Für Herbert Prohaska war Alfred „Fredi“ Drabits ein verhinderter Weltklassespieler: Das Talent hatte Fredi zwar, aber für den Transfer zu einem Riesenklub fehlte ihm... Anekdote zum Sonntag (264) –  Hotel Mama

Für Herbert Prohaska war Alfred „Fredi“ Drabits ein verhinderter Weltklassespieler: Das Talent hatte Fredi zwar, aber für den Transfer zu einem Riesenklub fehlte ihm die Einstellung. Damit ist nicht gemeint, dass der gebürtige Niederösterreicher ein fauler Kerl, ein arroganter Stehkicker oder dergleichen war, nein, dem 1,76 Meter großen Stürmer mangelte es an Biss und Durchsetzungswillen. Stellte ihn der Trainer einmal nicht auf, war Drabits beleidigt und drohte, mit dem Fußball aufzuhören. Der Angreifer spielte mannschaftsdienlich und war deshalb auch neben dem Platz oft bescheiden. Fredi war brav und keine „Krätzn“, sondern jemand, den man – wie „Schneckerl“ meinte – gerne mit seiner Tochter verkuppeln würde. Denn dann wäre MANN sicher, dass die Dame in der Beziehung die Hosen anhat.

Heute ist der Ex-Profi 65 Jahre alt und lebt wieder nahe seines Geburtsortes Traisen, im Bezirk Lillienfeld. 2010 wurde der damalige Akademietrainer nach einem Schlaganfall frühpensioniert und musste eine mühselige Rehabilitation über sich ergehen lassen. Gesundheitlich war Fredi immer schon etwas angeschlagen: Depressionen und Angstattacken sind ihm nicht unbekannt; seine fußballerische Hochbegabung kommt mit einer sensiblen Seele einher. Die alten Kollegen von der Austria – allen voran Prohaska – haben ihm immer wieder geholfen: Ärzte gesucht, ihn angerufen, besucht und zu gemeinsamen Treffen abgeholt. Drabits ist und bleibt eine Austria-Legende.

Fredis Fußballkarriere begann, als er 18-jährig von Sportclublegende und -trainer Erich Hof bei seinem Heimatverein entdeckt wurde: Hof war eigentlich nach Traisen gekommen, um sich einen anderen Spieler anzusehen, doch Mutter Drabits machte ihm ihren Sohn schmackhaft. Aus dem Dreher Drabits wurde in der Folge der Fußballer Drabits, der anfangs nebenbei bei der Post jobbte. 1981 wechselte Drabits, der schon als Kind Austria-Anhänger war, vom Sportclub schließlich zu seinem Herzensverein, wo er sieben Saisonen lang spielen sollte. Im Durchschnitt traf er in jeder zweiten Partie, war das „schlampige Genie“ der Veilchen, die mit Prohaska, Nyilasi, Steinkogler, Gasselich und Co. damals eine großartige Mannschaft hatte. Die Spitzentechniker entschieden fünfmal in Folge das Stadthallenturnier für sich. Fredi Drabits wurde mit der Austria dreimal Meister und zweimal Pokalsieger. Bis heute steht er auf Platz 5 der ewigen Torjägerliste. 1988 wechselte er zur Vienna, drei Jahre später beendete ein Achillessehnenriss seine Profikarriere. Als Libero wurde er in der Landesliga Schützenkönig – dafür reichte es.

Neben seinem fehlenden Durchsetzungswillen und dem seelischen Ungleichgewicht wurde Fredi Drabits Karriere auch stets von Gewichtsproblemen begleitet. „Wenn ich am Donnerstag auf die Waage gestiegen bin, kam der Schock.“, erinnert sich Fredi. Einmal soll er 24 Palatschinken am Stück vertilgt haben, was ihm den Spitznamen „Palatschinken-Fredi“ einbrachte. Wie „Buffy“ Ettmayer liebte der FAK-Angreifer Süßspeisen und – wie bei Ettmayer – machten sich seine Vorgesetzten berechtigte Sorgen um den Fitnesszustand des Spielers. Einmal beschloss das violette Trainerteam Drabits deshalb auf Diät zu setzen.

Während eines Austria-Trainingslagers in Lindabrunn bekam Fredi ausschließlich Rohkost in Form von Salat serviert und das war ihm selbstverständlich viel zu wenig. Also ersann Fredi eine List: Er telefonierte mit seiner Mutter, die ja nicht weit weg lebte und bat sie, ihm täglich etwas Nahrhaftes vorbeizubringen. Für Frau Drabits, die auf ihren fußballspielenden Buben unglaublich stolz war, kein Problem: Bei ihr sollte schließlich keiner hungern! Täglich machte sie sich mit einem prallgefüllten „Menagereindl“ bewaffnet und einer Nachspeise im Gepäck in die Sportschule Lindabrunn auf um als mütterlicher „Zimmer-Service“ ihrem Fredi zum Abendessen Hausmannskost zu servieren.

Die Übergabe des Selbstgekochte erfolgte klammheimlich und wie im Agentenfilm: Nach dem vereinbarten Klopfzeichen an der Zimmertür machte sich Fredi mit Heißhunger über die mitgebrachten Speisen her und schenkte seiner Mutter zum Dank liebevolle Blicke. Eierschwammerlsauce mit Knödel erfreuten sich beim siebenfachen Nationalspieler großer Beliebtheit und auch über diverse Desserts war der „Mehlspeisentiger“ verzückt wie ein kleines Kind. Die Essenslieferungen bemerkte niemand von der Austria-Führung; Fredis Mutter wusste sich zu tarnen. Selbst die anderen Austria-Spieler fanden es rätselhaft, wie es Frau Drabits schaffte mit einem ganzen Backblech in der Hand im Hotel des Sportzentrums nicht aufzufallen. Am Ende des Trainingslagers hatte Fredi Drabits schließlich dank seiner Zusatz-Rationen stattliche drei Kilogramm zu- statt abgenommen. Seine Kollegen bogen sich vor Lachen, das Trainerteam war wenig begeistert. Für Drabits und seine Mutter hatte der Begriff „Hotel Mama“ nach dieser Vorbereitung jedenfalls eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag