Nachdem der SK Rapid spätabends bereits die Verpflichtung des 21-jährigen Defensivallrounders Neraysho Kasanwirjo bekanntgab, legte man kurz vor Ende der Transferzeit um Mitternacht noch... Spieleranalyse: Das ist Rapids Cvetkovic-Ersatz Terence Kongolo

Nachdem der SK Rapid spätabends bereits die Verpflichtung des 21-jährigen Defensivallrounders Neraysho Kasanwirjo bekanntgab, legte man kurz vor Ende der Transferzeit um Mitternacht noch einen nach. Vom Fulham FC kommt der routinierte, niederländische Innenverteidiger Terence Kongolo.

Mit dem 29-jährigen Kongolo holte Rapid nun auch die „entgegengesetzte“ Lösung im Vergleich zu Kasanwirjo. Der Niederländer ist ein Innenverteidiger, der nicht nur das Linksfußproblem in der zentralen Abwehr lösen soll, sondern auch als Backup auf der linken Abwehrseite zum Einsatz kommen kann.

U17-Europameister und Shooting Star bei Feyenoord

Der Routinier hat eine durchaus bewegte Karriere hinter sich. Sein Debüt für Feyenoord Rotterdam gab er kurz nach seinem 18. Geburtstag – damals war der kongolesisch-stämmige und in der Schweiz geborene Niederländer bereits seit knapp zehn Jahren beim Klub. In der Kampfmannschaft der Rotterdamer sollte er für insgesamt fünf Jahre bleiben. Bereits nach zwei Jahren spielte er sich in die niederländische Nationalmannschaft, für die er auf vier Einsätze kam. Zuvor war mit der U17 der Niederlande im Jahr 2011 Europameister geworden – was ihn mit Kasanwirjo vereint, der dieses Kunststück acht Jahre später wiederholte. Mit Kongolo spielten damals beispielsweise Memphis Depay, Nathan Aké und Jetro Willems. Im Finale gegen Deutschland erzielte er einen Treffer.

Auch bei Feyenoord lief alles nach Wunsch: Kongolo bestritt insgesamt 138 Spiele für den Verein – etwas mehr als die Hälfte in der Innen-, sonst in der linken Verteidigung. Er erzielte drei Tore und neun Assists, holte mit dem Team im Jahr 2017 den Meistertitel in der Eredivisie. Unmittelbar nach dem Titelgewinn wechselte er zur AS Monaco, die 15 Millionen Euro Ablöse für den damals 23-Jährigen bezahlte. In einer Abwehr mit dem Brasilianer Jemerson, dem polnischen Routinier Kamil Glik und Almamy Touré aus Mali hatte es Kongolo von Beginn an schwer und so wurde er bereits nach einem halben Jahr nach England verliehen.

Guter Beginn in England und Abstieg

Kongolo kam beim damaligen Premier-League-Klub Huddersfield Town unter, wo er ebenfalls von Beginn an Stammspieler war, den Klassenerhalt schaffte und im Sommer 2018 fest verpflichtet wurde. Diesmal betrug die Ablöse sogar 20 Millionen Euro. Allerdings stieg das Team in der Saison 2018/19 – mit Kongolo als Stammspieler – als Stockletzter in die Championship ab und ab hier begannen für den einst als riesiges Talent gehandelten Abwehrmann die Probleme.

Auch in der Championship war Kongolo zunächst gesetzt – Huddersfield wurde allerdings in die unteren Tabellenregionen durchgereicht und kam mit dem Abstieg nicht gut zurecht. Im Herbst 2019 hatte er zwischenzeitlich Muskelprobleme, die ihn für sechs Wochen außer Gefecht setzten – im Frühjahr folgte aber mit einem Fußbruch der erste richtig große Rückschlag in seiner Karriere. Kongolo war mittlerweile leihweise nach Fulham, damals ebenfalls ein Championship-Klub, gewechselt und fiel fast für das gesamte Jahr 2020 aus. Effektiv verletzt war er etwa ein halbes Jahr, danach versuchte er mit Individualtraining ins Team zurückzufinden.

Schwerwiegende Verletzungsprobleme über zwei Jahre

Fulham gelang in jener Saison allerdings der Aufstieg und obwohl Kongolo nur eine einzige Saisonpartie absolvierte, vertraute man auf seine Fähigkeiten und verpflichtete ihn fest von Huddersfield. Der Neo-Rapidler unterschrieb damals – gerade im Begriff wieder fit zu werden – einen Vertrag über vier Jahre mit Option auf ein weiteres Jahr. Doch praktisch mit seiner Unterschrift folgte mit einer Verletzung am Knöchel der nächste Rückschlag, der ihn drei Monate zum Zuschauen verdammte.

