl, Polster und Fischer nur drei frische Kräfte in die Mannschaft brachte. In Anbetracht des dichten Programms sicherlich eine mutige Entscheidung und man wollte offensichtlich die Partie gegen den Meister nicht völlig herschenken, sondern rechnete sich gewiss Chancen aus.
Systemtechnisch gab es hier auch keine große Überraschung und man lief im gewohnten 3-4-3 auf, wobei es gegen den Ball mehr zu einem 3-4-1-2 wurde. In den letzten Begegnungen hatte man dabei durchaus Erfolg gegen die Bullen in dieser Anordnung und vor allem mit der ersten Pressinglinie, die ein „V“ bzw. eine 2-1 Formation wählte. Damit spiegelte man quasi den Aufbau von Salzburg mit den beiden Innenverteidigern und dem tiefen „Ankersechser“ davor, um hier Zugriff herzustellen. Austria-Trainer Wimmer kündigte im Vorfeld auch an, immer wieder ins Angriffspressing gehen zu wollen, um hohe Ballgewinne zu erzielen und kurze Wege zum gegnerischen Tor zu haben. Man wollte also den eigenen Spielstil durchziehen und sich nicht verstecken.
Darauf war der neue Salzburg-Trainer Gerhard Struber sicherlich gefasst und überlegte sich im Vorfeld Lösungen. Die Bullen haben jedoch mit ziemlichen Verletzungsproblemen zu kämpfen und gleich zwölf Akteure standen nicht zur Verfügung, was die Möglichkeiten klarerweise einschränkte. Unter Struber spielen die Salzburger eine Mischung aus dem gewohnten 4-Raute-2 und einem 4-2-2-2 und versuchen dabei die gewohnte Spielanlage auszuüben, die man von Red Bull Salzburg kennt: Intensives Pressing, hohe Abwehrlinie und direktes Spiel nach vorne.
Die Austria analysierte man auch genau und überlegte sich klarerweise einige Dinge, wie man den Matchplan der Gäste durchkreuzen wollte. Man zielte es hier vor allem auf die Pressingformation der Wiener ab und wollte diese 2-1 Anordnung aushebeln. Der Schlüssel hierfür sollte Mittelfeldspieler Bidstrup sein, der eine wichtige Rolle übernahm. Da der Fokus auf Sechser Gourna-Douath lag, sollte der dänische Neuzugang sich aus dem rechten Halbraum nach hinten fallenlassen (zwischen rechten Innen- und Außenverteidiger) und sich quasi neben der ersten Pressinglinie und diesem „V-Block“ der Austrianer positionieren.
Das führte zu einem Problem für die Gäste. Damit war nämlich die erste Pressinglinie in Unterzahl und stand vor einer schwierigen Aufgabe. Wenn einer der drei Stürmer auf Bidstrup rausrückte, stand entweder ein Innenverteidiger oder der Sechser frei und konnte den Ball ins Mittelfeld führen. Die Lösung läge hier eigentlich auf der Hand: Es wären Fischer oder Holland aus dem zentralen Mittelfeld gefragt, nachzurücken und Gleichzahl herzustellen. Das Problem ist jedoch, dass in dem Fall nur noch ein Zentrumsspieler als Absicherung für einen riesigen Raum verblieben wäre und hier dann gegen die Salzburger Kjaergaard und Forson noch dazu in Unterzahl agieren hätte müssen.
Das verdeutlicht ziemlich gut die Zwickmühle, die die Salzburger mit diesem simplen Kniff kreierten und womit man die Zuordnung der Wiener durcheinanderbrachte.
Salzburger dominieren das Zentrum
Die Austrianer bekamen so kaum Zugriff auf die Salzburger und liefen von Beginn an eigentlich nur hinterher. Die Gäste versuchten zwar immer wieder aggressiv vorne zu attackieren, aber durch die Unterzahl in der ersten Pressinglinie war dies ein schwieriges Unterfangen und immer wieder gelang es den Bullen, diese Überzahl speziell über Bidstrup auszunutzen und sich zu befreien. Mit einem hohen Laufpensum wäre es vielleicht möglich gewesen, diese Räume noch irgendwie zuzulaufen, doch man merkte recht früh, dass bei den Violetten bei den hochsommerlichen Temperaturen die letzten Prozente an Fitness und Frische fehlten. Dass die erste Pressinglinie de facto kein Faktor in diesem Spiel war, war allerdings speziell gruppentaktisch ein großes Problem und beeinflusste letztlich die gesamte Defensivordnung auf negative Art und Weise.
Dadurch waren drei Spieler de facto aus dem Spiel und in weiterer Folge die beiden Mittelfeldspieler Holland und Fischer ziemlich auf sich alleine gestellt bzw. oftmals in Unterzahl. Salzburg spielte hier die Präsenz im Zentrum aus und rückte mit Forson, Kjaergaard und Bidstrup aggressiv nach und erdrückte die Austrianer förmlich. Am offensichtlichsten war dies bei den Angriffsmustern der Salzburger über den Flügel, denn immer wieder gelang es den Gastgebern, mit diagonalen Zuspielen ins Zentrum diese Lücken und Freiräume zu bespielen und gefährliche Situationen zu kreieren. Dazu hatten die Bullen mit Konate einen unheimlich präsenten Angreifer, der mit seinen Tiefensprints immer wieder die Abwehrreihe nach hinten drückte und bedrohte, was das Herausrücken der Innenverteidiger erschwerte.
Vereinfacht gesagt: Es passte von hinten bis vorne bei den Austrianern nichts wirklich zusammen und eine richtige Kompaktheit bekam man nur selten zustande, weshalb das Auftreten dementsprechend aussah. Man war in Wirklichkeit von Beginn überfordert und von Minute zur Minute wurde diese Tatsache sogar zunehmend schlimmer. Der einzige Grund, warum man lange Zeit die Null halten konnte, war einerseits, dass die Bullen nachlässig agierten und viele Situationen schlecht zu Ende spielten, oder der starke Austria-Torhüter Früchtl bzw. ein Verteidiger in höchster Not retten konnten.
Diese ganze Problematik wurde auch dadurch verschlimmert, da das Ballbesitzspiel ebenfalls kein wirklicher Faktor war. Von hinten heraus fand man kaum spielerische Lösungen, spielte viele lange Bälle nach vorne und wenn man es doch probierte, waren meist gefährliche Ballverluste die Folge. Eine Passquote von nur 60 Prozent zur Halbzeit spricht Bände. Hier machte sich auch die Abwesenheit von einem Zielspieler wie Tabakovic bemerkbar, der in solchen Situationen die Bälle sichern und verarbeiten konnte, um Ruhe und vor allem noch etwas wichtigeres, nämlich Entlastung ins Spiel zu bringen. Diese Entlastung war in der ersten Halbzeit kaum gegeben und dementsprechend liefen die Violetten dem Ball nur hinterher und mussten qualvolle Meter abspulen.
Man musste eine Angriffswelle nach der nächsten überstehen und stand förmlich unter einer Belagerung. Die Beine wurden dadurch von Minute zur Minute schwerer und speziell gegen Ende der Halbzeit war man stehend K.O. und wollte sich nur noch in die Halbzeit retten. Irgendwie gelang dies dann auch und damit bot sich die Chance für Austria-Trainer Wimmer, einzugreifen und neue Maßnahmen zu setzen.
Austrianer stabilisieren sich auf niedrigem Niveau
Nach der ersten Halbzeit war für die Gäste klar, dass man so nicht weiteragieren könne und Veränderungen nötig sein werden. Überraschenderweise nahm der Trainer der Austria allerdings nicht das Hauptproblem ins Visier, nämlich die erste Pressinglinie und die fehlende letzte Frische, sondern wechselte mit Ranftl und Braunöder zwei Akteure für weniger neuralgische Zonen ein. Das überrascht vor allem bei einem Akteur wie Dominik Fitz, kam dieser doch gar nicht mit der aggressiven Spielweise der Salzburger klar. Es fehlte ihm offensichtlich an Spritzigkeit, weshalb er sich einen Ballverlust nach dem anderen leistete und kein Faktor war. Das sollte sich auch rasch rächen, denn es dauerte keine zehn Minuten, bis die Bullen in Führung gingen.
Fitz ging (wiederholt) zu lasch in einen Zweikampf und ließ sich den Ball von Bidstrup abluchsen. Salzburg führte einen schnellen Konterangriff vor und der starke Bidstrup bediente nach seinem Ballgewinn auch noch seinen Kollegen Forson, der das verdiente 1:0 besorgte. Gleich danach griff der Austria-Trainer zur überfälligen Maßnahme und wechselte Fitz und Huskovic aus, um frische Kräfte für den Angriff zu bringen, doch war dies in diesem Fall schon zu spät. Man konnte das Auftreten dann mit den frischen Kräften und einigen Anpassungen dann doch zumindest etwas stabilisieren und es gelang mit dem Ball mehr Entlastung und damit mehr Balance zu besorgen. Jedoch tat man sich schwer, die Defensive der Salzburger zu knacken und speziell im Sturmzentrum fehlte es an der nötigen Präsenz, um sich u.a. gegen einen robusten Innenverteidiger wie Pavlovic durchzusetzen.
So plätscherte die Begegnung mit Fortdauer dem Ende hingegen und die Bullen verlegten sich zunehmend aufs Kontern, während die Violetten das Risiko nach und nach erhöhten. Doch auch durch das erhöhte Risiko kamen die Wiener zu keiner einzigen Torchance und man blieb offensiv harmlos. Stattdessen bekamen die Salzburger einige Kontermöglichkeiten und erzielten gleich mehrere Abseitstore, was in der Schlussphase zu mehreren Unterbrechungen durch die VAR-Überprüfungen führte. Mit dem letzten Angriff gelang es den Gastgebern dann doch, den Deckel zuzumachen und der starke Konate markierte den 2:0-Endstand.
Fazit
Es war letztlich ein gebrauchter Nachmittag für die Veilchen, denn trotz der relativ überschaubaren Rotation, war man de facto völlig chancenlos und es gab im gesamten Spielverlauf keine Phase, in der man den Bullen gefährlich werden konnte. Einige Spieler wirkten offensichtlich nicht wirklich frisch und hier stellt sich nachträglich natürlich die Frage, ob es strategisch und im Hinblick auf die nächsten Wochen nicht klüger gewesen wäre, mehr Veränderungen vorzunehmen und vor allem die Offensivreihe für das wichtige Rückspiel gegen Legia Warschau zu schonen.
Im Nachhinein lässt sich das natürlich leichter argumentieren, ganz von der Hand zu weisen ist dieser Aspekt jedoch nicht. Daher darf man gespannt sein, wie sich die Violetten körperlich in den nächsten beiden Heimspielen präsentieren werden und ob es gelingt, alle Kräfte zu bündeln. Positiv ist zumindest, dass man im Vergleich zum Salzburg-Spiel einen extra Tag an Regeneration hat und diesen hoffentlich auch nutzen kann.
Dalibor Babic, abseits.at
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