Zumindest vier Wiener Derbys ohne Auswärtsfans, lebenslange Stadionverbote für Fans aus beiden Fankurven – und das, was der Senat 1 den Klubs noch „draufschlagen“... Kommentar zum Derby: Warum jetzt ALLE Verantwortung übernehmen müssen!

Zumindest vier Wiener Derbys ohne Auswärtsfans, lebenslange Stadionverbote für Fans aus beiden Fankurven – und das, was der Senat 1 den Klubs noch „draufschlagen“ wird. Die ersten Konsequenzen aus den Ausschreitungen nach dem Derby sind bereits fix. Aber werden sie etwas an der Gesamtlage ändern?

Immerhin: Auch wenn weder die Pressekonferenz von Austria-Geschäftsführer Harald Zagiczek, noch die von Rapid-Präsident Alexander Wrabetz rhetorisch von höchster Güte war, sind sich die Vereine jeweils ihrer Schuld und Verantwortung bewusst und versuchen sich nicht auf die Schuld des jeweils anderen auszureden. Die wenig hilfreichen „die haben angefangen“-Parolen kann man ohnehin bereits in Foren und sozialen Medien nachlesen.

Hängen blieb ein Satz von Wrabetz, der sinngemäß lautete: „Wir haben kein Fanproblem, wir haben kein Sicherheitsproblem, wir haben ein Derbyproblem.“ – Bei den Duellen mit der Austria sieht der Rapid-Präsident ein Problem, das es „seit Jahrzehnten“ gäbe, das aber in den letzten Jahren zu einem verschärften wurde. Dass man weder Fan- noch Sicherheitsprobleme hätte, argumentierte Wrabetz mit den mehrfach nahezu ausverkauften Spielen im Westen Wiens und, dass es zuletzt sonst keinerlei Probleme gab.

Wenn von „Fanproblemen“ gesprochen wird, meint man aber auf der ganzen Welt nicht „alle“, sondern nur „einige wenige“. Sich also auf Zigtausende auszureden, die wegen des Sports ins Stadion zu kommen, ist scheinheilig. No na sind das die meisten, sonst könnte man den Klub ja gleich zusperren. Die wenigen, die Probleme machen, sind aber sehr wohl ein Problem.

Mit Stadionverboten wird die Sache weder bei Rapid, noch bei der Austria erledigt sein. Für diverse „Gäste aus dem Ausland“ ist es eher ein Ritterschlag anderswo Stadionverbot zu bekommen. Die wären vielleicht für das eine oder andere Spiel mit Krawallpotential nochmal aufgekreuzt, aber wenn sie’s nicht tun, dann stehen halt die nächsten parat.

Man kann nun überlegen, mit personalisierten Tickets oder ähnlichem für bessere Einlasskontrollen zu sorgen, eventuell auch das Sicherheitspersonal besser schulen – oder aber besser bezahlen. Man könnte auch noch deutlich restriktiver werden, wie es in England der Fall ist, aber nach einigen Problemen sogar in Ungarn durchgesetzt wurde. Das könnte theoretisch Abhilfe schaffen, birgt aber auch weiteres Radikalisierungspotential in sich.

Dass alle, die identifiziert werden können, lebenslanges, österreichweites Stadionverbot ausfassen müssen – darüber muss wohl nicht diskutiert werden. Zu groß ist der Schaden, den diese Einzelnen anrichten können, wenn man bedenkt, dass einerseits Rapid endlich im Begriff ist, wieder erfolgreichen Fußball zu spielen und das Publikum eigentlich wieder begeistert, andererseits die Austria ohnehin seit mehreren Jahren immer am Rand der Insolvenz tänzelt.

Und das scheint auch der Konsens zwischen den Vereinen zu sein. Nun wird’s aber darauf ankommen, diese für so manchen möglicherweise unangenehmen Konsequenzen auch rigoros durchzuziehen, mögliche Verhaberung hin oder her. No one’s bigger than the club – und das muss jeder verinnerlichen. Wenn nicht schon aus logischer Herangehensweise heraus, dann eben in Form von individuellen Strafen und gegebenenfalls Schadloshaltung.

Ein Fazit aus den Szenen am Sonntagabend ist also, dass sich alle Beteiligten ihrer Schuld und Verantwortung bewusst sind. Wer sich allerdings recht einfach und nonchalant aus ihrer ebenfalls absolut gegebenen Verantwortung herauszustehlen versuchte, war die Polizei, die in ihrer Erklärung sinngemäß verlautbarte, alles richtig gemacht zu haben.

So einfach geht’s aber nicht, liebe Exekutive, denn sämtliche Fans im Stadion haben schon sehr genau gesehen, wie dieser Einsatz in die Hose ging. Die Exekutivbeamten schritten schlichtweg viel zu spät ein, auf dem Platz wurde schon zwei Minuten zwischen den verschiedenen Gruppen geschlägert, als der erste Polizist am neuralgischen Punkt aufkreuzte. Von der Untätigkeit beim (ausgesprochen gefährlichen) Böllern ganz zu schweigen.

Keine Erklärung gab es von der Polizei zudem, wieso offensichtlich zwei Beamten des „Szenekundigen Diensts“, die Stadiontore öffneten (oder zumindest dafür sorgten, dass sie nicht verschlossen blieben). Das Video hierzu macht bereits die Runde und die angeblich so korrekt handelnde Polizei schweigt. Sich danach auf die „3-D-Strategie“, wobei das erste D für Dialog steht (sehr lustig/sinnlos, in einer solchen Situation…) auszureden und sich im Nachhinein mit einer Zeitstatistik zu rühmen, dass innerhalb von fünf Minuten alle Radaubrüder vom Spielfeld entfernt werden konnten, ist schlichtweg schwach und steht in krassem Gegensatz dazu, dass die Vereine sich dem Ernst der Lage durchaus bewusst sind.

Die Klubs müssen nun also dafür sorgen, dass sämtliche Ankündigungen keine Lippenbekenntnisse bleiben. Und die Polizei sollte sich ebenfalls darüber im Klaren sein, dass sie nicht nur für An- und Abreise bei Spielen vor Ort ist, sondern sehr wohl ein Player ist, wenn auf dem Spielfeld und auf den Tribünen Menschen verletzt werden.

Und die Fans? Die in grün-weiß sollten vor allem auf die Tabelle schauen. Rapid hat erstmals seit sehr langer Zeit die Möglichkeit oben mitzuspielen und es sollte klar sein, dass Fußballfeste Priorität haben müssen. Die in violett sind sich über die Lage ihres Klubs sicher auch in recht deutlichem Umfang bewusst und wissen, dass jede zusätzliche Strafe oder unnötige Ausgabe eine Gefährdung für die finanzielle Sicherheit des Klubs darstellt. Mal ganz abgesehen davon, dass solche Auswüchse sowieso allgemein, völlig situationsunabhängig einfach nicht drin sein dürfen.

Und wenn’s keine von den „Eigenen“ waren, die für den Derby-Aftermath verantwortlich waren, dann sollte man ganz grundsätzlich auch über einen kurveninternen Selbstreinigungsprozess nachdenken – denn der ist es eigentlich, der vor allem anderen noch am meisten erfolgsversprechend wäre. Und diejenigen, denen es sowieso völlig wurscht ist, wie schlecht ihr Handeln für den jeweiligen Klub ist, sollten denjenigen in der Kurve, die das Ganze dann doch primär sportlich betrachten (und das ist nun mal auch im Fanblock die große Mehrheit), eben nicht wurscht sein. Und damit schließt sich der Kreis zum Thema Verantwortung – denn natürlich sind auch die Fans mündige Erwachsene und sollten sich über die Aktion-Reaktion-Sache schon auch im Klaren sein. Beim Fotografieren im Block sei „jeder für seinen Nebenmann verantwortlich“. Dann aber bitte auch bei so etwas…

(Tobias Richter)

Tobias Richter

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