In der Saison 2020/21 kam Kongolo nur auf einen Einsatz in der Premier League und einen im FA Cup. Kurz vor Saisonende musste er sich schließlich auch noch einer Operation am Knie unterziehen. In diesem hatte sich ein Knochenödem gebildet und Kongolo fiel weitere fünf Monate aus. Zwischen September 2019 und September 2021 fehlte er verletzungsbedingt 1 ¼ Jahre. Zwar fiel er seitdem nicht mehr aufgrund von Verletzungen aus, aber die lange Leidenszeit hat ihre Spuren hinterlassen.

Leihe und Meistertitel in der Ligue 2

Nachdem er auch in der Saison 2021/22 keine einzige Partie für Fulham absolvierte, entschied man sich im September 2022 für eine Leihe. Der Defensivmann schloss sich dem französischen Zweitligisten Le Havre an, der in dieser Saison Meister in der Ligue 2 werden sollte. Wenn Kongolo auf dem Platz stand – was insgesamt 15-mal der Fall war – verlor Le Havre keine Partie und von Jänner bis April 2023 bestritt er zehn aufeinanderfolgende Spiele über die volle Spieldauer. Warum das im Grunde problemlos machbar war, erklären wir später in dieser Analyse.

Grundsätzlich war also gegen Ende der vergangenen Saison sichtbar, dass Kongolo durchaus noch spielen kann und die Verletzungen ihn noch nicht endgültig in die Knie gezwungen haben. Dennoch muss primär konstatiert werden, dass Kongolos Körper eine tickende Zeitbombe ist. Sein ausgesprochen wuchtiger Spielstil, der zahlreiche Tacklings und allgemein hohes Tempo in Zweikämpfen beinhaltet, kann stets dazu führen, dass alte Verletzungen wieder aufbrechen.

Wundertüte Körper

Die Tatsache, dass er im Grunde den verletzten Nenad Cvetkovic ersetzen soll, wirkt vor diesem Hintergrund durchaus ironisch – bei Rapid ist man allerdings der Ansicht, dass man dieses Risiko für einen kurzen Zeitraum eingehen kann. Ob Kongolo ein sinnvolles „Langzeitprojekt“ ist, sei dahingestellt – aber auch bei Lucas Galvao wollte man einst von einer Verpflichtung absehen, weil das Knie nicht mehr lange mitmachen würde. Dass der Brasilianer seitdem keinerlei Knieprobleme hatte, ist ebenfalls bekannt…

Ob Kongolo bei Rapid funktioniert und sein unbestritten großes Potential abrufen kann, ist demnach auch ein bisschen Glückssache. Der Stil des Niederländers ist zumindest teilweise mit dem von Nenad Cvetkovic vergleichbar und sofern er gesund bleibt und schnell die Mannschaft findet, wäre er stilistisch ein guter Ersatzmann für den Serben.

Solide und passsicher in einer pragmatischen Mannschaft

Der beobachtbare Sample von Kongolos Leistungen nach den Verletzungen ist relativ gering. Schließlich absolvierte er nach seiner langen Leidenszeit nur 15 Spiele für Le Havre – übrigens allesamt in der Innenverteidigung. Dass sich sein Stil durch die Verletzungen veränderte, war unübersehbar und so fielen bei den Franzosen die progressiven Läufe, die ihn einst auch in Rotterdam oder Huddersfield auszeichneten, weitgehend weg.

Kongolo konzentrierte sich demnach auf statischeres Verteidigen und spielte defensiv eher vorsichtiger. Das war allerdings auch eine Implikation des Le-Havre-Spielstils. Der spätere Zweitligameister kassierte in 38 Ligaspielen nur 19 Gegentore, war massiv auf defensive Stabilität bedacht, kam stets schnell mannschaftlich geschlossen hinter den Ball und so konnte Kongolo defensiv relativ unauffällige, aber sehr solide und passsichere Spiele abspulen.

Eigentlich in offensiveren Mannschaften stärker

Die Unterschiede in Kongolos bisherigen Mannschaften veränderten auch, wie er allgemein agierte. In Le Havre war es ihm in einer insgesamt defensiv ausgerichteten, sehr kompakten Mannschaft, die eher überraschend den Titel holte, möglich, sehr pragmatisch zu agieren. Dies war auch ein Grund dafür, warum er in der Abstiegssaison mit Huddersfield 2018/19, in der das Team nur 16 Punkte holte, einer der wenigen waren, die kaum abfielen, sondern sich eher erneut für die Premier League empfahlen (was Fulham schließlich auch sah). Hier war das eher tief angelegte Spiel gegen den Ball deutlich wichtiger.

