Manchester United und die kuriose „Ashworth-Affäre“
England 14.Dezember.2024 Michael Bigl
Nach weniger als 6 Monaten endet die Schaffensperiode von Dan Ashworth als Sportdirektor bei Manchester United. Anfang des Jahres überwiesen die Red Devils noch zwischen zwei und drei Millionen Pfund an den Ligarivalen Newcastle United, um Ashworth zum Aushängeschild der von Clubteilinhaber Sir Jim Ratcliffe personell neu aufgestellten Vereinsstruktur zu machen. Das abrupte und frühzeitige Ende von Ashworths Amtszeit wirft abermals Rätsel über die Zustände bei den Red Devils und den neuen Führungsstil von INEOS auf.
Manchester United im personellen Wandel
Es dauerte nicht lange, bis Neo-Coach Rúben Amorim gegenüber den Medien und Fans betonte, dass es Zeit brauchen würde, bis Manchester United an vergangene Erfolge anknüpfen könne. Kürzliche Niederlagen gegen Arsenal und Nottingham Forest bezeugen die Richtigkeit dieser Ersteinschätzung. Die Red Devils wieder an die Spitze der Premier League und zu internationaler Größe zu führen, bleibt eine Herkules-Aufgabe, an der zuvor schon so namhafte Trainer wie José Mourinho, Louis van Gaal oder auch Ralf Rangnick scheiterten. Vielfach wurde betont, dass große strukturelle Änderungen vonnöten seien, um eine nachhaltige Kurswende beim Premier-League-Rekordmeister zu bewirken.
Mit dem Anteilskauf durch Sir Jim Ratcliffe über seine Investmentgruppe INEOS schienen große personelle Umkrempelungen unweigerlich zu sein – sehr zur Freude vieler Fans, die sich Veränderungen gegenüber der Führung durch die Glazer-Familie wünschten. Tatsächlich drückte INEOS United, ohne lange zu fackeln, seinen Stempel auf. Der ehemalige Rennradprofi und nunmehrige INEOS Director of Sport, Sir David Brailsford, holte Jason Wilcox als neuen Technischen Direktor und Christiopher Vivell, der zuvor für Salzburg, Leipzig und Chelsea tätig war, als Scouting- und Recruiting-Verantwortlichen mit an Bord. Mit der Abwerbung von Omar Berrada vom Stadtrivalen Manchester City als neuen CEO, war INEOS ein regelrechter Coup gelungen. John Murtough und Ed Woodworth, die von kritischen Stimmen als hauptverantwortliche Funktionäre für das phasenweise unterirdische sportliche Auftreten Uniteds angesehen wurden, mussten den Klub verlassen.
Dan Ashworth als Schlüsselpersönlichkeit für INEOS Pläne
Das Tüpfelchen auf dem i sollte dann zu guter Letzt die Abwerbung Dan Ashworths von Newcastle United sein. Ashworth wurde in Insiderkreisen schon seit geraumer Zeit als heiße Aktie gehandelt – ein Mann mit Gespür und Auge für junge Talente, der von Kennern respektiert und gemocht wird. Insbesondere mit seiner klaren Transferphilosophie wusste Ashworth bei seinen ehemaligen Arbeitgebern in Newcastle und Brighton immer wieder zu überzeugen.
Für vergleichsweise geringes Geld gelang es ihm, eine Vielzahl an jungen Talenten, wie Alexis MacAllister, Moises Caicedo, Karou Mitoma, Marc Cucurella, Nick Pope, Sven Botman, Anthony Gordon, Alexander Isak, Tino Livramento oder Harvey Barnes für seine Vereine zu akquirieren, erfolgreich zu fördern und vielmals gewinnbringend weiterzuverkaufen. All dies schien Ashworth zum idealen Problemlöser für Manchester United, einen Verein, der seit Jahren dunkelrote Zahlen mit seiner fragwürdigen Transferstrategie erzielt, zu machen.
So war es wenig überraschend, dass INEOS und Jim Ratcliffe eine regelrechte Charme-Offensive starteten, um den ehemaligen Sportdirektor aus Newcastle loszueisen. Ratcliffe wollte den Umbau seiner Führungsriege mit dem idealen Kandidaten abschließen – mit der Verpflichtung von Ashworth als ersten dezidierten Sportdirektor in Uniteds Geschichte sollte eine neue Zeitrechnung eröffnet werden. Auch, dass sich die Magpies den Transfer Ashworths teuer vergüten lassen wollten – zunächst war eine kolportierte Ablösesumme von 20 Millionen Pfund im Gespräch – sollte diesem Vorhaben nicht im Weg stehen.
Nachdem Dan Ashworth bereits seit Februar auf „Gardening Leave“ gewesen war und zwischenzeitlich sogar erwogen hatte, rechtliche Schritte gegen seinen damaligen Noch-Arbeitgeber, Newcastle United, einzuleiten, konnten sich die beiden Uniteds letztendlich auf eine Ablöse im Raum von zwei bis drei Millionen Pfund einigen. Schlussendlich konnte Ashworth im Juli seinen neuen Posten im Old Trafford antreten.
Ein abrupter Abschied – Ursachen und Hintergründe
Doch Ashworths Gardening Leave sollte letztendlich länger andauern als seine tatsächliche Amtszeit beim Manchester United Football Club. Diese Woche gab United bekannt, dass sich Ashworth und der Verein einvernehmlich voneinander trennen würden. Nach INEOS geschilderten großen Bemühungen um Ashworth wirft diese Entwicklung große Fragen auf. Quellen zufolge soll es keinen großen Streit mit klarem Anlassfall zwischen beiden Parteien gegeben haben, der eine Beendigung der Arbeitsbeziehung zwingend nötig gemacht hätte. Vielmehr dürften in den vergangenen Monaten generelle Differenzen zwischen Ashworths Ansichten und den Plänen der restlichen Führungsspitze Uniteds zum Vorschein getreten sein. Dies soll dazu geführt haben, dass nach Uniteds Niederlage gegen Nottingham Forest am vergangenen Wochenende die Entscheidung gefällt wurde, Ashworth unverzüglich aus seiner Rolle zu entlassen.
Ashworth dürfte vor allem mit dem Umfang seiner Entscheidungsgewalt unzufrieden gewesen sein. Beispielsweise missfiel es ihm, dass er im Sommer nicht in die Entscheidung eingebunden wurde, Erik ten Hag vorerst im Amt zu behalten, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt noch nicht seinen offiziellen Amtsantritt als Manchester Uniteds Sportdirektor gehabt hatte. Auch die Nachbesetzung der Trainerposition mit Rúben Amorim scheint Ashworth missfallen zu haben. Laut diversen Berichten habe er sich für einen englischen Nachfolger, namentlich Eddie Howe, Graham Potter oder Gareth Southgate ausgesprochen. Problematisch dürfte vor allem gewesen sein, dass die Stimme von CEO Omar Berrada in den meisten Fällen wesentlich mehr Gewicht bei Jim Ratcliffe fand als jene Ashworths. Inwiefern Ungereimtheiten betreffend Uniteds Transferpolitik – die Red Devils blätterten im vergangenen Sommer über 200 Millionen Pfund für die Verpflichtungen von Leny Yoro, Manuel Ugarte, Matthijs de Ligt, Noussair Mazraoui und Joshua Zirkzee hin – für Ashworths Abschied verantwortlich sind, bleibt fraglich.
Reaktionen zu Ashworths Aus
Manche Stimmen loben INEOS Entscheidungsfindung und sehen sie als positiven Ausdruck einer neuen, klaren und zielgerichteten Vereinsführung. Ziel sei es, den Verein auf eine gemeinsame Linie zu bringen – das gehe nur, wenn die Führungspersönlichkeiten eine Philosophie teilten und unpopuläre, finanziell wichtige Entscheidungen schnell und kompromisslos getroffen würden. In diesem Sinne sei es besser, die Trennung von Ashworth nicht sinnlos zu verzögern, sondern bereits jetzt einen Nachfolger zu suchen, der sich besser mit INEOS Zukunftsideen identifizieren kann. Natürlich ist es für Ashworths konkreten Fall nicht unerheblich, welche spezifischen divergierenden Ansichten ihn in den vermeintlichen Zwist mit der restlichen Vereinsführung brachten. Gerade Ashworths Sympathie gegenüber Southgate als potenziellen United Trainer lässt viele Fans auf der Insel, die den vorsichtig defensiven Fußball ihres ehemaligen Nationalteam-Coaches als Feindbild auserkoren haben, INEOS Handeln für gerechtfertigt befinden.
Andere hingegen betrachten Ratcliffes Vorgehen zunehmend als kaltherzig, kurzsichtig und empathielos. Noch vor wenigen Monaten bezeichnete er Ashworth als einen der „Top-Sportdirektoren“ im Fußballgeschäft, nun folgt postwendend die kompromisslose und überraschende Absägung Ashworths. Es wird befürchtet, dass Ratcliffes „geschäftsmännische Herangehensweise“ den Spirit, der Manchester United ausmacht, schädigen könnte. In den vergangenen Wochen und Monaten vermehrten sich die Geschichten von langjährigen loyalen Mitarbeitern, die unter Ratcliffes Anweisungen entlassen oder in den Zwangsruhestand geschickt wurden. Mit der Erhöhung der Ticketpreise und der Streichung der traditionell vom Verein finanzierten Mitarbeiter-Weihnachtsfeier wurde der Sparkurs intensiviert, mit dem die wirtschaftliche Potenz Manchester Uniteds erhöht werden soll.
Fazit: Eine ungewisse Zukunft
Die anfängliche Euphorie über INEOS Einsteigen bei Manchester United scheint verflogen zu sein, während die Skepsis vieler Fans steigt. Natürlich liegt dies zuallererst an der wenig verbesserten fußballerischen Performance des Teams. Die Red Devils legten abermals Negativrekorde zum Start der Saison hin. Doch auch der dargelegte Businessplan scheint nicht so sattelfest wie anfangs präsentiert – Fußball ist und bleibt doch ein ganz eigenes Geschäft. Das hat Jim Ratcliffe zwar bereits als Besitzer des OGC Nizza zu verspüren bekommen, doch wird die Herausforderung bei seinem Herzensverein, Manchester United, keine einfachere. Ob INEOS durchaus radikale Vorgehensweise, wie sie im Fall Dan Ashworth verdeutlich wurde, die notwendige oder richtige ist, um den schlafenden Fußballriesen wieder zum Leben zu erwecken, wird erst die Zeit zeigen. Jedenfalls klar ist, dass INEOS vor dem Engagement von Dan Ashworth nicht den notwendigen Due-Diligence-Prozess durchgeführt hat, sondern sich vielmehr auf Hörensagen verlassen haben dürfte. Es bleibt zu hoffen, dass ein solcher Fehler, auch finanzieller Natur, ein Einzelfall bleibt. Was die Nachbesetzung von Dan Ashworths Position betrifft, herrscht vorerst noch Unklarheit. Insider munkeln, dass die Anstellung einer neuen Persönlichkeit sogar vollends ausbleiben und es vielmehr zu einer neuerlichen Umstrukturierung der Führungsrollen im Verein kommen könnte.
Michael Bigl, abseits.at
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