Seine besten Spiele absolvierte der Rapid-Neuzugang allerdings in Mannschaften, die grundsätzlich offensiv denken und hoch verteidigen wollen. Dies war auch der Grund dafür, warum Kongolo in jungen Jahren bei Feyenoord zu einem wahren Shooting Star wurde. Der athletische, sehr lauf- und sprintstarke Verteidiger war ein wichtiger Balancegeber, weil er auch seine Rolle als Linksverteidiger nicht zu riskant anlegte, sondern eher seine Vorderleute glänzen ließ, um dann vor allem im Mittelfeld-Gegenpressing parat zu stehen, wenn der Ball doch verloren ging.

Klare Stärken im defensiven Bereich

Als Linksverteidiger war Kongolo nie ein Flankenläufer, sondern am Ball ein recht sicherer Akteur, der vor allem mit seinem Positionsspiel punktete. Dass er eigentlich Innenverteidiger war, kam ihm dabei zugute und seine Vorzüge auf der Außenbahn waren klar defensiver Natur. Speziell seine Sliding Tacklings und seine intensive, körperlich aufwändige Zweikampfführung machten ihn nicht nur bei Feyenoord, sondern auch in Huddersfield zu einem der Publikumslieblinge.

Bei Rapid ist anzunehmen, dass Kongolo in den allermeisten Fällen als linker Innenverteidiger zum Einsatz kommen wird. Da er auch selbst ein Linksfuß ist, bietet das Rapid neue Möglichkeiten im Aufbauspiel. Allerdings ist auch wahrscheinlich, dass Kongolo im Aufbauspiel eine eher sichernde Rolle einnehmen wird. Sein Passspiel ist zwar in den meisten neuralgischen Zonen progressiv, aber auch nicht besonders risikoreich. Dem steht aber auch gegenüber, dass er wohl durchschnittlich eine etwas höhere Feldposition einnehmen wird, als zuletzt in Le Havre – vor allem gegen die qualitativ schwächeren Gegner.

Alle Screenshots von Wyscout S.p.a.

Die Grafik zeigt, dass Kongolo vor allem im Zentrum relativ progressiv im Passspiel agiert und in der Ligue 2 auch einer der besten Passspieler war, was die Genauigkeit betrifft. Einzig auf der linken Seite bzw. im linken Halbraum agierte er noch einmal extrasicher und suchte eher Pässe nach hinten, als mutige Vorstöße. Möglicherweise einer der größten Unterschiede zu seinem Spiel in der Feyenoord-Zeit.

Die Balleroberungsstatistiken aus seiner Le-Havre-Zeit zeigen jedoch, dass Kongolo gerade in tiefen Feldpositionen und bis in den Sechserraum hinein, eine wichtige Instanz im Gegenpressing war, was ihn wiederum ein mit Nenad Cvetkovic verbindet. Dass er mit diesem Gegenpressing auch im zweiten Drittel recht viele Bälle eroberte, ist eine zusätzlich positive Facette.

Rolle als routinierter Stabilisator und statischer Verteidiger

Seine Aufgabe bei Rapid wird aber weitgehend defensiver Natur sein und er wird eher an seine Le-Havre-Zeit, als an seine Feyenoord-Zeit anknüpfen. Einerseits, weil nicht anzunehmen ist, dass er häufig als Linksverteidiger auflaufen wird, andererseits, weil sein vor allem tiefes Defensivspiel nach seinem Comeback in Frankreich mehr als solide war. In seinen 15 Einsätzen (ca. 1.000 Spielminuten) für den Zweitligameister verlor er im ersten Drittel nur fünf Zweikämpfe. Einzig bei den gewonnenen, defensiven Kopfballduellen fällt der Niederländer gegenüber Cvetkovic, der in dieser Metrik aber gemeinsam mit Querfeld eine Macht ist, etwas ab.

Diese Stabilisierungsfunktion wird er auch bei Rapid einnehmen. Angesichts seiner Verletzungsgeschichte wären alle anderen Experimente auch nicht sinnvoll. Kongolo soll im statischen Verteidigen Sicherheit geben und Rapid-Juwel Leopold Querfeld weiter die Möglichkeit geben, sich gut und konstant weiterzuentwickeln. Die grundsätzlich wichtigste Basis ist aber: Das Knie muss halten…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen